Konferenz in Berlin: „Roma as integral part of society of Ukraine“ – Eindrücke und Geschichten

Am 14. Juni fand in Berlin die vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma organisierte Konferenz „Roma as integral part of society of Ukraine“ statt. Die Leiterin unserer Menschenrechtsabteilung Sarah Reinke war auf der Konferenz, sprach am Vorabend mit den Delegierten aus der Ukraine. An dieser Stelle gibt sie ihre Eindrücke und Forderungen der Teilnehmenden wider.

Foto: Rom*nja-Delegation aus der Ukraine mit Staatsminister Dr. Lindner, Auswärtiges Amt (Mitte) und Stephan Müller (Mitte hinterste Reihe) vom Zentralrat der deutschen Sinti und Roma; Credit: Murad Yuzbashev

„Ich komme aus der Nähe von Charkiv. Mit Kriegsbeginn haben wir Romnja in und um Charkiv versucht, uns zu organisieren. An erster Stelle stand die humanitäre Hilfe, gerade auch für Flüchtlinge. Einige Roma betreiben in der Region Restaurants. Als Flüchtlinge und andere Hilfsbedürftige bei uns in der Stadt ankamen, haben wir sie alle mit Essen versorgt. Vor den Restaurants bildeten sich lange Schlangen. Uns war es egal, ob da nun Roma standen oder andere Ukrainer*innen. Wir haben alle gleich versorgt!“, das berichtet Yanush, der am 14. Juni an der Konferenz „Roma as integral part of Society of Ukraine“ teilnahm. Zur Konferenz war eine 15-köpfige Delegation aus der Ukraine angereist.

„United in Diversity“, das ist das Motto, das die ukrainische Politik in Bezug auf alle Menschen in der Ukraine ausgibt. Die rund 400.000 Rom*nja, von denen etwa 100.000 wegen des Krieges aus dem Land geflohen sind, sind sicher jene Minderheit, für die die Situation im Land am schwierigsten ist. Die Ukraine strebt in die EU. Schon während des Krieges bereitet sie sich auf den Beitrittsprozess vor. Dafür ist eine überzeugende Minderheitenpolitik wichtig. Genau an diesem Punkt setzte die Konferenz „Roma as integral part of society of Ukraine“ an.

Im Krieg stehen die Rom*nja fest an der Seite der Ukraine, Rom*nja kämpfen in der Armee, sie unterstützen als zivilgesellschaftliche Aktivist*innen und tragen die Politik mit. Doch der Krieg macht ihre Lage schwieriger als sie ohnehin schon war.

„Mein Junge hat bei Bachmut gekämpft. Er fiel den Russen in die Hände. Seit dem 12. Mai haben wir nichts von ihm gehört. Wir wissen, dass er in Gefangenschaft ist. Aber er darf kein Handy haben, wir haben gar keinen Kontakt zu ihm“, erzählt Vova, der selbst aus Transkarpatien stammt und dort eine Hilfsorganisation für Romnja betreibt.

„Es sind immer noch dieselben Probleme wie vor zehn oder zwanzig Jahren, nur, dass sie jetzt durch den Krieg verschärft werden. Am schlimmsten ist, dass viele Rom*nja immer noch keine Personalpapiere haben. Daher haben sie oft keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, finden keine Arbeit, finden nur schwer eine Wohnung“, berichtet Yulia Kondur von der Frauenorganisation Ciricli. „Die fehlenden Personalpapiere machen es auch geflüchteten Rom*nja extrem schwer in den Aufnahmeländern“, betont sie weiter.

Der online zugeschaltete Mykhailo Spasov, Vertreter des Kommissars für Gleichberechtigung und die Rechte der nationalen Minderheiten der Ukraine, positionierte sich dazu: „Wir arbeiten an der Frage der Personalpapiere, wir wissen, dass die Zeit drängt und wir versuchen wirklich alles, damit wir hier zu einer Lösung kommen“.

Die Teilnehmer*innen der Delegation aus der Ukraine betonen, wie stark das Engagement der Zivilgesellschaft ist. Insgesamt sei diese während des Krieges die Stütze für so viele Ukrainer*innen und die Rom*nja hätten viel selbst in die Hand genommen. Anzhelika Bielova von der humanitären Organisation Voice of Romni sagt, dass sie im Frühjahr 2022 ganz alleine angefangen hat zu helfen. Jetzt sind in ihrer Organisation 50 Personen aktiv. Sie haben schon 20.000 Rom*nja humanitär geholfen. Ein Schwerpunkt seien die Binnengeflüchteten, denn hier hätten gerade die Frauen ihre Arbeit durch die Flucht verloren. Nun organisiert „Voice of Romni“ für diese Weiterbildungsmaßnahmen und Schulungen. Und ja, es gebe Gelder, so die die Vertreterinnen der Rom*nja-Organisationen, doch es sei schwer für sie in den Regionen, an diese Gelder zu kommen. Man bräuchte viel mehr humanitäre Hilfe für die Rom*nja vor Ort.

Ukrainische Delegation gemeinsam mit dem ukrainischen Botschafter Oleksii Makeiev

70% der Kinder hätten im Moment keinen Zugang zu Bildung. Die Rom*nja seien oft einfach zu arm, sie hätten keine Computer zu Hause, wovon aus die Kinder am online-Unterricht teilnehmen könnten, wie das viele ukrainische geflüchtete Kinder im In- und Ausland täten. Man dürfe nicht bei humanitärer Hilfe stehen bleiben, darin waren sich alle Vertreter*innen der Rom*nja-Organisationen und die dazu geladenen Repräsentant*innen aus der Politik und von internationalen Organisationen einig.

Vor der Konferenz hatten Rom*nja aus der Ukraine daher ein Strategiepapier vorbereitet, in dem sie die wichtigsten politischen Forderungen nennen. : Stellvertretend für die gesamte Delegation nannte Natali Tomenko von der Jugendorganisation ARCA die wichtigsten Forderungen:

  • Es sollen positive Geschichten über und mit Rom*nja dokumentiert und veröffentlicht werden, denn die Romnja seien vielfach in der Ukraine noch mit einem tief sitzenden Antiziganismus konfrontiert.
  • Es braucht ein Programm zur Förderung der Kultur, dies würde auch zu einem besseren Verständnis der Rom*nja durch die Mehrheitsgesellschaft führen.
  • Gefördert werden sollten technische und finanzielle Hilfen für die Rom*nja, damit diese sich besser in der Zivilgesellschaft einbringen könnten.
  • Für Rückkehrer*innen bräuchte es ein Aufnahmeprogramm, was auf die speziellen Bedürfnisse der Rom*nja ausgerichtet sein müsse.

Jetzt könnten die Rom*nja und ihre Verbündeten aus Europa die Zeit nutzen, um dieser Minderheit endlich zu ihren Rechten zu verhelfen. Dafür sind die politischen Papiere von Seiten der Rom*nja vorbereitet, sie engagieren sich mutig und aktiv, die ukrainische Politik bewegt sich, internationale Partner unterstützen. Doch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dauert an, ist unberechenbar und gefährdet alle Menschen in der Ukraine, besonders verletzliche Minderheiten wie die Rom*nja.

Der Krieg kam in den Berichten der Rom*nja-Delegation und in persönlichen Gesprächen plötzlich ganz nah nach Berlin. Er drängt uns zum Handeln und zu unbedingter Solidarität, gerade mit der oftmals verfolgten Minderheit der Rom*nja.

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