“You should not forget Rohingyas are human, too!”

Dr. Anita Schug fand deutliche Worte beim Side Event über die Situation der Rohingya am 11.März 2019 beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. Die Gesellschaft für bedrohte Völker richtete das Event gemeinsam mit dem Europäischen Rohingya-Rat (ERC) aus, der durch Dr. Anita Schug und Ambia Perveen vertreten wurde. Im Vordergrund der gut besuchten Veranstaltung stand die Situation der Rohingya in den Flüchtlingslagern in Bangladesch und die Forderungen der Rohingya.

verfasst von Franziska Heike; Foto: Treffen des Europäischen Rohingya-Rates und der GfbV mit UN-Sonderberichterstatterin Yanghee Lee

Ambia Perveen und Anita Schug besuchten gemeinsam mit der Organisation „Fortify Rights“ im Februar 2019 Flüchtlingslager in der Nähe der Stadt Cox‘s Bazar in Bangladesch und schilderten ihre Eindrücke sowie die Situation der in der Diaspora lebenden Rohingya.

Die im irischen Carlow lebenden Karl Duffy und Stephanie McDermott berichteten über die erfolgreiche Integration von 64 geflüchteten Rohingya in Carlow. An dieser waren sie im Rahmen des Neuansiedlungsprogramms der irischen Regierung und des UNHCR beteiligt. Es seien verschiedene Projekte begonnen worden. So erstrahl der Cricket-Verein der Stadt seit der Ankunft der Rohingya im neuen Glanz und hab zum ersten Mal seit 40 Jahren eine nationale Trophäe gewonnen. Außerdem sei ein Kochbuch mit Rezepten der Rohingya veröffentlicht worden.

Die Rohingya sind eine muslimische Minderheit, die seit Jahrhunderten im heutigen Bundesstaat Rakhine in Burma zuhause ist. Seit Jahrzehnten werden die Rohingya innerhalb Burmas verfolgt und müssen Peinigungen wie Staatenlosigkeit, Auflagen zur Anzahl der Kinder, Heiratsbeschränkungen, Einschränkungen der Bewegungs- und Religionsfreiheit erleiden. Sie haben wenig bis keine Bildungsmöglichkeiten und wurden in den letzten Jahrzehnten immer wieder Ziel von Angriffe durch buddhistische Extremisten und das burmesische Militär. Im August 2017 ging das Militär massiv gegen Rohingya vor und es kam zu Massenerschießungen, Luftbombardements, Massenvergewaltigungen und Folter. Laut einer vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzten Kommission flohen damals ungefähr 725.000 Rohingya nach Bangladesch.  Die Kommission stuft die Vorgänge als Genozid ein und meint, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen an den Rohingya begangen wurden. Sie sieht das burmesische Militär in der Verantwortung. Schätzungen zufolge leben nun mittlerweile 1,1 Millionen Rohingya in Flüchtlingslagern in Bangladesch.

Der Europäische Rohingya-Rat arbeitet eng mit den Rohingya in Burma, Bangladesch und in der Diaspora zusammen. Die Organisation schafft Aufmerksamkeit für die Situation der Rohingya, ermöglicht ihnen eine Ausbildung und versorgt Rohingya in den Lagern medizinisch. Eine Delegation des ERC flog gemeinsam mit Mitglieder der Organisation „Fortify Rights“ im Februar 2019 nach Bangladesch, um sich dort in der Nähe von Cox’s Bazar die Flüchtlingslager anzusehen, sich ein Bild der aktuellen Umstände zu machen. Sie wollte herausfinden, ob und unter welchen Umständen die Geflüchteten nach Burma zurückkehren wollen, und was sie vom Internationalen Strafgerichtshof erwarten.

Dr. Ambia Perveen berichtete über die Lage der Rohingya in den Flüchtlingslagern

Laut Ambia Perveen (Video Ambia Perveen UN-Side Event/ Women’s Day) sind der ERC und die Geflüchteten dem Staat Bangladesch sehr dankbar, dass er sich den Flüchtlingen angenommen hat. Kein anderes Nachbarland habe sich dafür bereit erklären wollen. Bangladesch selbst sei allerdings ein sehr armes Land mit einer hohen Bevölkerungsdichte. Ambia Perveen berichtete, dass es der Bevölkerung in Bangladesch nicht viel bessergehe als den Geflüchteten aus Burma. In den Lagern herrschen Menschen unwürdige Zustände. Anita Schug erklärte, dass die Luft in den Lagern verschmutzt sei. Überall lägen Fäkalien herum. Anita Schug beschrieb die Situation wie folgt: „Du läufst auf Fäkalien, du lebst mit den Fäkalien und du isst deine eigenen Fäkalien“. Die Häuser seien nicht geeignet, dem Monsunregen standzuhalten und es gebe nur unzureichende Sanitäranlagen, die sich außerhalb der Häuser befinden.

Durchfall, Infektionen und Hepatitis C würden in den Lagern umgehen. Viele wüssten nicht mal, dass sie an Hepatitis C erkrankt sind, da die diagnostischen Mittel hierfür fehlen würden. In den medizinischen Versorgungszentren werden lediglich leicht behandelbare Fälle versorgt. Jedes Mal, wenn sie die Krankenstationen besuchen würden, erhielten sie Schmerzmittel und kleinere Behandlungen, die jedoch schwereren Erkrankungen überhaupt nicht helfen würden. Verlegungen in andere Krankenhäuser außerhalb der Camps würden nur selten geschehen. Viele Waisenkinder, Vergewaltigungsopfer und Überlebende des Völkermordes, mit denen die Delegation sprach, berichteten von Albträumen und Stimmungsschwankungen. Es sei offensichtlich, dass viele Vergewaltigungsopfer unter einer Posttraumatischer Belastungsstörung leiden würden, jedoch keine psychologische Betreuung innerhalb der Camps existiere.

Verlassen dürfen die Rohingya die Flüchtlingslager nicht. Viele würden die Sachen, die sie von UNICEF oder vom UNHCR erhalten, an andere Rohingya im Lager weiterverkaufen, um ein bisschen Geld zu verdienen. Es gebe zu wenig humanitäre Hilfeleistungen gegenüber den Rohingya und es mangele an vielem, unter anderem an Nahrungsmitteln.

Eine vernünftige schulische Ausbildung gibt es in den Lagern nicht. So können viele Jugendliche ihre in Burma begonnene schulische Ausbildung nicht weiterverfolgen. Außerdem könnten die Lehrer, die Ambia Perveen in diesen Zentren angetroffen hat, kein Englisch sprechen. In den Zentren werde auch nicht die Landessprache Bengali unterrichtet, was aber für die Integration der Rohingya in die Gesellschaft Bangladesch wichtig wäre. Oftmals komme es auch zu Übersetzungsschwierigkeiten, da sich Bengali und die Sprache der Rohingya unterscheiden, sodass bei der Übersetzung Fehler entstehen, erklärt Ambia Perveen.

Die Rohingya seien sehr empfänglich für Radikalisierung, da man ohne Hilfe ein feindliches Umfeld schafft und Platz für die Menschen macht, die versuchen, Geflüchtete zu radikalisieren. Der Versuch Menschen zu radikalisieren kann durchaus gelingen, da die Sicherheitslage innerhalb der Lager mangelhaft ist. Viele Frauen verschwinden, sie gehen mit in der Hoffnung auf Arbeit und werden dann als Sexarbeiterinnen missbraucht.

Dr. Anita Schug forderte eine stärke Einbindung der Rohingya-Diaspora durch internationale Institutionen

Anita Schug berichtete, dass die in der Diaspora lebenden Rohingya sehr aktiv sind und gut mit den in Bangladesch lebenden Geflüchteten und den in Burma verbliebenen Rohingya vernetzt. Die in Burma lebenden Rohingya können nur dank der Unterstützung der Diaspora überleben. Die Rohingya in Burma sind so stark eingeschränkt, dass sie ohne die Unterstützung nicht gehen würde. Der Genozid an den Rohinga inj Rakhine geht weiter. Anita Schug meint, der Genozid war und ist verhinderbar. Es gab und gibt noch immer alarmierende Signale, in Bezug auf den Genozid an den Rohingya, jedoch tut die internationale Gemeinschaft nichts dagegen. Alle Rohingya sind gleichsam von dem Problem betroffen, ungeachtet wo sie wohnen. „We live with that situation“, so Anita Schug weiter. Wer baut die zerstörten Häuser und Toiletten in den Flüchtlingslagern wieder auf, es sind die Rohingya die in der Diaspora leben, ergänzt Ambia Perveen.

Programme für die Rohingya ohne die Einbindung der Diaspora könnten nicht funktionieren. Anita Schug meint: „You may have the best ideas but we have the best solutions.“ (Ihr habt vielleicht die besten Ideen, aber wir haben die besten Lösungen).

Bis jetzt habe die UN, trotz der vorliegenden Untersuchungsergebnisse, nur Lippenbekenntnisse gemacht, so Anita Schug weiter. Es gebe viele Berichte, aber keiner tue etwas. Die allgemeine Sympathie mit den Rohingya müsse endlich in Empathie umschlagen, denn nur Empathie könne die Rohingya retten. Schug berichtete, dass die noch in Burma lebenden danach fragen würden, was die UN, die internationale Gemeinschaft, die USA, China oder Russland für sie tun. Die internationale Gemeinschaft müsse die humanitären Leistungen Bangladeschs anerkennen und sie dabei unterstützen. Jedoch forderte Anita Schug in Bezug auf Hilfe einen nachhaltigen Ansatz. Die Rohingya bräuchten für eine sichere Rückkehr Garantien für körperliche Unversehrtheit und ein Mindestmaß an Menschenrechten, wie Staatsbürgerschaft und die Anerkennung ihrer Identität als ethnische Gruppe innerhalb des Vielvölkerstaat Burmas.

Zudem wollen die Rohingya Ambia Perveen zufolge die Täter vor dem ICC sehen und fordern somit Bangladesch auf, in dieser Sache weiter am Ball zu bleiben, sodass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.

Anita Schug bekräftigt diese Forderungen durch den Satz, dass Rohingya auch Menschen sind und auch sie auf eine Zukunft hoffen und man sie nicht einfach ignorieren kann.

Im Anschluss hatten der ERC und Jasna Causevic und Hanno Scheder von der GfbV die Möglichkeit, Yanghee Lee, die UN-Berichterstatterin für Burma, zu treffen und mit ihr über die Situation der Rohingya zu sprechen.

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