Diskriminierung zur Primetime: Aboriginals im australischen Fernsehen

Proteste gegen die australische Politik, die entlegene Gemeinden von Aboriginal Australians schließen lässt, heiligen Stätten der indigenen Bevölkerung ihren Status aberkennt, um dort Bergbauindustrie aufzubauen und die Landrechte der Aboriginals nicht anerkennt, werden immer lauter. Am 1. Mai 2015 war ein weltweiter Protesttag, der nächste ist für den 1. Juni 2015 geplant. Doch abseits der Politik wird ein Bild von Aboriginals in der Popkultur geprägt, das eine ganze Gruppe stigmatisiert und diskriminiert.

von Yvonne Bangert; Foto: Flickr/Francisco Martins

Sippenhaft auf  Australisch, das war mein erster Gedanke, als ich heute per Email den Offenen Brief von Iva Hayward-Jackson zugeschickt bekam, der bei den Nyungah-Aboriginals aus West Australien zuständig ist für den Schutz von Land und Kultur. West Australien macht zur Zeit auch in Europa traurige Schlagzeilen durch die Politik, abgelegene Aboriginal-Siedlungen  angeblich aus  Kostengründen von der staatlich finanzierten Versorgung mit Infrastruktur wie Strom oder Wasser abzukoppeln und zu schließen. Für die betroffenen Ureinwohnergemeinden ist das gleichbedeutend mit Vertreibung und Umsiedlung in größere Ortschaften. Danach ist es meist nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ihre Kultur und Identität verlieren. Der Weg aus einem selbstbestimmten Leben in Abgeschiedenheit, im Einklang mit der Natur und ihren Traditionen zum Slumbewohner ist für sie schon vorprogrammiert.

Dass Aboriginals in den Slums der Städte insbesondere dann, wenn sie nicht freiwillig dorthin gezogen sind, auch Merkmale demoralisierter Gemeinschaften zeigen wie z.B. Alkoholmissbrauch oder hohe Häftlingszahlen, ist nicht verwunderlich. Gezielte und mit ihnen gemeinsam entwickelte Programme zur Bekämpfung dieser Probleme fehlen. Stattdessen werden Aboriginals stigmatisiert und diskriminiert. Die aktuelle Politik, ganze Ortschaften in West Australien zu schließen, wird die Zahl entwurzelter  Slumbewohner noch vergrößern und die damit einhergehenden Probleme verschärfen.

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Warum, fragt Hayward-Jackson, zeigt ABC immer wieder dieselben Aufnahmen einer bereits geschlossenen und zerstörten Aboriginal-Siedlung in den Kimberleys und stigmatisiert damit sämtliche durch die Regierung von der Schließung bedrohten  Aboriginal-Siedlungen  im ganzen Land? Warum  zeigt der Sender immer nur die Bilder betrunkener Aboriginals aus Broome, einer Ortschaft in den Kimberleys, als wären sämtliche Aboriginals Alkoholiker?

Hayward-Jackson bemängelt, dass die ABC sich auf ausgewählte negative Beispiele einzelner Aboriginal People beschränkt, um ein ganzes Volk darzustellen. Die Rolle der Nicht-Aboriginals wird dabei komplett ignoriert. Warum zum Beispiel fragt niemand danach, wer den Alkohol in die Gemeinden bringt und wer daran verdient? Warum beschränkte sich die ABC in ihrer Sendung Four Corners am 11. Mai darauf, die Gemeindeschließungen zu rechtfertigen anstatt auch die andere Seite darzustellen? Warum untersucht ABC nicht die Frage, welche Maßnahmen ergriffen werden, um den entwurzelten Aboriginals, die heute in Broome leben, zu helfen, anstatt immer mehr Aboriginals in diese desolate Situation zu zwingen? Warum  fragt ABC nicht, was der Minister für die Belange der Aboriginals tut, um die von Vertreibung bedrohten Aboriginals zu unterstützen? Wahrscheinlich, weil ABC die Antworten nicht hören will. Denn gefallen werden sie dem Sender bestimmt nicht.

[Zur Autorin]

YVONNE BANGERT ist seit mehr als 30 Jahren für die GfbV in Göttingen tätig, zunächst als Redakteurin der Zeitschrift “pogrom“ und der Internetseiten, seit 2005 als Referentin für indigene Völker.

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