Aboriginal People fordern Nationalfeiertag für ALLE Australier

Noch immer gibt es nationale Feiertage wie den Kolumbustag (12. Oktober) oder den Australia Day (26. Januar), an denen die „Entdeckung“ Amerikas durch europäische Seefahrer oder eben die beginnende Besiedlung Australiens gewürdigt wird. Doch die Kritik an solchen Feierlichkeiten wird lauter. Auch in Australien.

von Marion Caris; Foto: Melbourne Street Avant-garde via Flickr

Am 26. Januar ist es wieder soweit. Am anderen Ende der Welt wird der Australia Day gefeiert. Der Termin ist dabei seit Jahren heftig umstritten, denn an diesem Tag wird nicht die Geburt der australischen Nation gefeiert, sondern die Gründung der ersten britischen Sträflingskolonie 1788 nahe des heutigen Sydney. Viele Strafgefangene hatten die Überfahrt nicht überlebt, die übrigen betraten mehr tot als lebendig das fremde Land, in der Gewissheit, die eigene Heimat nie wiederzusehen. Noch weniger Grund zum Feiern gibt es für die Aboriginal People des Kontinents. Obwohl sie seit etwa 50.000 Jahren in Australien leben, werde sie aus der Geschichte des fünften Kontinents fast vollständig ausgeklammert. Ganz zu schweigen von der Kolonisierung, die sie ertragen mussten. Sie verloren ihre Souveränität, ihr Land, viele sogar ihr Leben. Sie litten unter Unterdrückung und viele wurden sogar versklavt. Und so ist für die Aboriginal People Australia Day ein Synonym für Ausrottung, Enteignung, Unterdrückung und Diskriminierung, unter denen sie bis heute leiden.

So sind Aboriginal People nach wie vor von Vertreibung bedroht, denn Australien verdankt seinen Wohlstand in beträchtlichem Ausmaß Bodenschätzen wie Kohle, Gold, Uran oder Kupfer, die auf dem traditionellen Land der indigenen Gemeinschaften abgebaut werden. Zudem werden auch heute noch Kinder mit Gewalt aus ihren Familien entfernt – sogar in größerem Ausmaß als zur Zeit des Kindsraubes der „Stolen Generations“, der seit Beginn des 20. Jahrhunderts Generationen von Aboriginal People von ihren Familien trennte und erst Anfang der 1970er Jahre offiziell beendet wurde: 16.000 Aboriginal-Kinder sind aktuell in Betreuungseinrichtungen untergebracht. Das sind mehr als ein Drittel aller Pflegekinder im australischen Betreuungssystem, obwohl die Aboriginal Australians gerade mal drei Prozent der australischen Bevölkerung ausmachen. Darüber hinaus bestimmen „ethnic profiling“, also die kriminalistische Kategorisierung nach Herkunftsmerkmalen, eine unverhältnismäßig hohe Zahl an inhaftierten Aboriginal People, sogar eine auffällig hohe Sterberate von Aboriginal People im Polizeigewahrsam und viele weitere diskriminierende Praktiken das Leben der indigenen Gemeinschaften in Australien. (bedrohte Völker – pogrom)

Die australische Regierung versucht mit verschiedenen Programmen, die Situation der Aboriginal People zu verbessern. Doch die Programme kratzen nur an der Oberfläche und ignorieren das tiefsitzende Problem: Australien muss sich mit dem weit verbreiteten Rassismus auseinandersetzen und aktiv dagegen vorgehen.

Foto: sidkid via Flickr

Widerstand gab es schon immer

Aboriginal People haben sich von Anfang an gegen die Kolonisierung gewehrt und schon früh angefangen, gegen deren Symbol, den Nationalfeiertag, zu protestieren. Bereits 1938 zogen hunderte Aboriginal People am sogenannten Day of Mourning (Tag der Trauer) durch die Straßen von Sydney, während am Strand weiße Australier die Invasion nachgespielten. Bei dem Kostümspektakel gab es sogar „fliehende“ Aboriginal People, die aus anderen Teilen Australiens herangekarrt werden mussten, weil in Sydney selber kein Schwarzer Australier zu finden war, der an diesem demütigenden Schauspiel teilnehmen wollte.

Seit einigen Jahren organisieren Aboriginal People in den großen Städten Gegendemonstrationen zu den Feiern am Australia Day unter den Namen Survival Day (Tag des Überlebens) oder Invasion Day (Tag der Invasion). Sie fordern, dass der Australia Day auf einen anderen Tag gelegt oder abgeschafft und durch einen neuen Nationalfeiertag, der alle Australier, indigene wie nicht-indigene, einschließt, ersetzt wird. Ihre Forderungen stoßen auf heftige Gegenwehr –  hauptsächlich von Seiten der europäisch-stämmigen Bevölkerung, die sich mit Wut, Feindseligkeit und Aggression äußert. Diskussionen über dieses Thema im Internet sind immer wieder von unzähligen rassistischen Kommentaren begleitet, die äußerst schmerzvoll für Aboriginal People sind.

Eine Stadt zeigt Mut

Aber es tut sich was. Ende 2016 kündigte die Stadt Fremantle in West-Australien an, den Australia Day erst zwei Tage später, am 28. Januar, zu feiern. Die Entscheidung löste im ganzen Land Empörung aus, die Bundesregierung reagierte heftig. Der Australia Day hat einen hohen Symbolwert für die Einbürgerung von Nicht-Australiern, die bevorzugt an diesem Tag vorgenommen wird und nur von bestimmten Personen vollzogen werden darf. Die Bundesregierung drohte nun der Stadt Fremantle mit einem Entzug der dafür nötigen Erlaubnis in der Hoffnung, dass sie im Streit um das Datum einlenken würde. Fremantle zeigt sich indessen wenig beeindruckt, denn Einbürgerungen können auch an jedem anderen Tag im Jahr stattfinden. Es bleibt bei den Feierlichkeiten am 28. Januar, wo ein gratis Konzert mit verschiedenen Musikern unter dem Namen „One Day in Fremantle“ veranstaltet wird.


Viele weitere Artikel zur aktuellen Lage der Aboriginal People in Australien gibt es in unserer Zeitschrift „bedrohte Völker – pogrom“: JETZT WEITERLESEN


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[Zur Autorin]

MARION CARIS arbeitet als freiberufliche Übersetzerin in Berlin. Sie hat Verwandte in Australien und schon früh wurde ihr Interesse für den fünften Kontinent geweckt. Sie hat das Land mehrfach bereist und setzt sich mit der Position der Aboriginal People, mit denen sie gut vernetzt ist, auseinander.

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