Deutsche Kohleimporte aus Kolumbien – Eine Bedrohung für die Wayúu

Die Bundesregierung möchte aufgrund des russischen Krieges in der Ukraine möglichst auf Kohle aus Russland verzichten. Doch auch die Alternative, eine wachsende Abhängigkeit von kolumbianischer Kohle, bringt Menschenrechts- und Umweltverletzungen mit sich.

Von Birte Mundt, Eliane Fernandes; Foto: Lee Bosher via flickr

Trotz Menschenrechtsverletzungen mehr Kohleimporte aus Kolumbien

Circa die Hälfte des deutschen Steinkohleimports stammte bis Kriegsbeginn aus Russland [1,3]. Weil Deutschland aufgrund der Sanktionen gegen Russland im Zuge des Krieges mit der Ukraine weniger aus dem Land importieren möchte, wird nach Alternativen dafür gesucht. Als Folge wird vermehrt auf Steinkohle aus Kolumbien gesetzt, woher 2021 lediglich circa 6 % der Steinkohle importiert wurde [9]. In den Jahren zuvor hatte der Kohleimport aus Kolumbien aufgrund ökologischer und sozialer Probleme vor Ort stark nachgelassen [10]. Der Import aus Kolumbien sei laut Bundeskanzler Scholz nun notwendig, um weitere Engpässe bei der Energieversorgung zu verhindern und die Energiesicherheit zu garantieren.

Die Mine El Cerrejón liegt im Gebiet des indigenen Volkes der Wayúu in La Guajira im Norden Kolumbiens; Foto: Lee Bosher via flickr

Menschenrechtsverletzungen durch Kohleabbau in Kolumbien ist ein altes Thema. Lange haben Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen dort und international gemeinsam mit Indigenen für mehr Sorgfaltspflicht erfolgreich gekämpft und über die verheerenden Umstände des Kohleabbaus in Kolumbien aufgeklärt. Denn die größte Mine Lateinamerikas El Cerrejón (69.000 Hektar) liegt im Gebiet des indigenen Volkes der Wayúu in La Guajira im Norden Kolumbiens. Sie gehört dem Schweizer Konzern Glencore. Obwohl der Konzern wegen Umwelt-, Menschen und Gebietsrechtsverletzungen verurteilt wurde und seit Jahren in der Kritik steht, erwägt die deutsche Bundesregierung in Zukunft mehr Kohle aus El Cerrejón zu importieren. Durch den Kohleabbau in der Region resultieren Vertreibung, Zwangsumsiedlung, Luft- und Wasserverschmutzung, Enteignung und Atemwegserkrankungen der dort ansässigen Menschen, die vor allem Indigene sind.

Flussumleitung verstärkt Wasserknappheit

Bereits 2016 wurde der Fluss Arroyo Bruno um vier Kilometer umgeleitet, damit weitere Kohle aus dem Flussbett abgebaut werden kann. Dieser ist der größte Nebenfluss des Flusses Ranchería, welcher der einzige Fluss in der Wüstenregion ist. Sowohl der Ranchería wie auch viele weitere Wasserläufe wurden in der Vergangenheit schon umgeleitet. Der Arroyo Bruno ist für die Wayúu elementar wichtig, um die Wasserzufuhr, ihre Ernährung und ihre Gesundheit zu sichern. Darüber hinaus hat sein Wasser kulturelle und spirituelle Bedeutung für das indigene Volk. Laut Expert*innen besteht durch die Umleitung des Flusses Dürregefahr [2]. 2017 klagten die Wayúu vor dem kolumbianischen Verfassungsgericht gegen die Flussumleitung, welches ihnen recht gab [8]. Der Arroyo Bruno sollte wieder zurückgeleitet werden und die Anwohner*innen Mitspracherecht erhalten. Nichts davon geschah.

Auch viele weitere Rechte der Wayúu und der Arbeiter*innen im Kohleabbau werden missachtet, da die kolumbianische Regierung den Kohleabbau über die Rechte der ansässigen Menschen stellt [1]. Darunter fallen das Recht auf Leben, freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit, Folterverbot, das Recht auf Nahrung und Wasser, Wohnen, Gesundheit und kulturelle Selbstbestimmung [6]. Darüber hinaus gibt es ein Recht der indigenen Völker, über Eingriffe in ihr Territorium vorher informiert zu werden und mitbestimmen zu können [6].

Internationale Unternehmen unterstützten paramilitärische Gruppen

Menschenrechtsverletzungen in Kolumbiens Kohleabbau sind jedoch nicht neu, sondern schon in den letzten Jahrzehnten dokumentiert. Vielfach erhalten die Betroffenen keine oder nur unzureichende Entschädigung.

Die in Kolumbien tätigen Unternehmen Drummond (USA) und Prodeco/Glencore (Schweiz) unterstützen laut Zeug*innenaussagen paramilitärische Gruppen finanziell, um weiter expandieren zu können [6]. Schätzungen zufolge sollen durch diese Gruppen zwischen 1996 und 2006 3.000 Menschen getötet und 55.000 vertrieben worden sein [6].

Im Zuge des gesteigerten Interesses der Bundesregierung an kolumbianischer Kohle fordern Aktivist*innen der Unidas por la Paz – Alemania, eines Kollektivs der kolumbianischen Diaspora [2], Ungerechtigkeiten gegen indigene Völker in Kolumbien nicht länger hinzunehmen, um dadurch die Kriegsverbrechen gegenüber dem ukrainischen Volk zu sanktionieren.

Trotzdem ist der Abbau von Kohle in der Region laut dem Präsidenten der nationalen Gewerkschaft der Kohleindustrie-Arbeiter*innen Igor Díaz nötig, um Arbeitsplätze zu sichern [1]. Hoffnung bestehe darin, dass Deutschland Druck auf die Kohlekonzerne macht, sodass sich die Arbeitsbedingungen für die Arbeiter*innen verbessern (gerechte Löhne, mehr Stellen, bessere Bedingungen, gerechte Arbeitszeiten) und die Menschen sowie die Umwelt in dieser Region geschützt werden [1,3,9].

Mehr zu diesem Thema:

Der Dokumentarfilm „La buena vida – Das gute Leben“ von Jens Schanze aus dem Jahr 2015 thematisiert die Folgen für die Wayúu durch den Kohleabbau für den europäischen Markt. Der Spiegel-Artikel „Kohle aus Kolumbien. Die dunkle Seite der Energiewende“ von Till Mayer aus dem Jahr 2017 berichtet über die Situation der Anwohner*innen von El Cerrejón, in dem eine betroffene Wayúu-Familie vorgestellt wird:

https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/deutschland-und-die-energiewende-wie-laender-wie-kolumbien-dafuer-zahlen-a-1127332.html

Der Bericht mit Kurzfilm der Tagesschau beschäftigt sich näher mit dem Thema sowie mit Kritik aus der Grünen-Fraktion:
https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/kolumbianische-kohle-101.html

Quellen:

[1] https://taz.de/Umstrittene-Kohle-aus-Kolumbien/!5851664/

[2] Ablehnung der Importzunahme von kolumbianischer Kohle nach Deutschland (unidosporlapaz.de)

[3] https://www.heise.de/tp/features/Der-letzte-grosse-Sieg-der-petro-chemischen-Industrie-7074044.html?seite=all

[4] https://amerika21.de/2022/04/257734/kolumbien-deutschland-steinkohle

[5] https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/deutschland-und-die-energiewende-wie-laender-wie-kolumbien-dafuer-zahlen-a-1127332.html

[6] https://www.cora-netz.de/wp-content/uploads/2015/03/CorA-ForumMR_Steckbrief-Kohle.pdf

[7] https://salidadelcampo-kolumbien2019.blogs.uni-hamburg.de/besuch-in-der-kohlemine-el-cerrejon/

[8] https://www.woz.ch/-c246

[9] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/technologie/kohle-kolumbien-tagebau-103.html

[10] https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/kolumbianische-kohle-101.html

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