Wie wird es weitergehen in Syrien?

In der nordsyrischen Stadt Aleppo wird wieder gekämpft. Die von den Vereinigten Staaten und Russland ausgehandelte Waffenruhe ist gescheitert. Das syrische System hat unterdessen angekündigt, durch eine Offensive auf Aleppo an, um die Stadt zurückzuerobern. Wie soll es jetzt weitergehen? GfbV-Nahostreferent Kamal Sido kommentiert.

von Kamal Sido; Foto: Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen tagt zur Lage in Syrien. © UN Photo/JC McIlwaine

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier will ein „zeitlich befristetes Flugverbot“ im Raum Aleppo durchsetzen. Dieses „Flugverbot“ sei notwendig, um die Zivilbevölkerung versorgen zu können. So weit, so gut (FAZ). Allerdings stehen für mich drei ungelöste Probleme im Raum.

Wie soll Herr Steinmeier dieses „Flugverbot“ durchsetzen?

Werden das syrische Regime, die Iraner und vor allem die Russen mitmachen? Ich glaube nicht daran.

Wer kann und wer will die islamistischen bewaffneten Gruppen im Raum Aleppo, die es zu Hunderten gibt, in Schach halten?

Wer wird die von Regimetruppen kontrollierten Stadtteile von Aleppo, wo noch eine Million Menschen leben, darunter 100.000 Christen, Armenier, Assyrer/Chaldäer/Aramäer, Kurden, Aleviten, Ismailiten, Schiiten, Yeziden etc. vor den bewaffneten islamistischen Gruppen schützen? Oder sollen sie ihrem Schicksal, genauer gesagt „dem Schwert des Islam“, überlassen werden?! Die Erfahrungen aus Bagdad (ab 2003), aus Mossul (vor allem 2003 bis 2014) zeigen uns, wozu die Islamisten fähig sind. Die Islamisten wollen rein-sunnitische, rein-arabische Gebiete haben.

Was hat Herr Steinmeier bisher dafür getan, dass der NATO-Partner Türkei Grenzübergänge zu den relativ stabilen Regionen in Afrin, Kobani, Kamischli, kurz die kurdischen Gebiete in Nordsyrien dauerhaft für humanitäre Hilfe öffnet?

Herr Steinmeier ist gut beraten vor allem die letzte Frage mit der türkischen Regierung zu klären. Zudem sollte der Westen für weniger Islamismus in Syrien sorgen. Russland hingegen muss sich ein wenig für die Eindämmung der Assad-Diktatur einsetzen. Nur so kann es irgendwann Frieden in Syrien geben.

Wenn ihr auch der Meinung seid, dass die türkischen Grenzübergänge in die Kurdengebiete in Nordsyrien dringend für humanitäre Hilfe und die Versorgung der eingekesselten Menschen geöffnet werden sollen, dann unterschreibt unsere Petition: Türkische Grenzübergänge in die Kurdengebiete öffnen!

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[Zum Autor]

KAMAL SIDO ist Nahostreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker. Er steht in direktem Kontakt mit Repräsentanten vieler Volksgruppen des Nahen Ostens. Erst Anfang 2016 war er durch das kurdische Gebiet Rojava in Nordsyrien gereist.

5 Gedanken zu “Wie wird es weitergehen in Syrien?


  1. Interessanter Artikel, sehr gut erklärt! Die türkischen Grenzübergänge in die Kurdengebiete in Nordsyrien müssen dringend für humanitäre Hilfe und die Versorgung der eingekesselten Menschen geöffnet werden, da bin ich ganz eurer Meinung. Ich denke, dass spätestens 2017 eine Lösung gefunden wird, da die Sterne dafür einiges versprechen – Es bahnt sich ja schon ein guter Weg dazu an! Liebe Grüße, Johannes


  2. Eine Waffenruhe hat ihren Namen nur verdient, wenn nicht gleichzeitig Assads und Putins Kampfjets bombardieren. Die Forderung nach einem Flugverbot ist daher logisch. Ob sie auch realistisch ist, ist eine andere Frage, denn Assad hat ja angekündigt, dass er ganz Syrien zurückerobern will und Putin hat bisher nicht die geringste Kritik an Assad geübt und ihn militärisch von Anfang an unterstützt.

    Im obigen Text steht der Satz: „Russland muss sich ein wenig für die Eindämmung der Assad-Diktatur einsetzen“. Ich störe mich an dem „ein wenig“, aber die Forderung geht in die richtige Richtung, auch wenn sie ähnlich unrealistisch ist wie die Forderung nach einem Flugverbot. Putin ist selber ein Diktator und hat noch nie irgendwelche menschlichen oder antidiktatorischen Ambitionen erkennen lassen.

    Die Tragik besteht darin, dass alle richtigen Vorschläge von Assad und Putin entweder abgeblockt oder nur kurzfristig zum Schein angenommen werden. Die beiden wollen keine dauerhafte Waffenruhe und Putin will Trump an der Macht sehen und wird alleine deshalb schon einen Erfolg der Obama-Administration in Syrien verhindern.

    Die syrischen Minderheiten in den von Assad gehaltenen Gebieten sind meiner Meinung nach nicht von der Auslöschung bedroht, da die Rebellen gegen Russland/Iran/Hizbollah und Assads Armee keine Chance haben. Es geht im Moment darum, die Zivilbevölkerung in den von den Rebellen gehaltenen Gebieten zu schützen und zu versorgen, denn Assads Strategie besteht darin, in diesen Gebieten das Leben unmöglich zu machen.

    Die Petition „Kurdische Grenzübergänge in die Kurdengebiete öffnen“ sollten möglichst viele unterschreiben, denn die Kurden in Nordyrien sind definitiv sehr bedroht. Dank an Kamal Sido für seinen unermüdlichen Einsatz!


    • Liebe Frau Fecke,

      haben Sie herzlichen Dank für Ihren Kommentar. Ich gebe Ihnen Recht, dass der syrische Knoten sehr kompliziert ist. Wir bei der GfbV machen uns Sorgen, vor allem über das Schicksal der Zivilbevölkerung, Kinder, Frauen und natürlich der Minderheiten.

      Russland müsste eigentlich das barbarische Bombardement der von islamistischen Rebellen kontrollierten Stadtviertel im Osten von Aleppo umgehend einstellen. Russland müsste auch dafür sorgen, dass ihr Vasal, das Regime in Damaskus, alle seine Luftangriffe auf Ostaleppo sofort beendet.

      Die USA müssten dafür sorgen, dass alle radikalislamistischen Gruppen im Raum Aleppo entwaffnet werden oder dafür sorgen, dass sie sich mindestens an Abmachungen über eine Waffenruhe halten. Das ist fast unmöglich.

      Während Russland, der Iran und schiitische Milizen aus dem Libanon, dem Iran und anderen Ländern das brutale syrische Regime mit allen Mitteln unterstützen, rüsten die USA, andere NATO-Staaten, Saudi-Arabien und Katar die Radikalislamisten immer mehr auf.

      Noch einmal Danke und herzliche Grüße,
      Kamal Sido, GfbV-Nahostreferent

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