Rezension | Waris Dirie – Wüstenblume

Am Internationalen Tag (6.2.) gegen weibliche Genitalverstümmelung möchten wir mit der Schilderung einer Betroffenen für dieses Thema sensibilisieren. Der Bestseller von Waris Dirie schildert eindrücklich ihre Erfahrungen. Myriam hat das Buch für uns rezensiert.

Von Myriam Givens, Mitarbeiterin digitale Kommunikation; Foto: Buchtitel

„Ich habe nie eine Erklärung dafür gefunden, warum mein Leben so viele scheinbar zufällige Wendungen nahm. Aber eigentlich glaube ich nicht an den Zufall; Allah hat mich in der Wüste vor einem Löwen gerettet, nachdem ich von daheim fortgelaufen war, und seit diesem Erlebnis wußte ich, daß er etwas mit mir vorhatte, daß es einen Grund gab, warum ich weiterleben durfte. Aber welchen?“


Waris Dirie

Menschenrechtsaktivistin und Model Waris Dirie nimmt ihre Leser*innen in dem Roman „Wüstenblume“ (Knaur. Verlag, 2007) auf ihrem langen Weg vom nomadischen Mädchen zum weltberühmten Model bis hin zur Gründerin der Organisation Desert Flower Foundation mit.

Waris wurde als Tochter einer muslimischen Nomadenfamilie geboren. In der Wüste Somalias führte sie tagtäglich einen Kampf ums bloße Überleben; Wasser als knappes Gut musste mühsam gesucht werden, oft blieb der Regen wochenlang aus, kam er dann doch wurde das Ereignis mit einem großen Fest gefeiert.

Doch zu den Strapazen, welche das Leben als Nomadin ganz automatisch mit sich bringt, kommt für Waris eine traumatische Erfahrung dazu: Im Alter von fünf Jahren wird sie beschnitten. Wie Millionen von anderen Mädchen weltweit muss sie sich im Kindesalter dem traditionellen Ritual der weiblichen Genitalverstümmelung unterziehen. Als ihr Vater sie zu einem späteren Zeitpunkt mit einem Mann verheiraten möchte, der ihr Großvater sein könnte, beschließt sie fortzulaufen. Über viele schwierige Umwege landet sie schließlich in London und entdeckt, was das Leben außer der Wüste noch für sie bereithalten könnte.

Auf knapp 350 Seiten vertraut Waris den Leser*innen ihre Probleme, welche teilweise durch sprachliche Hindernisse, Schwierigkeiten mit Pässen oder übergriffige Männer entstehen, an. Aber vor allem lässt sie tief in ihre Gefühlswelt blicken. Eindrucksvoll berichtet sie von ihren Ängsten, ihrer Wut und ihrer langjährigen Scham, welche mit ihrer Genitalverstümmelung im Zusammenhang stehen. In London beginnt die Autorin zu verstehen, dass sich nicht alle Mädchen diesem grausamen und lebensgefährlichen Ritual unterziehen mussten. Die Langzeitfolgen der Verstümmelung werden für Waris immer unerträglicher, das Urinieren schmerzt und während ihrer Menstruation ist sie qualvollen Schmerzen ausgesetzt. Schließlich vertraut sie sich einer Freundin an und beschließt zusammen mit ihr, einen Arzt aufzusuchen. Dieser konnte ihr zwar teilweise den körperlichen Schmerz nehmen, doch gesundheitliche Beschwerden bleiben bestehen, auch die sexuelle Libido bleibt für immer verloren.

So grausam und schmerzvoll Waris Geschichte auch ist, ist sie ebenfalls voller Hoffnung und Mut. Ihre unglaubliche Stärke und Willenskraft können durch das bloße Lesen des Buches gespürt werden. Ihr Weg führt sie schließlich nach New York, ihr Durchbruch als Model folgt prompt.

Als sie 1997 erstmals ihr Schweigen bricht und in einem Interview mit der Journalistin Laura Ziv über ihre Genitalverstümmelung und die damit verbundenen Traumata spricht, löst sie ein weltweites Medienecho aus. Im selben Jahr wird sie UN-Sonderbotschafterin gegen weibliche Genitalverstümmelung.

Bis heute sind etwa 200 Millionen Frauen weltweit von Genitalverstümmelung betroffen, für diejenigen, die das Ritual überleben, resultieren daraus drastische gesundheitliche und psychische Folgen.

„Mein Ziel ist es, den Frauen in Afrika zu helfen. Ich möchte, dass sie stärker werden, nicht schwächer. Die Verstümmelung ihrer Genitalien schwächt sie körperlich und seelisch.“

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