Der Fall Kabuga: Ein Erfolg für die Internationale Strafverfolgung

Nach über 20 Jahren auf der Flucht konnte einer der letzten mutmaßlichen Drahtzieher des Völkermords in Ruanda von internationalen Strafverfolgungsbehörden festgenommen werden. Im Mai 2020 wurde der ehemalige ruandische Unternehmer Félicien Kabuga in der Nähe von Paris gefasst. Der langersehnte Prozess gegen ihn wird mit Spannung erwartet. Neben Gerechtigkeit für die Opfer und Hinterbliebenen zeigt es auch den Willen der Internationalen Gemeinschaft, schlimmste Verbrechen nicht ungeahndet lassen zu wollen.

Von Dörte Beuermann; Foto: GfbV-Archiv

Der Völkermord in Ruanda bleibt eines der schlimmsten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit. Vom 6. April bis Mitte Juli 1994 ermordeten Angehörige der Hutu-Mehrheit in Ruanda mindestens 800.000 Tutsi, was 75% der ebenfalls in Ruanda lebenden Minderheit entsprach. Die Täter kamen sowohl aus den Reihen der ruandischen Armee, als auch von Hutu-Milizen und der Hutu-Zivilbevölkerung. Der Tee- und Kaffee- Tycoon Félicien Kabuga galt als einer der reichsten Personen des Landes. Als Präsident des National Defence Fund soll er unter anderem die Interahamwe-Miliz unterstützt und finanziert haben, welche für einen Großteil der Morde an Tutsi und gemäßigten Hutu verantwortlich war. Zudem soll er als Leiter des Senders Radio-Television Libre des Mille Collines (RTLM), per Radio und Fernsehen zu Morden an Tutsi aufgerufen haben. Bereits im Vorfeld der Verbrechen soll Kabuga maßgeblich für den Import einer Menge von schätzungsweise 500.000 Macheten zur Ausstattung von Hutu-Milizen verantwortlich sein.

Für seine angebliche Verwicklung in den Völkermord wurde Kabuga 1997 vom Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda angeklagt. Von Kabuga allerdings fehlte lange jede Spur; schon im Juni 1994 war er aus Ruanda geflohen. Sein genauer Aufenthaltsort blieb über die Jahre unklar, vermutlich lebte er lange Jahre in Kenia, bis er letztendlich Frankreich erreichte. Dort wurde er im Mai 2020 in der Nähe von Paris schließlich festgenommen. Die französischen Behörden übergaben ihn an die zuständige internationale Gerichtsbarkeit. Nun wird sich Kabuga vor dem International Residual Mechanism for Criminal Tribunals (IRMCT), der Nachfolgeorganisation der Strafgerichtshöfe für Ruanda und Jugoslawien, verantworten müssen.

Angeklagt ist Kabuga in insgesamt sieben Punkten, darunter Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ob die eigentlichen Verhandlungen im Hauptsitz des Tribunals, im, tansanischen Arusha stattfinden kann, steht noch nicht fest. Aus Angst vor einer möglichen COVID-19 Infektion wurde er im Oktober 2020 vorerst nach Den Haag überstellt, wo das Gericht über eine Zweitsitz verfügt. Bei seinem ersten Auftreten vor einem internationalen Strafrichter, Anfang November 2020, bestand Kabuga auf seiner Unschuld in allen Punkten.

Bis es tatsächlich zu einem Urteil kommt, wird es wahrscheinlich noch einige Jahre dauern. Zunächst möchte die Staatsanwaltschaft noch einmal die Anklage überarbeiten. Aufgrund der seit 1994 vergangenen Zeit müssen Details in den Anklagepunkten angepasst werden. Eine besondere Schwierigkeit liegt auch im Bereich der Beweislage. Frühere Zeugen müssen gefunden werden und ihre Aussagen teilweise neu aufgenommen werden. Weiterhin suchen die Ermittler auch noch immer nach neuen Beweisen. Gerade die Aufnahme von Zeugenaussagen ist unter Covid-19 Zuständen nur erschwert möglich. Eine vollständig aufgearbeitet Anklageschrift ist wohl erst bis Mitte Januar 2021 zu erwarten. Die Staatsanwaltschaft gibt weiter an, dass es bis zu sechs Monate dauern könne bis alle nötigen Beweise und Unterlagen eingereicht sind. Diese Genauigkeiten sind wichtig für den weiteren verlauf des Verfahrens, erst danach kann die eigentliche Gerichtsverhandlung beginnen. Es ist häufig der Fall, dass Verfahren erst ein Jahr nach dem Transfer des Angeklagten in das Gewahrsam des IRMCT beginnen. Dennoch unterstreichen die Richter den Willen, so schnell wie möglich zu einem Urteil zu kommen. Dies ist wichtig auch im Hinblick auf die Gesundheit des mittlerweile 87-jährigen Kabuga.

In Reaktion auf die Festnahme Kabugas bekräftigte der heutige Chefankläger des IRMCT, Serge Brammertz, noch einmal die Wichtigkeit, sich weiter für Gerechtigkeit für die Opfer und Hinterbliebenen einzusetzen. Er bedankte sich zudem bei der internationalen Gemeinschaft, die sich weiterhin für die Aufklärung von schwersten Verbrechen einsetze. Die Festnahme gelang nur durch eine weltweite Kooperation von zahlreichen Polizeibehörden. Der Prozess gegen Kabuga wirkt daher auch als ein Signal für das Ende von Straflosigkeit für die Täter.

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