Terror in Sri Lanka gefährdet den Frieden

Die gesellschaftliche Spannung in Sri Lanka ist groß. Die Auswirkungen des Terrors sind nicht nur eine Gefahr für Muslime, sondern für den Frieden insgesamt.

von Sven Andreae; Foto: St. Antony Kirche in Kochchikade, Colombo, einer der Anschlagsorte, © AntanO via wikimedia (CC BY-SA 4.0)

Antimuslimische Ausschreitungen im Land

Im kleinen muslimischen Gemeindezentrum in Negombo, 40 Kilometer nördlich der Hauptstadt Colombo, sind alle Fensterscheiben zerstört, das Gebäude verwüstet. Der 20-jährige Mohammed Silmi war am Abend dort, als wütende Christen kamen und ihre Trauer, ihre Wut, in der Zerstörung des Gemeindezentrums entluden. Negombo, eine Stadt in der die Mehrheit der Bewohner Katholiken sind, war Schauplatz einer der grausamen Anschläge vom Ostersonntag, als sich ein Attentäter in der St. Sebastian-Kirche während der Ostermesse in die Luft sprengte. Rund einhundert Menschen starben. Vor den Anschlägen habe es in seiner Stadt nie Probleme zwischen Muslimen und Christen gegeben, erzählt Silmi. Jetzt habe er immer Angst.

Die Geschichte, die Silmi erzählt ist nur ein Beispiel der momentanen Spannungen in Sri Lanka, die sich vor allem in der nordwestlichen Provinz, in der auch Negombo liegt, entladen. Anfang Mai und vor gut einer Woche kam es dort zu Ausschreitungen gegen Muslime. Moscheen, Häuser und Läden wurden massiv beschädigt oder zerstört. Ein Muslim verstarb an seinen schweren Verletzungen, nachdem er von einem wütenden Mob attackiert wurde. Die Anschläge vom Ostersonntag schüren Misstrauen zwischen den Religionsgruppen der sri-lankischen Gesellschaft. Die Taten wurden von extremistischen Kreisen der muslimischen Gemeinde geplant und durchgeführt, sehr wahrscheinlich mit Unterstützung des IS. Die Drahtzieher sind in keiner Weise repräsentativ für die muslimische Gemeinde im Land. Und doch geraten nun alle Mitglieder der Glaubensgemeinschaft unter Generalverdacht. Der Terror kreiert ein Klima der Angst und des Misstrauens, welches den Frieden in Sri Lanka gefährdet.

Sri Lankas ethnisch-religiöse Identitäten und der lange Weg zu einem fragilen Frieden

Die Geschichte des Landes seit seiner Unabhängigkeit 1948 zeigt, welch große Errungenschaft der Frieden für das Land ist. Gleichzeitig macht sie aber bewusst, wie fragil er ist. Die ethnisch-religiösen Identitäten des Landes sind komplex, doch sie prägen das Bewusstsein der Menschen stark. Von den 21 Millionen Einwohnern sind knapp 75% Singhalesen, die zum Großteil buddhistisch sind. 15% sind Tamilen, die überwiegend hinduistisch sind und die größte Minderheit darstellen. 9,2% sind Moors, tamilischsprachige Muslime. Unter Singhalesen und Tamilen gibt es zudem christliche Minderheiten, die insgesamt 7,4% der Bevölkerung ausmachen. Die buddhistischen Singhalesen agierten seit der Unabhängigkeit zunehmend repressiv gegenüber den Tamilen. Dies führte zu einer Radikalisierung und letztendlich zu einem blutigen, 26 Jahre dauernden Bürgerkrieg zwischen Singhalesen und Tamilen, der erst 2009 endete. Seitdem herrscht offiziell Frieden im Land. Er hat wichtige Stabilität gebracht und ist eine große Errungenschaft. Versöhnung bleibt aber weiterhin die große Aufgabe staatlicher und gesellschaftlicher Akteure. Wiederholt wurde auf die von staatlicher Seite mangelnde Aufarbeitung des teils grausamen Krieges hingewiesen. Wiederkehrende Konflikte zeigen, dass der Frieden in Sri Lanka bislang auch immer ein fragiler ist.

Interreligiöses Zusammenleben als Schlüssel für den Frieden

Der Inselstaat ist trotz aller Schwierigkeiten für viele ein Beispiel dafür, dass religiöse Toleranz funktionieren kann. In dem kleinen Land finden sich lebendige Gemeinden aller vier Weltreligionen. Es gibt viele Beispiele für eine funktionierende, interreligiöse Nachbarschaft. Das Viertel Kochchikade in der Hauptstadt Colombo etwa, in dem Christen, Muslime, Hindus und Buddhisten jahrzehntelang friedlich zusammenlebten. Die Kirche St. Antony ist das Herz des Viertels und ein Gebetsort nicht nur für Christen. Auch hier war einer der Anschläge, die Terroristen attackierten gezielt diesen Ort der Toleranz. Allerdings geriet das Zusammenleben der Religionen bereits in den vergangenen Jahren durch buddhistische Extremisten unter Druck. Mitglieder der Vereinigung Bodu Bala Sena („Buddhistische Streitmacht“) hetzten zunehmend gegen die religiösen Minderheiten. Sie verbreiteten falsche Gerüchte, die die anderen Religionen als Gefahr für den Buddhismus darstellten und stachelten zu Gewalt an. 2014 und 2018 kam es zu Ausschreitungen und Morden. Dabei gerieten vor allem Muslime ins Visier der Extremisten, doch auch Christen waren der Hetze ausgesetzt. Sowohl muslimische als auch christliche Einrichtungen berichten in den letzten Jahren regelmäßig von Diskriminierungen, Einschüchterungen und Behinderung ihrer religiösen Praxis durch buddhistische Extremisten. Währenddessen war das Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen friedlich. In der Art, in der sie sich derselben Repression ausgesetzt sahen, entstand zwischen ihnen ein Gefühl der Solidarität. Auch um ein Beispiel für ein friedliches Zusammenleben zwischen Religionsgruppen zu sein. Dieses Verhältnis droht nun nach den Anschlägen zu zerfallen.

Zerstörtes Haus nach antimuslimischen Ausschreitungen buddhistischer Extremisten 2014.
© Vikalpa | Groundviews | Maatram | CPA via Flickr ( CC BY 2.0 )

Hier liegt die große Gefahr, nicht nur für Muslime und Christen, sondern für den Frieden des Landes insgesamt. Wenn sich die religiösen Gruppen in Folge des Terrors voneinander isolieren und nunmehr, statt Werte der Toleranz und des interreligiösen Zusammenlebens, Werte der Intoleranz und Abgrenzung gelebt würden, sind Konflikte unausweichlich. Eine erzwungene Identität Sri Lankas als reine Nation buddhistischer Singhalesen, wie es die buddhistischen Extremisten wollen, würde der Vielfalt des Landes nicht gerecht werden. Und sie würde zwangsläufig Repression und Leid hervorrufen. Seit Ende des Bürgerkrieges vor zehn Jahren steht das Land vor einer der wohl schwierigsten Phasen zur Erhaltung des Friedens.

Wie kann der Frieden gewahrt werden?

Das wichtigste ist nun, dass politische, staatliche und gesellschaftliche Akteure zusammenarbeiten, um sich dem Misstrauen in der Gesellschaft entgegenzustellen. Ein gutes Zeichen ist, dass Vertreter aller Religionsgemeinschaften öffentlich Solidarität bekundet haben und in den Gemeinden zu Frieden aufrufen. Regierung und Sicherheitskräfte haben versprochen konsequent gegen Unruhestifter vorzugehen und Betroffene zu entschädigen. Wichtig ist, dass Maßnahmen und Inhaftierungen gerechtfertigt und angemessen von statten gehen und dass Muslime nicht auch von staatlicher Seite unter Generalverdacht geraten. Zudem sollte sich die Regierung von buddhistischen Extremisten distanzieren. Seit der Wahl der Regierung Sirisena in 2015 ist ein strikteres Vorgehen gegen solche Tendenzen bemerkbar, doch sie sind weiterhin präsent in der Gesellschaft, auch in staatlichen Einrichtungen. Buddhistische Geistliche stehen besonders in der Verantwortung gegen Hetze und Misstrauen in ihren Gemeinden vorzugehen und Beispiel zu sein für Toleranz. Letztendlich ist die Erhaltung des Friedens ein Kraftakt der ganzen Gesellschaft, doch es sind öffentliche Personen die hierbei den größten Einfluss haben können. Der Dialog in der Gesellschaft muss aufrechterhalten werden und es muss erinnert werden an die vielen guten Beispiele des interreligiösen Zusammenlebens.

Ausblick

Sri Lanka steht vor einer schwierigen Phase, der Terror hat Misstrauen zwischen den Religionsgemeinschaften gesät. In diesen Zeiten ist es enorm wichtig, dass sich die religiösen Minderheiten des Landes, allen voran Christen und Muslime, nicht voneinander isolieren, sondern weiterhin Beispiel sind für ein friedliches Zusammenleben. Die letzten Jahre haben deutlich gemacht, dass der Schutz ihrer religiösen Glaubensgemeinschaften und ihrer religiösen Freiheit nur über ein Miteinander gehen. Das Fortbestehen des Friedens in Sri Lanka wäre ein gutes und kostbares Beispiel für die ganze Welt und ein Zeichen gegen Abgrenzung und Angst.

Mehr von der GfbV zu Sri Lanka:
https://www.gfbv.de/de/informieren/laender-regionen-und-voelker/laender-und-regionen/sri-lanka/

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