Überall auf der Welt werden Menschen in Gefängnissen festgehalten, nur weil ihre politischen und gesellschaftlichen Überzeugungen nicht denen ihrer Regierung entsprechen. Der heutige „Internationale Tag der politischen Gefangenen“ macht auf die Situation all dieser Inhaftierten aufmerksam. Oft werden sie trotz mangelnder Beweislage eingesperrt und müssen Gerichtsverfahren durchlaufen, die nicht den internationalen Standards für faire Verfahren entsprechen.
Von Yvonne Bangert & Juliana Miyazaki, Referentinnen für Indigene Völker / Kamal Sido, Referent für ethnische, religiöse und sprachliche Minderheiten / Anna Buhl, Praktikantin / Hanno Schedler, Referent für Genozid-Prävention; Foto: Gefangener/BronzeWhx/flickr.com/CC.BY
Gerade Gefangene, die einem indigenen Volk oder einer ethnischen Minderheit im Land angehören, sind häufig Opfer von Diskriminierung und Kriminalisierung. Mangelnder Zugang zu gesundheitlicher Versorgung und ein Verwehren der freien Religionsausübung erschwert ihre Situation zusätzlich. Obwohl dies gegen die Menschenrechte verstößt, befinden sind viele politische Aktivist*innen seit Jahren in einer solchen Lage. Sie sind darauf angewiesen, dass ihre Situation an die Öffentlichkeit gelangt. Wir möchten heute auf Machi Celestino Córdova Tránsito, Selahattin Demirtas, Ilham Tothi und Leonard Peltier aufmerksam machen und ihren Einsatz für die Rechte ihrer Völker würdigen.
Machi Celestino Córdova Tránsito
Die Mapuche stellen mit rund 1,3 Millionen Menschen fast zehn Prozent der Gesamtbevölkerung Chiles dar. Als indigenes Volk werden sie von staatlicher Seite jedoch häufig diskriminiert und kriminalisiert. Aus politischen und wirtschaftlichen Interessen heraus werden sogar wilde Inszenierungen errichtet, um Indigene zu beschuldigen und zu inhaftieren. Ein beispielhafter Fall ist der des Machi Celestino Córdova Tránsito. Er ist in seiner Funktion als Machi eine hochrangige spirituelle und politische Autorität der Mapuche Gemeinschaft. 2014 wurde er trotz fragwürdiger Beweise wegen Mordes an dem Ehepaar Luchsinger-Mackay zu 18 Jahren Haft verurteilt. Die Rechtmäßigkeit des Urteils wird nicht nur von der Mapuche Gemeinschaft, sondern auch von Menschenrechtsorganisationen und internationalen Beobachter*innen bis heute angezweifelt. Er und andere Mapuche Gefangene haben zahlreiche Hungerstreiks durchgeführt, um für ihre Rechte zu kämpfen. Unter anderem fordern sie das Recht auf Selbstbestimmung, Ausübung ihrer Spiritualität und die Rückgabe ihrer Territorien. Die chilenische Regierung hat bei seinem letzten (von insgesamt fünf) Hungerstreiks eine Vereinbarung mit dem Machi getroffen, woraufhin er in ein Arbeits- und Bildungszentrum verlegt wurde. Die Zustände dort sind allerdings immer noch prekär. Seine Grundrechte werden verletzt: Zeitweise hatten die Gefangenen keinen Zugang zu sauberem Wasser, die medizinische Versorgung ist mangelhaft, die Arbeitszeiten übertreffen 12 Stunden pro Tag, Diskriminierung und Repressalien sind an der Tagesordnung. Das Recht auf Ausübung der religiösen Spiritualität der Mapuche wird nicht respektiert und der Zugang zu heiligen Stätten und Heilpflanzen verwehrt. Dies verstößt gegen Artikel 7 bis 10 der ILO Konvention 169, die eine Berücksichtigung der kulturellen (religiösen) Besonderheiten der indigenen Völker vorsieht. Chile hat die Konvention im Jahr 2008 unterzeichnet.
Mehr zu den Mapuche
https://www.gfbv.de/de/news/chilenischer-mapuche-fuehrer-beendet-hungerstreik-10197/
https://www.gfbv.de/de/news/mapuche-gefangene-in-chile-10104/
Leonard Peltier
Seit 45 Jahren ist Leonard Peltier, eine Ikone der indigenen Bürgerrechtsbewegung in den USA, in Haft für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat. Er soll für den Tod von zwei FBI-Agenten in den 1970er Jahren verantwortlich sein und das FBI ist ein mächtiger Gegner. Zweimal lebenslänglich lautete das Urteil. Trotz vieler Verfahrensfehler erhielt er nie die Chance, das Urteil gerichtlich prüfen zu lassen. Auch sämtliche Anträge auf Entlassung zur Bewährung nach Ablauf der dafür vorgeschriebenen Mindesthaftzeit wurden abgelehnt. Dabei geben inzwischen sogar die Strafverfolgungsbehörden zu, dass sie nicht wissen, wer die beiden Agenten damals wirklich erschoss. Das FBI, so scheint es, will unbedingt einen Schuldigen haben für den Tod der beiden Kameraden, komme was wolle. Heute ist Peltier ein alter und kranker Mann. Eine Gefahr für die Öffentlichkeit ist er sicher nicht. Trotzdem hat er den größten Teil der Haft in Hochsicherheitstrakten mehrerer Gefängnisse verbracht, derzeit in USP Coleman in Florida. Er hat sich nie auf einen Deal eingelassen, sich im Tausch gegen Freiheit pro forma schuldig zu bekennen. Nachdem der Rechtsweg schon lange erschöpft ist, richtet sich die Kampagne seines Verteidigerteams nun auf eine Verlegung in ein Gefängnis mit einer niedrigen Sicherheitsstufe näher bei seiner Familie, die ihn zurzeit wegen der großen Entfernung zwischen North Dakota und Florida und den damit verbundenen hohen Kosten nur selten besuchen kann. Vor ihrer Berufung zur US-Innenministerin setzte sich auch Deb Haaland als Senatsmitglied für Leonard Peltier ein. Und tatsächlich gibt es Hoffnung. Mitte Februar schrieb Peltier an sein Verteidigerteam: „Heute habe ich mit meinem Fallbetreuer gesprochen. Er sagte mir, dass ich verlegt werden soll, aber während der Pandemie werde es keine Verlegungen geben. Das sei erst in frühestens sechs Monaten wieder möglich.“
Mehr zu Leonard Peltier unter:
https://www.gfbv.de/de/news/seit-ueber-40-jahren-unschuldig-in-haft-10078/
https://www.leonardpeltier.de/author/michael-koch
Selahattin Demirtaş
Wir erinnern an das Schicksal des kurdischen politischen Gefangenen Selahattin Demirtaş und würdigen seinen unermüdlichen Einsatz für Gleichberechtigung, Religionsfreiheit und ein friedliches Zusammenleben in der Türkei. Er setzte sich unter anderem auch für die Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten, von Frauen und von Homosexuellen ein. Als Menschenrechtsanwalt hatte Selahattin Demirtaş es sich zur Aufgabe gemacht, Gefangene in der Türkei vor polizeilicher Willkür zu schützen. Nun sitzt er selbst seit dem 3. November 2016 in türkischer Haft. Wir fordern die Freilassung von Demirtas und allen anderen 50.0000 politischen Gefangenen.
Ilham Tohti
Der uigurische Wirtschaftsprofessor Ilham Tohti ist ein Brückenbauer zwischen Uiguren und der Mehrheitsbevölkerung der Han in der Volksrepublik China. Anstatt ihn zu fördern und zu unterstützen auf die Marginalisierung aufmerksam zu machen und konstruktive Vorschläge für die Verbesserung der Lebenssituation von Uigur*innen vorzubringen, sorgte die chinesische Regierung dafür, dass er im Jahr 2014 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Er ist ein politischer Gefangener, der aufgrund der friedlichen Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert ist. 2019 wurde Tohti mit dem Sacharow-Preis des Europaparlaments ausgezeichnet. Tohti wusste, dass sein Einsatz ihn ins Gefängnis bringen könnte, dennoch machte er mit seiner Arbeit weiter und appellierte immer wieder an die Regierung, die Unterdrückung der Uigur*innen zu beenden. Seit seiner Verurteilung hat sich die Lage der Uigur*innen nochmal dramatisch verschlechtert: Mindestens 1,6 Millionen von ihnen wurden seit 2017 willkürlich in sogenannte „Umerziehungslager“ gesperrt.
Mehr zu der Situation der Uigur*innen gibt es unter https://www.gfbv.de/de/informieren/projekte/uiguren/ nachzulesen oder zu hören https://soundcloud.com/gfbv/folge-7-china-und-die-unterdruckung-der-uiguren?in=gfbv/sets/podcast-fuer-vielfalt
Es braucht Aufmerksamkeit
Wenn wir auf diese Schicksale hinweisen und die unwürdigen Zustände anprangern, die in den Gefängnissen herrschen, können wir helfen die Situation zu verändern. Es ist wichtig, diese und viele weitere Menschen, die mutig für die Rechte Unterdrückter einstehen, zu unterstützen und ihnen unsere Solidarität zu zeigen!
Die Menschenrechtsverstöße der Regierungen müssen aufgedeckt werden. Wir fordern faire Prozesse und eine Freilassung der unschuldigen politischen Gefangenen!