Wir müssen über Syrien reden!

Diese Woche löste ein mutmaßlicher Giftgasangriff auf die syrische Stadt Chan Scheichun eine Welle des Schocks und der Empörung aus. Über 80 Menschen sollen bei diesem abscheulichen Angriff getötet worden sein, es gibt viele Verletzte, unter ihnen sind viele Kinder.

von Kamal Sido; Foto: pixabay.com [Symbolbild]

Ich kenne Chan Scheichun noch von früher. Bis 1980 bin ich immer wieder auf dem Weg von Aleppo nach Damaskus durch diese Ortschaft gefahren. Zuletzt war ich 2009 dort.

Dieser widerwärtige Giftgasangriff muss untersucht und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden! Dazu müssten Experten in das betroffene Gebiet geschickt werden, um die Spuren zu untersuchen. Auch der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, de Mistura, fordert eine Aufklärung.

Mit dem amerikanischen Bombenangriff auf den syrischen Luftwaffen-Stützpunkt heute zeigt sich aber auch, dass die USA kein Konzept für die Lösung des syrischen Konflikts haben. Es sei denn, man will wieder und aktiver die prosaudischen und protürkischen Islamisten unterstützen.

Um den Syrienkonflikt lösen zu können, müssen sich Trump und Putin gemeinsam für eine friedliche Lösung einsetzen. Ohne eine Zusammenarbeit zwischen Russland und den USA können die Kriegsverbrechen des brutalen syrischen Regimes und der von der Türkei unterstützten Islamisten nicht geahndet und bestraft werden. Gleichzeitig können Russland und Amerika es durch eine Kooperation schaffen, den Einfluss des Iran und der Türkei in Syrien zu begrenzen.

Es muss endlich eine verbindliche Feuerpause in Syrien geben. Hier sind die Russen gefragt. Sie müssen Druck auf das Regime in Damaskus, auf den Iran und die schiitischen Milizen ausüben. Russland darf das Regime nicht weiter unterstützen. Westliche Regierungen sowie die Türkei und Saudi-Arabien müssen ihrerseits aufhören, den Islamisten in Syrien zu helfen. Anstatt Erdogans Islamisten sollten eher die arabische Demokratie-Bewegung, die Demokratie-Bewegung der Kurden, Assyrer/Aramäer, Armenier, Christen, Drusen, Ismailiten, Alawiten, und Yeziden unterstützt werden.

Assad ist ein Kriegsverbrecher. Er und andere Kriegsverbrecher müssen bestraft werden. Das ist aber noch kein Grund für seinen Austausch durch Erdogans Islamisten. Die Syrer haben eine bessere Regierung als Assad und Erdogans Islamisten verdient.

Die neuesten Angriffe in Syrien haben wieder eins bewiesen: Opfer militärischer Auseinandersetzungen ist immer die Zivilbevölkerung. Eine weitere militärische Eskalation wird ihre Lage nur verschlechtern.

Es reicht!

Eine militärische Lösung in Syrien wird es nicht geben! Alle Seiten müssen sich für eine friedliche politische Lösung einsetzen!

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[Zum Autor]

KAMAL SIDO ist Nahostreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker. Er steht in direktem Kontakt mit Repräsentanten vieler Volksgruppen des Nahen Ostens. Erst Anfang 2016 war er durch das kurdische Gebiet Rojava in Nordsyrien gereist.

Ein Gedanke zu “Wir müssen über Syrien reden!


  1. Nein, wir müssen nicht über Syrien reden, weil dies den Menschen in Syrien in keinster Weise hilft.

    Worüber wir aber reden müssen, das ist dieser Artikel, der nur wiederholt, was mir von den westlichen Mainstream-Medien schon seit einer gefühlten Ewigkeit vorgesetzt wird, nämlich ein gleichermaßen simples wie falsches Narrativ über den Konflikt in Syrien:

    • Assad ist ein Despot und Schlächter seines Volkes, der auch vor dem Einsatz von Chemiewaffen nicht zurückschreckt.

    • Erdogan ist auch nicht besser, weil er islamistische Terroristen unterstützt.

    • Nur die Terroristen des syrischen PKK-Ablegers YPG sind gut, weil sie Yeziden vor dem IS beschützen.

    • Russland muss die Hilfe für Assad einstellen und Druck auf ihn ausüben.

    • Alle Seiten müssen sich für eine friedliche politische Lösung einsetzen.

    • Die übliche PKK-Propaganda darf natürlich auch nicht fehlen: „Demokratie-Bewegung der Kurden, Assyrer/Aramäer, Armenier, Christen, Drusen, Ismailiten, Alawiten, und Yeziden“ muss unterstützt werden.

    • Und am Ende das Mantra: „Eine militärische Lösung in Syrien wird es nicht geben!“

    Tut mir leid, aber da ist Wladimir Putin völlig anderer Meinung als Dr. Kamal Sido. Als Putin zu Beginn des Zweiten Tschetschenienkrieges von einem westlichen Journalisten gefragt wurde, warum er denn nicht mit dem Kaukasischen Emirat über eine friedliche Lösung verhandeln würde, da hat Putin geantwortet: „Warum sollte ich mit Terroristen verhandeln, wenn ich sie töten kann?“

    Es wird in Syrien also eine militärische Lösung geben.

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