Der Regenwald steht in Flammen – dies ist ein jährlich wiederkehrendes natürliches Ereignis, doch dieses Jahr ist ein ganz besonderes mediales Interesse auf den brennenden Regenwald gerichtet, denn trotz zunehmender Klimaschutzmaßnahmen weltweit brennt dieses Jahr viel mehr Wald als in den Jahren zuvor. Was hat das für Folgen, wie kommt es überhaupt dazu und wer steht in der Verantwortung?
Von Jonas Stünkel; Foto: GfbV-Archiv
Der Regenwald im Amazonasgebiet ist ein gigantischer Kohlenstoffspeicher: Nach Berechnungen des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) speichert der brasilianische Regenwald zwischen 290 und 440 Milliarden Tonnen CO2 in Biomasse und in Böden. Durch den Brand werden riesige Mengen an Kohlendioxid und weitere Treibhausgase in die Atmosphäre entlassen, was zu einer Beschleunigung des Klimawandels führt. Der Brand gefährdet auch die Qualität der Amazonas-Flüsse, die für etwa 18% der Süßwasserzufuhr der Ozeane verantwortlich sind. Dadurch droht der Wasserhaushalt zu kippen. Eine weitere Gefahr der Brände ist die Störung des Wasserkreislaufs. Dadurch gibt es weniger Niederschläge und trockenere Böden, was wiederum die Brände verstärkt. Durch die stärkeren Brände sind nicht nur die kleinen, sondern auch die großen Bäume betroffen. Das wiederum führt dazu, dass das schützende Blätterdach fehlt. Ohne das Blätterdach der großen Bäume finden viele Tiere und Insekten keinen Schutz mehr, sodass die Biodiversität stark bedroht wird. Außerdem kommt es ohne das Blätterdach zu weniger Niederschlägen was den Teufelskreis verstärkt. Laut des PIK sind bereits jetzt 20% des Regenwaldes abgeholzt. Das führte zu einer Erwärmung von 0,8-0,9°C in der Region und zu einer Verlängerung der Trockenzeiten.
All diese Auswirkungen betreffen nicht nur die Biodiversität, sondern ganz besonders auch die Indigenen in dem Amazonas Gebiet! Die Indigenen selbst tragen am wenigsten zu dem Klimawandel und den Bränden bei, sind jedoch am Stärksten davon betroffen. Ihr Lebensraum sowie ihre Existenz werden durch Abholzung und Brandrodung, Bergbau, den Bau von Staudämmen und durch bewaffnete Großgrundbesitzer extrem bedroht.
In der Verfassung von 1988 äußerte Brasilien das ambitionierte Ziel 1200 Gebiete zum Schutz Indigener zu demarkieren, dies beschreibt den formalen Prozess zur Identifizierung der tatsächlichen Standorte und Grenzen indigener Länder oder Gebiete und zur physischen Kennzeichnung dieser Grenzen am Boden. Bei 486 ist dies auch gelungen, jedoch hat bei 530 das Verfahren noch nicht einmal begonnen. Deutschland förderte die Demarkierung mit einer zweistelligen Millionen Summe, was dazu führte, dass 178 Gebiete offiziell anerkannt werden konnten. Präsident Bolsonaro sieht eine Behinderung der industriellen Landwirtschaft in der Demarkierung und übertrug in einer seiner ersten Amtshandlungen die Zuständigkeit von der Fundação Nacional do Índio (Funai, sinngemäß: Nationale Behörde für Indigene) auf das Landwirtschaftsministerium. Dies hat zur Folge, dass die Agrar-Lobby quasi ungehinderten Zugang zu dem Regenwald hat. Brandrodungen nahmen seit dem stark zu und werden kaum bis gar nicht strafrechtlich verfolgt. Großgrundbesitzer werden durch Lockerungen der Waffengesetze und eine provozierende Rhetorik des Präsidenten dazu „ermutigt“, sich mit Waffengewalt gegenüber den Indigenen zu behaupten.
Stellt Bolsonaro und seine Regierung eine Gefahr für wissenschaftliche Institutionen dar?
Doch FUNAI ist nur eins von vielen Beispielen in dem von der brasilianischen Regierung versucht wird die Handlungsreichweite von Institutionen einzugrenzen. Das Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais (INPE, deutsch: Nationales Institut für Weltraumforschung) überwacht seit den 1970er Jahren mit Hilfe von Satellitenbildern den Zustand der brasilianischen Wälder. Seit 2004 nutzt das INPE das so genannte „Real-Time Deforestation Detection System“ (DETER, Echtzeit-Erfassungssystem für Entwaldung), um den Regenwald vor Brandrodung und Abholzung zu schützen. DETER erzeugt einen Alarm sobald eine Fläche von mehr als drei Hektar entnommen wurde und stellt die ermittelten Daten der Strafverfolgungsbehörde zur Verfügung.
In das Interesse der internationalen Medien geriet das INPE im Juli nach der Veröffentlichung der jüngsten Zahlen durch den Direktor des INPE Ricardo Galvão. Laut der Daten wurden im Juni 88 Prozent und im Juli 212 Prozent mehr Hölzer gefällt als noch in den entsprechenden Vorjahresmonaten. Dass diese Zahlen beunruhigend seien, fand wohl auch Jair Bolsonaro. Jedoch beunruhigten den rechtsextremen Präsidenten Brasiliens nicht etwa die weitreichenden Auswirkungen auf den, seiner Meinung nach nichtexistierenden, anthropologischen Klimawandel oder die Vertreibung der Indigenen aus Ihrem Land, sondern viel mehr die damit einhergehende Rufschädigung Brasiliens. Bolsonaro kritisierte Galvão und behauptete die Daten seien „Irreführend“ und er würde „Im Dienste von Umweltschutzorganisationen“ stehen. „Die Veröffentlichung der Daten beschädige das Bild Brasiliens und sein Image in der Welt. Es gebe Mitarbeiter bei INPE, die Brasilien bewusst schaden wollten. Diese würden entlassen“, so Präsident Bolsonaro.
Am 07. August gab die brasilianische Regierung bekannt das Ricardo Galvão von seinem Posten entlassen wurde.
Des Weiteren kündigte Bolsonaro Mitte September massive Kürzungen im Bildungssektor an: Er plant die Ausgaben für wissenschaftliche Forschung um 50 Prozent zu kürzen. Dadurch werden 5800 Bildungsstipendien für Promovierende und wissenschaftlich Mitarbeitende auf Eis gelegt.
Bolsonaro der staatlichen Hochschulen für „Brutstätten des Marxismus“ hält, plant diese zu „säubern“ und öffentliche Schulen zu militarisieren. Anfang September hat das Bildungsministerium den Plan der „zivil militärischen Schule“ vorgestellt, hierbei sollen Pensionierte Militärangehörige als Tutoren in die Verwaltung und ethische Erziehung eingreifen. “Man muss in die Köpfe der Kinder die zivil-militärischen Werte einpflanzen, die wir vor kurzem noch während der Militärregierung hatten. Es geht um moralische Bildung, bürgerliche Werte und den Respekt vor der Fahne”, erklärte Bolsonaro im Zusammenhang mit der neuen Schulreform.
Was sind Bolsonaros Absichten?
Jair Bolsonaro, der eng mit der Agrar-Industrie zusammenarbeitet, setzt alles daran möglichst viel Profit aus dem Regenwald herauszuschlagen; ganz gleich, ob durch Abholzung, den Bau von Staudämmen, oder dem Abbau von Rohstoffen. Dabei nimmt er keinerlei Rücksicht auf die katastrophalen Auswirkungen für die Umwelt und die Indigenen die das Amazonasgebiet bewohnen. Durch Diffamierung von Journalisten und Wissenschaftlern will Bolsonaro die Überbringer und nicht die Verursacher schlechter Nachrichten in ein schlechtes Licht rücken. Durch die Entlassung von Galvão und weiterer Maßnahmen gegen die INPE wird versucht die Echtzeitüberwachung zur Abholzung des Regenwaldes zu unterbinden umso ungehindert mit der Abholzung fortfahren zu können. Auch der brasilianische Umweltminister Ricardo Salles, der bekennender Weise der Agrarindustrie nähersteht, als dem Naturschutz, fährt den Kurs des Präsidenten und versucht der INPE die Verantwortung für die Überwachung durch Satellitenaufnahmen zu entziehen und stattdessen ein US-amerikanisches Unternehmen damit zu beauftragen. Experten kritisieren diese Entscheidung und halten die Aufnahmen des INPE für Ausreichend und äußerten die Sorge um die Unabhängigkeit des amerikanischen Unternehmens, da dieses von den Aufträgen des Umweltministeriums abhängig ist.
Was kann getan werden um Indigene und den Regenwald zu schützen?
Die Brände lassen sich kaum noch in den Griff bekommen. Die Wege zu den Bränden sind meist unzugänglich und die Distanzen zu den Wasserstellen gigantisch. Durch diese Faktoren ist eine klassische Waldbrandbekämpfung, wie wir sie hier in Deutschland kennen, nicht möglich. Doch auf lange Sicht kann nur der Regen die Feuer bekämpfen
Zwar steht die Regenzeit kurz bevor, was zu einer Abnahme der Brände führen wird, aber das Feuer im Amazonasgebiet kann dauerhaft nur effektiv bekämpft werden, wenn die Schwächung der schützenden Institutionen gestoppt wird. Es ist wichtig sich nach wie vor für die Demarkierung stark zu machen und die Rechte der Indigenen einzufordern umso die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage zu stoppen. In Zeiten, in denen Klimaschutz eine so zentrale Rolle spielt, ist es besonders wichtig die Indigenen Klimaschützer zu beschützen!
Deshalb müssen Angriffe auf die grundlegenden Rechte der Indigenen dokumentiert und veröffentlicht werden, um die Regierung Bolsonaros dazu zu bewegen, die Menschenrechte zu beachten und die Klimapolitik ernst zu nehmen. Nur durch den Druck der Politik und der Öffentlichkeit ist es möglich die Situation vor Ort wieder in den Griff zu bekommen.
Textquellen:
Daten INPE: https://www.tagesschau.de/ausland/brasilien-abholzung-weltraumagentur-101.html
Daten PIK & Regenwald: https://www.dw.com/de/ist-der-amazonas-wirklich-die-gr%C3%BCne-lunge-der-welt/a-50203722
Bildungskürzungen: https://amerika21.de/2019/09/231611/brasilien-bildung-kuerzung-universitaeten