Sudans Zivilgesellschaft setzt Zeichen für Demokratie

Afrika wird oft als Kontinent der Katastrophen und schlechten Nachrichten wahrgenommen. Doch es gibt sie auch, die positiven Nachrichten aus Afrika! So zum Beispiel aus dem Sudan, wo es eine lebendige Zivilgesellschaft mit friedlichen Protesten in den letzten fünf Monaten geschafft hat, einen seit 30 Jahren herrschenden Diktator zu stürzen und eine Militärjunta zu verhindern. Wer hätte dies gerade vom überwiegend muslimischen Sudan, dem drittgrößten Land Afrikas, erwartet?  

von Ulrich Delius, GfbV Direktor; Foto: GfbV-Archiv

Denn die Ausgangslage war schwierig: Nur sporadisch haben die Menschen im Sudan in den letzten 50 Jahren praktische Erfahrungen in Demokratie sammeln können, denn Diktator Omar Hassan al Bashir hat das Land seit 1989 mit eiserner Hand regiert. Gewerkschaften wurden zerschlagen, die Gesellschaft gleichgeschaltet und Nichtregierungsorganisationen brutal verfolgt. Mit der systematischen Islamisierung und Einführung der Scharia wurden massiv Frauenrechte eingeschränkt. Bashirs „Sittenpolizei“ ließ jedes Jahr etwa 40.000 Frauen auspeitschen, vor allem wegen der Verletzung strenger Bekleidungsvorschriften.

Es war eine Ironie der Geschichte, dass gerade Bashirs gezielte Entrechtung von Frauen seinen Sturz beflügelte. Denn es sind vor allem Frauen, die in den letzten fünf Monaten den öffentlichen Protest gegen den Diktator getragen haben. Gemeinsam mit Berufsverbänden mobilisierten sie nicht nur in der Hauptstadt, sondern im ganzen Land Hunderttausende für eine Demokratisierung des Sudan. Lange wurde ihre Bewegung im Ausland verkannt oder ignoriert. Oder sie wurden als Träumerinnen abgetan, die dem Sudan angeblich keine glaubwürdige Perspektive bieten könnten. So wurde ihr Protest von Europas Regierungen lange kleingeredet. Bei Bashir wisse man zumindest, woran man sei. Er stehe für Kontinuität, während das Land in Anarchie abzugleiten drohe, wenn die Demonstrierenden an die Macht kämen, hieß es aus vielen europäischen Hauptstädten.

Doch auch Europas falsch verstandene Treue zu Bashir konnte den Diktator nicht vor seinem Sturz bewahren. Jahrelang hatte er Kriege und Völkermorde angezettelt, um sich gewaltsam an der Macht zu halten. Hunderttausende Not leidende Menschen ließ er aushungern und Vergewaltigung als Kriegswaffe einsetzen. Millionen Menschen fielen diesen Verbrechen zum Opfer. Es ist den furchtlosen Frauen im Sudan zu verdanken, dass diese Terrorherrschaft endlich endete. Doch nach Bashirs Sturz am 11. April 2019 hat sich Sudans Zivilgesellschaft nicht von den Straßen zurückgezogen. Denn sie wollte eine zivile Regierung, mehr Demokratie und keine Militärjunta. So zwang die Protestbewegung auch einen umstrittenen Militärherrscher und mehrere islamistische Generäle zum Rückzug. Nun einigte sie sich mit den Militärs auf eine dreijährige Übergangsperiode und demokratische Wahlen, bis der Sudan wieder von einer nur mit Zivilisten und Zivilistinnen besetzten Regierung geführt wird.      

Sudans Zivilgesellschaft schaut auf eine großartige Erfolgsgeschichte zurück: In fünf Monaten hat sie es mit enormer Disziplin geschafft, klare Botschaften an Sudans einflussreiche Militärs, Warlords und Politiker auszusenden und sich nicht ihre friedliche „Revolution“ nehmen zu lassen. Dies verdient großen Respekt und Anerkennung, denn die Ausgangsbedingungen hätten nicht schwieriger sein können. Die Europäische Union kann sich nicht rühmen, diese ermutigende Bewegung gestärkt zu haben, als sie es am meisten brauchte. Der Sudan und seine Zivilgesellschaft stehen trotz der Einigung vor gewaltigen Herausforderungen. Denn mit General Hemeti strebt der Kommandeur der für Völkermordverbrechen in Darfur berüchtigten RSF-Milizen nach mehr Macht.  Erst am Montagabend eröffneten RSF-Milizionäre das Feuer auf friedliche Demonstrierende. Konflikte sind daher in der neuen Staatsführung vorprogrammiert. Dies schmälert aber nicht den historisch bedeutsamen Erfolg der Zivilgesellschaft im Sudan.

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