Die präkoloniale Geschichte des afrikanischen Kontinents wird in den Medien leider oft übergangen. Im Black History Month möchten wir deshalb in unserem Blog einige interessante Episoden afrikanischer Geschichte vorstellen. Eine davon ist die Herrschaft Mansa Musas in Mali, bekannt als einer der reichsten Menschen der Geschichte.
Von Kári Weiner; Foto: Mansa Musa in einem katalanischen Atlas des 14. Jahrhunderts. Quelle: Wikipedia
In einem katalanischen Atlas des Mittelalters erscheint er am südlichsten Rand der in Europa bekannten Welt: Mansa Musa, König von Mali. Sein Reich erstrecke sich damals nicht nur auf dem Gebiet des heutigen Malis in Westafrika, sondern auch über Mauretanien bis hin zur Atlantikküste im heutigen Senegal und Gambia.
Die unbekannten Kartograph*innen zeigen den einzigen Schwarzen König auf ihrer Karte mit Krone und Zepter, entsprechend mittelalterlicher Symbolsprache – aber auch mit einer prächtigen goldenen Kugel, die der Herrscher stolz vor sich hält. Sie symbolisiert das, wofür Mansa Musa bis heute in Erinnerung blieb: Die Goldreserven des Mali-Reiches, die den Menschen in Europa und Arabien damals schier unendlich erschienen.
Der reichste Mensch der Welt auf Reisen
Dieser Eindruck entstand vor allem nach der berüchtigten Pilgerfahrt des muslimischen Königs nach Mekka im Jahre 1324. Auf seiner mehrjährigen Reise verbrachte er längere Zeit in Kairo, damals Hauptstadt des ägyptischen Mamelukenreichs. Quellen aus der Stadt berichten voll Faszination und Ehrfurcht von Mansa Musa:
„Es war ein junger, dunkelhäutiger Mann, angenehm von Gesicht und wohlgestaltet. Er zeigte sich inmitten seiner Soldaten, prunkvoll gekleidet und zu Pferd; sein Gefolge bestand aus mehr als zehntausend seiner Untertanen. [Er brachte] ob ihrer Schönheit und ihrer Pracht bemerkenswerte Präsente und Geschenke. Es wird berichtet, die Ausdehnung seines Reiches sei drei Jahre zu Fuß und er habe unter seiner Hand vierzehn Untergebene, Könige wie Gouverneure.“
Auch von einer ganzen Schar an Kamelen, die mehrere Tonnen Gold transportierten, berichten die ägyptischen Quellen – Gold, das nicht bloß zur Schau getragen wurde, sondern vor allem, um damit Handel zu betreiben. In der Metropole am Nil, in der schon damals mehrere hunderttausend Menschen lebten, gaben der König und sein Gefolge derartige Mengen davon aus, dass der Kurs des ägyptischen Golddinars zusammenbrach und sich jahrelang nicht erholte. Eine beträchtliche Menge an Gold wurde auch ganz einfach an den Sultan von Kairo verschenkt, wie ein Mameluk an dessen Hof berichtet:
„Leben in Großzügigkeit, ein Mann von Klasse, ein religiöser Geist. […] Als ich ging, ihn im Namen des Sultans al-Malik al-Nâsir zu treffen, empfing er mich auf vollendetste Art und behandelte mich mit der erlesensten Höflichkeit. […] Dann überreichte er für den Schatz des Sultans zahlreiche Ladungen rohen Goldes.“
Die Spendierlaune des Herrschers war letztendlich so groß, dass er auf dem Rückweg erneut in Kairo haltmachte, um bei dortigen Händler*innen ein Darlehen aufzunehmen – zu äußerst großzügigen Bedingungen versteht sich.
Nach langer Reise kehrte Mansa Musa mit seinem Gefolge zurück nach Mali. Die Geschichten über seinen unermesslichen Reichtum verbreiteten sich in den folgenden Jahren entlang der Handelsrouten des Mittelmeeres, über die sie schließlich wohl auch die katalanischen Kartograph*innen erreichten. So stellten sie den berüchtigten König von Mali noch Jahrzehnte nach seinem Tod in ihrem Atlas dar. Doch nicht nur Mansa Musa und sein Gold sorgten bei den Reisenden zwischen Europa und Afrika für Gesprächsstoff.
Timbuktus goldenes Zeitalter
Ganz klein und unscheinbar erscheint auf der Karte die Stadt Tonbuch (Timbuktu), links neben Mansa Musas Thron. Bei genauerem Hinsehen fällt jedoch auf, dass sie im gesamten Atlas einzigartig ist. Europäische, von christlichen Monarchien beherrschte Städte wurden mit einem Spitzturm mit Kreuz auf dem Dach dargestellt, Städte in muslimisch oder anderweitig geprägten Weltgegenden mit Rundtürmen und Kuppeldächern (mit Ausnahme Äthiopiens, das schon seit dem 3. Jahrhundert vorwiegend christlich war). Timbuktu aber erscheint als rechteckiges Gebäude mit halbflachem Dach, das keinerlei Ähnlichkeit zu irgendeiner anderen Stadt im gesamten Atlas zeigt. Offenbar hatten die Kartenzeichner*innen auch von der einzigartigen Architektur in der Residenzstadt Mansa Musas gehört, sei es von Reisenden in den Häfen des Mittelmeers oder aus arabischen Geschichtsbüchern und Reiseberichten.
Die Lehmbauten, die in Timbuktu noch heute das Stadtbild prägen, gehen tatsächlich ebenfalls auf die Zeit Mansa Musas zurück. Nach dessen Rückkehr aus Mekka wurde Timbuktu zum kulturellen Mittelpunkt Westafrikas. In dieser goldenen Ära der Stadt strömten Gelehrte und Schriften aus der ganzen islamischen Welt zur Madrasa in Timbuktu – Madaris waren muslimische Universitäten, an denen die Koranlehre mit der von Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaften verknüpft wurde. So sammelten sich in den Bibliotheken der Stadt nicht nur arabische Manuskripte, sondern auch in örtlichen afrikanischen Sprachen, wie zum Beispiel Songhai, verfasste Texte.
An der Sankoré-Madrasa in Timbuktu wurde unter Mansa Musa auch die Djinger-ber-Moschee errichtet – vom andalusischen Baumeister Abû Ishâq al-Sâhilî, dem der König auf seiner Pilgerreise begegnet war. Seit 1988 zählen sie und viele andere der historischen Gebäude Timbuktus zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Timbuktu heute: Gewalt im Weltkulturerbe
Heute ist diese weltweit einzigartige Architektur durch die anhaltenden Konflikte in Mali hochgefährdet: Nachdem 2012 Ansar Dine unter anderem das Mausoleum Sidi Mahmud Ben Amar in Timbuktu zerstörte und zahlreiche Manuskripte der Madrasa verbrannte, fügte die UNESCO die Altstadt Timbuktus der Liste des gefährdeten Welterbes hinzu.
Doch ein Großteil der wertvollen Manuskripte Timbuktus konnte gerettet werden – dank der Intervention von lokalen Bibliothekar*innen und Restaurator*innen. Durch ihren Einsatz konnten kistenweise Bücher in Privathaushalten versteckt werden – wie schon einmal zuvor vor den Augen der europäischen Kolonialmächte. Einwohner*innen Timbuktus waren es auch, die die Manuskripte dann in die malische Hauptstadt Bamako schmuggelten, wo sie seitdem restauriert, katalogisiert und untersucht werden.
So widerlegen heute die Forschenden in Mali mit jeder geretteten Seite Vorurteile, die sich seit der Kolonialzeit viel zu lange erhalten haben: Solche von einem „wilden“ Afrika, das durch Kolonialismus zivilisiert werden müsste.
Wer mehr über Mansa Musa, Mali und die Geschichte Afrikas vor der Ära des Kolonialismus erfahren möchte, kann mehr zum Thema in: „Das goldene Rhinozeros – Afrika im Mittelalter“ von François-Xavier Fauvelle (Kapitel 28&29 über Mali) nachlesen. Über die Befreiungsaktion der Manuskripte Timbuktus im Jahr 2012 wurde ebenfalls ein Buch geschrieben: „The Bad-Ass Librarians of Timbuktu“ von Joshua Hammer.
Auch wenn ich dem Gendern wirklich viel abgewinnen kann, frage ich mich, ob es im Katalonien des 14. Jahrhunderts wirklich Kartographinnen gegeben haben kann 🤔. Trotzdem – wieder was gelernt – Danke!