Mit Persepolis erorberte sich Marjane Satrapi die Herzen europäischer Comic-Fans. Ebenfalls aus ihrer Feder: “Sticheleien”. Hier schildert sie den Alltag iranischer Frauen in Teheran. Doch können Comics politisch sein? Wieso eigentlich Comics in diesem Blog? Man könnte ja einwenden, dass die in Frankreich lebende Marjane Satrapi mit “Persepolis” und den “Stichelein” lediglich ihre eigene Geschichte erzählt und Menschenrechtsverletzungen vordergründig nicht zur Sprache kommen.
Doch diese Geschichte spielt zur Zeit der iranischen Revolution, als der Schah gestürzt (bekannt für seine Prunksucht und die Unterdrückung poiltisch Andersdenkender) und durch ein theokratisches Regime ersetzt wurde, über dessen Menschenrechtsverletzungen die GfbV und andere Menschenrechtsorganisationen (zum Beispiel amnesty) häufig genug ebenfalls berichteten.
Satrapi jedenfalls erzählt ihre Geschichte, die nur vordergründig einer Komödie gleicht – denn obwohl draußen auf der Straße die Tyrannei des jeweiligen Regimes herrscht (sei es monarchisch geprägt oder religiös motiviert), finden die Frauen, von denen Satrapi erzählt, zu Hause ihre Freiräume. In diesen herrscht Redefreiheit, kein Tabu wird dabei ausgespart, mag es noch so Klischeebeladen sein. Zitat: “Und so begannen wir unseren Herzen ausgiebig Luft zu verschaffen…” Der Titel des Bandes ist Programm: es wird gestichelt, gelästert und getratscht. Und so subversiv gegen diverse Dogmen angekämpft, die die Rolle der Frau unterdrücken.
Was den Verlag, die schweizerische Edition Moderne, auszeichnet: sie geben Künstlern den innovativen Freiraum, um das Comic-Genre mit politisch relevanten Themen weiterzuentwicklen, um vielfältigen Themen gerecht zu werden, in denen das zwischenmenschliche Leben so kompliziert und politische Probleme außer subtilen Ansätzen kaum darstellbar scheint. So stehen Satrapis Zeichnungen frei im Raum, der durch das klassische europäische Comic geprägte Leser wird den typischen Panelrahmen vermissen. Doch dieser Kunstgriff gibt viele Freiheiten: durch diese zeichnerische Freiheit kann Satrapi ihren Lesern einen ungeschminkten Blick hinter die Kulissen iranischer Machtpolitik geben, so kann sie besser die Rolle der iranischen Frau (und ihres Stolzes) beschreiben, als viele konventionelle Reportagen vermögen. Schließlich zeigt Satrapi, dass es zumeist die Frauen sind, auf deren Rücken der politische Kampf zwischen gesellschaftlicher Emanzipation und religiös motivierten Fundamentalismus ausgefochten wird. Doch iranische Frauen haben nach Satrapi eine Antwort darauf: sie ignorieren diese Konvention. Zumindest zu Hause.
Letztlich gelingt der Autorin und Zeichnerin etwas Außergewöhnliches: so nebenbei schildert sie Menschenrechtsverletzungen und Probleme wie arrangierte Ehen, den Zwang zur Jungfräulichkeit, bigotte Doppelmoral und Homophobie. Und dies macht Satrapis “Sticheleien” auch aus Menschenrechtssicht lesenswert. Der Band erschien in der schweizerischen Edition Moderne und kostet 19,80 Euro. Wer sich auf einen interaktiven Spaziergang mit Marjane Satrapi einlassen möchte, sei dieser link zu ARTE empfohlen und wird merken: Wirklich empfehlenswert!