Buchrezension | Saša Stanišić: Herkunft

Was ist Heimat? Gibt es so etwas wie Heimat überhaupt? Saša Stanišić spürt dieser Frage in seinem Roman Herkunft (Luchterhand Verlag, 2019) nach. Der Autor erzählt von seiner Kindheit in Viśegrad – zur Zeit seiner Kindheit Jugoslawien, heute Bosnien und Herzegowina. Nur was bedeutet das – aus einem Land zu stammen, das es heute nicht mehr gibt?

Von Jan Kuxmann; Foto: GfbV-Archiv

Stanišić erläutert anhand der eigenen Biographie, Erinnerungen und Fiktionen, wie seine Heimat aussah bevor der Bosnienkrieg ausbrach und die Familie zur Flucht zwang. Sie schlugen sich bis nach Deutschland, genauer nach Heidelberg, durch. Mutter und Vater, beide mit akademischen Abschlüssen, arbeiteten in schlecht bezahlten Minijobs, während der jugendliche Saśa die Internationale Gesamtschule in Heidelberg besuchte.

Stanišić erzählt beeindruckend den Weg der Vertreibung, des Ankommens, das Gefühl, nicht willkommen zu sein, in einem Land, in dem er die Sprache zunächst nicht versteht.

Jedoch berichtet er auch von Orten im Süden Deutschlands, wo er sich mit neuen Freunden traf- meist vor einer Tankstelle im Ort. Ein Platz, so Stanišić, an dem Alle gleich waren, wo es nicht von Bedeutung war, wo der einzelne nun herkomme.

Stanišić nimmt die Leser*innen mit auf Reisen. Er berichtet von seiner Großmutter, die an Demenz erkrankt ist und im bosnischen Oskoruša lebt. Einem Ort, an dem sich die Frage nach der eigenen Herkunft für seine Verwandten einfach beantworten lässt: “Du kommst von hier”.

Eine Antwort, die für ihn jedoch nicht ausreicht, die längst nicht zufriedenstellend ist.

Er führt die Leser*innen weiter, durch bosnische Mythologien, Familiengeschichte(-n) und Anekdoten aus seiner Kindheit und Jugend.

Nun stellt sich die Frage, warum die Lektüre Stanišić´ Herkunft so wertvoll und lohnend ist: 

Wer den Versuch unternehmen möchte, zu ergründen, ob es subjektiv Heimat(-en) gibt oder geben kann, der oder dem sei diese Lektüre ans Herz gelegt.

Saśa Stanišić wurde für seinen Roman Herkunft wurde 2019 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet.

Seine Dankesrede nutzte er, um die auf die geschichtsrevisionistischen Texte Peter Handkes, welchem kurz zuvor der Literaturnobelpreis verliehen wurde, aufmerksam zu machen. 

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