Dolkun Isa ist uigurischer Menschenrechtler, Mitglied der Gesellschaft für bedrohte Völker und Präsident des Uigurischen Weltkongresses. Er lebt seit über 20 Jahren in Deutschland. Seitdem er aus China fliehen musste, hat er seine Eltern nicht mehr sehen können. Von der chinesischen Regierung wird er seit langem als „Terrorist“ bezeichnet. Sein angebliches Verbrechen: Isa setzt sich dafür ein, dass die chinesische Regierung die muslimischen Uiguren respektiert, statt sie zu verfolgen und millionenfach in Umerziehungslager zu stecken.
Von Hanno Schedler, GfbV-Referent; Foto: Dolkun Isa wurde von unserer Brasilien-Expertin Eliane Fernandes Ferreira unterstützt, die ebenfalls für die GfbV beim Permanenten Forum für Indigene Angelegenheiten war.
Gestern berichtete Dolkun beim Permanenten Forum für Indigene Angelegenheiten der Vereinten Nationen in New York über die Lager und die Methoden, mit denen die chinesische Regierung in den Lagern versucht, die Identität der Uiguren auszulöschen: „Alle Facetten unserer Identität, die uns definieren, sind Ziel der chinesischen Regierung: Unsere Sprache, unsere Geschichte, Kultur und unsere Religionszugehörigkeit.“
Die chinesische Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, die Uiguren kulturell auszulöschen. Dabei geht es nicht primär darum, möglichst viele Uiguren umzubringen. Stattdessen soll ihre Sprache, eine Turksprache, nicht mehr an die nächsten Generationen weitergegeben werden. Uigurisch sprechen ist von der chinesischen Regierung als „unpatriotisch“ eingestuft worden. In der Diaspora versuchen Uiguren, ihre Sprache zu retten und bieten ihren Kindern am Wochenende Sprachkurse an:
Kampf gegen die uigurische Sprache: Im aktualisierten Logo der Universität Xinjiang in Urumqi fehlt inzwischen die uigurische Bezeichnung der Universität
Interesse daran, dass die Weltöffentlichkeit davon erfährt, dass muslimische Uiguren, Kasachen und Kirgisen in den Lagern unter anderem gezwungen werden, Schweinefleisch zu essen und Alkohol zu trinken, hat die chinesische Regierung nicht.
Menschen wie Dolkun Isa, der seine Eltern zuletzt in den 1990er Jahren sehen konnte, bevor er wegen seiner Menschenrechtstätigkeit aus dem Land fliehen musste, sind den Machthabern in Peking ein Dorn im Auge. Seit Jahrzehnten diffamiert die chinesische Regierung Dolkun Isa als „Terrorist“, obwohl er sich nie eines Verbrechens schuldig gemacht hat. Vor Sitzungen der Vereinten Nationen versucht sie zu verhindern, dass Dolkun über die Situation in den Lagern berichtet. Und über seine Mutter: Im Mai 2018 erfuhr Dolkun Isa, dass seine eigene Mutter in einem der 1.300 Lager verstorben war. „Über zwei Jahre konnte ich nicht ihre Stimme hören, über 20 Jahre konnte ich sie nicht treffen“, berichtete er gestern.
Nachdem Dolkun seine Rede gehalten hatte, bezeichnete ein Vertreter der chinesischen Regierung ihn als Terroristen. Vertreter der deutschen und der US-Regierung widersprachen und verteidigen seine Arbeit von Dolkun Isa. Es ist sehr wichtig, dass sich die Regierungen Deutschlands und der USA auch in New York dafür eingesetzt haben, dass die Situation in den chinesischen Lagern bei den Vereinten Nationen thematisiert wird. Ohne den Einsatz der internationalen Gemeinschaft wird die chinesische Regierung ihren kulturellen Völkermord vollenden und weiter behaupten, bei den Lagern handele es sich um Zentren zur beruflichen Weiterbildung. Auch Unternehmen wie der Volkswagen-Konzern, die in der Region Fabriken haben, müssen ihr Schweigen endlich aufgeben.
Die chinesische Regierung nimmt mit ihrer brutalen Politik der Zwangsanpassung an die Dogmen der Kommunistischen Partei Millionen von Menschen ihre Würde. Unzählige Uiguren, Kasachen und Kirgisen wissen nicht, sie ihre in den Lagern verschwundenen Familienangehörigen passiert, ob sie jemals wieder rauskommen, ob sie noch dieselben Mütter, Väter, Schwestern und Brüder sind wie vorher. Über 1,5 Millionen Menschen in den Lagern wissen in diesem Moment nicht, ob sie jemals wieder rauskommen. Dolkun Isa hat bereits seine Mutter verloren. Wo sein Vater ist und wie es ihm geht, weiß er nicht. Aber er macht weiter und kämpft für sein Volk. Unsere Aufgabe ist es, Menschen wie ihn dabei zu unterstützen und durch unseren UN-Status denjenigen eine Stimme zu geben, die sich der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und nicht den Diktatoren dieser Welt verpflichtet fühlen.