Die Bahá’í – Verfolgt von Anfang an

Die Verfolgungsgeschichte der Bahá’í reicht eben so weit zurück wie ihre Entstehung. Während die Bahá’í an die Einheit der Menschheit und der Religionen glauben und nach dem Weltfrieden streben, werden sie von Teilen der muslimischen Mehrheit im Iran seit jeher als Abtrünnige angesehen und verfolgt. Bereits im 19. und 20. Jhd. wurden sie immer wieder Opfer gezielter Angriffe und systematischer Diskriminierung.

Von Katharina Poschkamp; Foto: Baháʼí Gärten in Haifa, Israel. Friedenssymbol, Ort der Ruhe und UNESCO Weltkulturerbe.

Der steinige Weg einer neuen Religion- Die Entstehung des Bahá‘ítums im 19. Jahrhundert

Die Bahá’í-Religion ist eine noch relativ junge, monotheistische Religion, deren Ursprung im heutigen Iran liegt. Dort bilden die Bahá’í heute mit etwa 300.000 Anhängern*innen die größte religiöse Minderheit. Vor nicht einmal 160 Jahren hat der Religionsstifter Bahá’u’lláh („Herrlichkeit Gottes“). seine Lehren den Menschen überbracht.

Das Bahá‘ítum ist im 19. Jhd. aus dem Babismus entstanden. Dessen Religionsstifter, der Báb („Das Tor“), wurde 1850 in Täbris, als Bedrohung für den islamischen Klerus und die iranische Regierung angesehen, öffentlich hingerichtet. Er wurde nur 31 Jahre alt. Bereits zwei Jahre später wurde Bahá’u’lláh (1817–1892) als Anhänger des Báb in Teheran inhaftiert. Während viele Mithäftlinge Bahá’u’lláhs hingerichtet wurden, kam er selbst mit dem Leben davon und wurde ins Exil nach Bagdad und später bis nach Akko in Palästina verbannt. Von 1848-1853 sollen etwa 20.000 Anhänger*innen des Báb (Bábi) für ihren Glauben ermordet worden sein. Die Dichterin und Gelehrte Tahereh („Die Reine“) war eine von ihnen. Als erste Anhängerin des Báb legte sie in der Öffentlichkeit ihr Kopftuch ab und verdeutlichte dadurch den Anspruch des Babismus als vom Islam unabhängige Religion. 1852 bezahlte sie ihren Kampf für die Rechte der Frauen mit dem Leben, ermordet von der iranischen Regierung.

Der Báb hatte seiner Zeit mit vielen Hinweisen auf „den, den Gott offenbaren wird“ den Weg für das Bahá‘ítum bereitet. Ab 1863 erkannte die Mehrheit der Bábi in Bahá’u’lláh den Verheißenen und nannten sich fortan Bahá’í.

Gewaltfreiheit und Pogrome – die Bahá’í im 20. Jahrhundert

Die in ihrer Anzahl stetig wachsende Gemeinschaft der Bahá’í, die schon als Gemeinschaft der Bábi von der Regierung und der Geistlichkeit als „Häretiker“ und „Verführer“ angeprangert worden war, wurde zum bevorzugten Ziel politischer Hetze und gewalttätiger Übergriffe. Als Religionsgemeinschaft, die nach dem Prinzip der Gewaltfreiheit lebt, wurde sie als leichtes Ziel angesehen, von dem es keine Gegenwehr zu befürchten gab. Ihr relativer Wohlstand, der meist auf einer den Bahá’í wichtigen guten Erziehung und Ausbildung beruhte, schürte zudem Neid in der Gesellschaft und sollte sie noch stärker in den Fokus rücken. Ein – wie man leider betonen muss – nur grober Überblick über die an den Bahá’í vergangenen Verbrechen soll einen Eindruck von der Tyrannei vermitteln, der diese Gemeinschaft im Laufe des letzten Jahrhunderts ausgesetzt war:

Ab 1921: Unter dem Pahlewi-Regime wird eine pressewirksame „Säuberungskampagne“ ins Leben gerufen. Bahá’í-Beschäftigte werden systematisch aus dem Staatsdienst und dem Militär entlassen. Ihnen werden zudem soziale Rechte wie beispielsweise die Eheschließung entzogen. Bahá’í-Schriften werden verboten und ihre Schulen geschlossen.

1943: Morde an Anhänger*innen der Bahá’í-Religion und die unrechtmäßige Beschlagnahmung ihres Eigentums werden vom Staat stillschweigend hingenommen.

1953: Eine Anti-Bahá’í-Gesellschaft schiitischer Kleriker und Intellektueller wird ins Leben gerufen. Die „Hojjatieh“ genannte Gesellschaft, deren Hauptzweck die Bekämpfung der Bahá’í-Religion darstellte, existiert trotz Verbot (1983) bis heute. 

1955: Die Geistlichkeit initiiert eine groß angelegte Verfolgung der Bahá’í. Hetzreden werden über den nationalen Rundfunk verbreitet. Das Innenministerium und die Polizei sind an der Ausführung beteiligt: Der Innenminister erklärt im Parlament, dass die Bahá’í-Religion offiziell verboten worden sei. Es folgen Morde, Raub, Vergewaltigungen und Zerstörung. 

1963: Regierungsfeindliche Demonstrationen führen zum erneuten Aufflammen des Hasses und damit zu einer weiteren Angriffswelle auf die Bahá’í.

1972: Die Besitztümer der Bahá’í werden von der Regierung mit einer einzig dafür geschaffenen Steuer belegt.

1978: Am Abend vor dem Beginn der Islamischen Revolution organisiert der iranische Geheimdienst Unruhen. 300 Häuser der Bahá’í werden geplündert und in Brand gesteckt. 

1980/81: Den Bahá’í wird die Aufnahme in höhere Bildungseinrichtungen, in manchen Orten auch in Schulen, verwehrt, Student*innen und Lehrkräfte werden entlassen. Gewählte Mitglieder des Nationalen Geistigen Rates verschwinden spurlos, werden verschleppt oder hingerichtet. 

1991: Ein Dekret zum Umgang mit der religiösen Gruppe der Bahá’í wird erlassen: 

Golpaygani-Dekret von 1991

Das Golpaygani-Dekret legte als Ziel die Vermeidung jedweder positiven Entwicklung der Bahá’í-Gemeinschaft fest. Hierzu sollen Schüler*innen während ihrer Schulzeit möglichst islamisiert werden. Sollten sie sich trotzdem zu ihrer Religion bekennen, soll ihnen der Zugang zu höherer Bildung ausdrücklich verwehrt werden. Jeder wirtschaftliche Erfolg der über einem „bescheidenen Auskommen“ liegt, ist ihnen nicht erlaubt. Es ist ihnen zudem untersagt, im Bildungsbereich tätig zu sein. Gesellschaftspolitische Aktivitäten der Bahá’í, die von vornherein als Spionage eingestuft werden, sollen gesetzlich verfolgt werden. – Auf Spionage steht im Iran die Todesstrafe. – Jegliche religiöse Propaganda soll außerdem mit Gegenpropaganda beantwortet werden.

Das von dem damaligen Sekretär des Obersten Revolutionären Kulturrates Dr. Seyyed Mohammad Golpaygani ausgearbeitete Dekret wurde sowohl vom obersten religiösen Führer Ali Khamenei als auch dem damaligen Staatspräsidenten Ali Akbar Haschemi Rafsandschani gegengezeichnet.

Glaubenstreue und bleibende Werte

Ein steiniger Anfang, ein noch steinigerer Weg. Eineinhalb Jahrhunderte der Unterdrückung, Verfolgung und Diskriminierung gingen sicher nicht spurlos an dieser Gemeinschaft vorbei. Doch die Bahá’í halten an ihrem Glauben und den mit ihm verbundenen Lehren fest, deren Dreh- und Angelpunkte bis heute die Toleranz, die Einheit und die Gleichberechtigung sind und es wohl auch noch lange bleiben. Denn wie bereits Shoghi Effendi (Hüter der Bahai-Gemeinde 1921-1957) feststellte: „[…] diese heldenmütigen Seelen haben bereits ihre Glaubenstreue und den bleibenden Wert ihrer Überzeugung vollauf bewiesen.“ (Bahá’í-Onlinebibliothek: Shoghi Effendi. Die Weltordnung Bahá’u’lláhs. 2:3).


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