Aboriginal Australians zu töten ist kein Spiel

Es gibt Momente, in denen man sich fragt, wie Menschen nur auf bestimmte Ideen kommen konnten. Zum Beispiel, wenn Programmierer ein Spiel entwickeln, in dem man Aboriginal Australians töten kann. GfbV-Referentin für indigene Völker, Yvonne Bangert, rückt die Vorstellungen der Programmierer zurecht.

von Yvonne Bangert; Foto: GfbV-Archiv

Es gibt Themen, auf deren Grundlage man Computer-Spiele entwickeln kann. Rassismus und Völkermord gehören sicherlich nicht dazu. Und doch gibt es Menschen, die das für akzeptabel halten. Nur gut, dass sich im Internet mittlerweile mehr Widerstand gegen Rassismus formiert.

Mitte Januar setzte eine betroffene und zornige Angehörige der Aboriginal People  einen Protest gegen ein Spiel für Smartphones in Gang, bei dem die Teilnehmer aufgefordert wurden, Aboriginal Australians zu jagen und durchaus auch zu töten. Damit appellierten die Spielemacher an die niedersten Instinkte der Mitspieler, vermeintlich weniger wichtiges Leben zu vernichten – mit dem beruhigenden Gefühl, durch ein bloßes Spiel legitimiert zu sein. Angeboten wurde das Spiel in verschiedenen App-Stores.

„Schamlos bewirbt das Spiel den Umstand“, schreibt Georgia Mantle in ihrer Petition, „dass man ‚gegen Aboriginals wird kämpfen müssen‘ und wenn Indigene auf dem Bildschirm auftauchen heißt es ‚Achtung! Aborigines!‘ Die indigenen Australier werden als gewalttätig und aggressiv beschrieben, während zugleich mit Floskeln wie „Triff echte Aborigines“ der Eindruck erweckt wird, als würden wir damit korrekt beschrieben. Indigene Australier sehen sich täglichem Rassismus und Diskriminierung ausgesetzt. Indigene Australier werden mehr als nötig polizeilich überwacht  und sterben nach wie vor aufgrund staatlicher Maßnahmen. Diese App verfestigt die Annahme, dass wir indigene Australier keine Menschen sind. Sie setzt uns mit der Flora und Fauna Australiens auf eine Ebene. Durch das Schießen auf ‚gefährliche Aboriginals‘ erklärt uns diese App zu Nicht-Menschen, sie bestärkt rassistische Gewalt, Straflosigkeit für Weiße, wenn sie ein schwarzes Leben beenden, macht sich über Massaker lustig und erklärt sie zum Sport. Diese App markiert eine neue Frontlinie des Kolonialismus und schlachtet den Tod vieler Aboriginal People aus, ohne Rücksicht auf die damit verursachten Traumata. Aus dem historischen Genozid Profit zu schlagen und diesen Genozid als Unterhaltung zu verkaufen, ist der Gipfel der  Missachtung gegenüber dem fortgesetzten Leid unseres Volkes.“

In Australien gibt es viele Stereotypen und Vorurteile gegenüber Aboriginal Australians. Doch die Gemeinschaft hält dagegen. So wie in diesem YouTube-Video von Buzzfeed Australia, das mit Vorurteilen aufräumt.

Aboriginal People leben schon seit mindestens 40.000 Jahren in Australien, Europäer erst seit dem 18. Jahrhundert. Mit ca. 450.000 Menschen stellen die indigenen Australier heute noch zwei Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Briten erklärten den Kontinent als unbewohnt (terra nullius) und bestritten die Existenz der Indigenen, als sie ab 1788 mit der Kolonisierung Australiens begannen. Später machte man Jagd auf sie und vertrieb sie aus einem Großteil ihres Landes. Anders als zum Beispiel in Kanada oder Neuseeland schlossen die Briten mit den Ureinwohnern keine Verträge. Bis heute sind sie daher ohne eigene Rechte. Ab etwa 1850 erklärten die weißen Australier die Aboriginal Australians zu einer aussterbenden Rasse. Lediglich den Mischlingen traute man zu, sich als Dienstboten oder Handlanger in die weiße Gesellschaft zu integrieren, denn sie hatten ja schon weißes Blut in sich.  Zwischen 1920 und 1972 wurden systematisch zahllose Aboriginal-Familien auseinandergerissen und die Kinder, je heller in der Hautfarbe desto öfter, in oft kirchliche Heime oder Familien am anderen Ende des Kontinents gesteckt; die Entfernungen waren so groß, dass die Familien sich nur sehr selten wieder zusammenfinden konnten. Kindesentzug mit dem Ziel, einer definierten ethnischen Gruppe die kulturelle Basis zu entziehen, ist Genozid. In Australien heißen diese Kinder die „Stolen Generation“. Und dann kommen ein paar bestenfalls dumme oder gedankenlose Programmierer daher und wollen mit eben diesem Trauma der Kolonialgeschichte der Aboriginal Australians Geschäfte machen.

Bei change.org konnte man gegen Apple, Google und Amazon protestieren, die das Spiel ‘Survival Island 3- Australia Story 3D’ im Vertrieb hatten. Mit Erfolg. Wenige Tage nach dem Start der Kampagne hatten sich mehrere Zehntausend Menschen beteiligt und das Spiel wurde aus dem Verkauf genommen. Der Erfolg der Petition zeigt, wie wichtig und zielführend es sein kann, sich an Online-Petitionen zu beteiligen. Denn viele kleine Mausklicks können am Ende eben doch was bewirken. Das haben Amazon und Co. auch einsehen müssen: Aboriginal Australians zu töten ist kein Spiel. Auch nicht am Computer oder auf dem Handy oder wo immer sonst die User bisher diese App benutzen konnten.

Mehr zu Aboriginal Australians:

Brief von den First People des Schwanentals in Westaustralien

Diskriminierung zur Primetime: Aboriginals im australischen Fernsehen

FAQ zum Hintergrund der Aboriginal Anerkennung

[Zur Autorin]

YVONNE BANGERT ist seit mehr als 30 Jahren für die GfbV in Göttingen tätig, zunächst als Redakteurin der Zeitschrift “pogrom“ und der Internetseiten, seit 2005 als Referentin für indigene Völker.

Ein Gedanke zu “Aboriginal Australians zu töten ist kein Spiel

Kommentar verfassenAntwort abbrechen