Die Themen Handel und Rohstoffe werden im Mittelpunkt der zweitägigen Kanada-Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stehen, die am morgigen Mittwoch, 15. August 2012, beginnen wird. Merkel wird der Agentur dapd zufolge bei ihrem ersten bilateralen Besuch in Kanada mit Premierminister Stephen Harper insbesondere über das geplante Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) zwischen Kanada und der EU sprechen. Anvisiert ist ein Abschluss der Verhandlungen noch in diesem Jahr.
Deutschland wiederum ist an den Rohstoffen Kanadas interessiert. Auch die erneuerbaren Energien und der Klimawandel sollen Teil der Gespräche zwischen Merkel und Harper sein. Zwischen den beiden Regierungschefs herrsche ein “enges Vertrauensverhältnis”, hieß es.
Dieses gute Verhältnis sollte die Kanzlerin auch zu Gunsten der Menschenrechte der indigenen Völker Kanadas (Indigene, Inuit und Metis) nutzen und ihren Amtskollegen Harper auf deren oft verheerende Lebensbedingungen ansprechen. In diesem Sinne appellierte die in München ansässige Menschenrechtsorganisation „Aktionsgruppe Ind****er & Menschenrechte e.V. (AGIM)“ bereits am 10. August an das Bundeskanzleramt. Selbst Kinder und Jugendliche sähen oft keinen anderen Ausweg aus Perspektivlosigkeit und einer Lebenssituation, die ihnen nicht einmal Zugang zu sauberem Trinkwasser garantiert, als den Suizid. Bis heute litten viele Indigene unter dem generationsübergreifenden Trauma der Internatsschulen (Residential Schools), die etwa 150.000 Kinder und Jugendliche ethno- und genozidalen Strukturen ausgesetzt hätten. Etwa die Hälfte von ihnen hätte dieses System einer Untersuchung der Truth & Reconciliation Commission zufolge nicht überlebt. Erst 2008 habe Harper sich dafür entschuldigt. Besonders bestürzend sei die Situation der indigenen Frauen. Mindestens 600 Frauen, deren Fälle von der „Native Women’s Association of Canada“ dokumentiert wurden, seien in den vergangenen Jahrzehnten spurlos verschwunden oder ermordet worden. Die Vereinten Nationen (CERD oder CEDAW) haben Kanada bereits mehrfach scharf verurteilt und aufgefordert, den Schutz indigener Frauen sicherzustellen.
Kanadas Reichtum entspringt der Ausbeutung der Natur (Holz, Öl, Teersand, Uran, Wasserkraft) und somit AGIM zufolge von indigenem Land. Das soll auch die EU bei dem Wortlaut des geplanten Freihandelsabkommens berücksichtigen. In diesem Sinn hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) bereits anlässlich des Internationalen Tages der Erde am 22.April 2012 an den damaligen Umweltminister Röttgen appelliert, einer Verschärfung der Bedingungen für den Import von Öl in die EU zuzustimmen, um so ein deutliches Zeichen gegen das Teersanden zu setzen. Der Umweltausschuss hatte dies im Frühjahr abgelehnt. Die EU will durch Verschärfung ihrer Kraftstoffqualitätsrichtlinie 2009/30/EG erreichen, dass der Ausstoß von Emissionen bis 2020 um sechs Prozent gesenkt wird und dass Erdölimporteure angeben müssen, ob das Öl aus konventionellen oder unkonventionellen Quellen wie etwa den Teersanden stammt. Unkonventionelle Quellen verursachen einen drei bis fünf Mal höheren Emissionsausstoß als Ölförderung aus herkömmlichen Quellen. Die Verschärfung der Richtlinie zu Gunsten der Klimaschutzziele käme also einem faktischen Importverbot von Öl aus unkonventioneller Förderung wie z.B. aus Teersanden gleich. Deutschland könnte mit seiner Zustimmung einen wichtigen Beitrag dazu leisten.
Die Kanzlerin bricht am Mittwochnachmittag (15.8.) in die Hauptstadt Ottawa auf. Am Abend trifft Merkel mit Harper zu einem Abendessen unter vier Augen in der Sommerresidenz des Premiers zusammen. Am Donnerstag (16.8.) wird die Kanzlerin offiziell mit militärischen Ehren empfangen, nach einem erneuten Gespräch wird es eine Pressekonferenz der beiden Regierungschefs geben. Merkel wird danach von Ottawa weiter nach Halifax zu einem Besuch der Dalhousie Universität fliegen und sich über die dortige Meeres- und Polarforschung informieren. Die Kanzlerin wird von einer fünfköpfigen Wirtschaftsdelegation begleitet.