Der lange Arm der chilenischen Carabiñeros reicht bis nach Belgien

Am 10. Juni 2015 wurde Michelle Bachelet, Präsidentin von Chile, der Ehrendoktortitel der Universität von Leuven in Belgien verliehen. Doch sie hatte die Rechnung ohne mutige Frauen der indigenen Mapuche gemacht, die sich von Drohungen der Polizei nicht entmutigen ließen.

von Yvonne Bangert; Foto: aus dem GfbV-Archiv

Es ist kaum zu glauben: Chiles Präsidentin Michelle Bachelet bekam an der Universität von Leuven einen Ehrendoktortitel. Zur feierlichen Verleihung wurde Frau Bachelet von der chilenischen militarisierten Polizei, genannt Carabiñeros, begleitet. Jene Polizei also, die in Chile die Dörfer der indigenen Mapuche immer wieder heimsucht. Auch hier in Europa fühlen sich Mapuche, die auf die Unterdrückung ihres Volkes in Chile aufmerksam machen wollen, von Angehörigen der Carabiñeros bedroht.

Die GfbV-Mapuche-Koordinatorin aus Köln war als Mitglied des Mapuche-Netzwerks Europas in Leuven vor Ort. Auch Repräsentantinnen der Mapuche aus der Schweiz, Belgien und den Niederlanden waren mit dabei und organisierten gemeinsam mit der Vertreterin aus Deutschland einen schweigenden Protest während der Verleihung. Bereits bei Betreten des Festsaals näherten sich ihnen Carabiñeros, um die Mapuche-Frauen über den Grund ihres Erscheinens auszufragen; sie fragten auch nach ihren Namen. Die Carabiñeros drohten ihnen, die belgische Polizei zu verständigen, wenn sie ihnen nicht die Dokumente mit einer Deklaration der Mapuche-Koordination Europas, dem europaweiten Netzwerk der Mapuche, aushändigten. Die Polizisten versuchten, die Frauen durch Drohungen einschüchtern: “ [Bei einem Polizeieinsatz] wisst ihr ja, was passiert”. Die Drohung konnten die Carabiñeros jedoch nicht umsetzen, da die Mapuche der Zeremonie beiwohnen duften. Sie waren registriert und akkreditiert. Außerdem hatten sie nichts Unrechtmäßiges getan. Als sie ihre Plätze daraufhin einnahmen, setzten sich vor und direkt neben die Frauen zwei aufmerksame Carabiñeros, die jede ihrer Bewegung verfolgten.

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Während der Dankesrede der chilenischen Präsidentin erhoben sich die Mapuche-Frauen und hielten 40 Minuten lang schweigend Schilder in die Höhe, auf denen unter anderem die Entmilitarisierung der Mapuche-Gebiete, das Recht auf Selbstbestimmung, die Rückgabe der indigenen Territorien und die Freilassung der Mapuche, die in politischer Gefangenschaft sind, verlangt wurde. Außerdem forderten sie das Recht auf ihre Sprache Mapuzungun und die Einhaltung der bestehenden Verträge zwischen dem chilenischen Staat und der Mapuche-Nation.

Zum anschließenden Empfang nach der Rede der Präsidentin wurden die Mapuche nicht zugelassen. Im Gegenteil: Viel Wachpersonal begleitete sie vor die Tür des Zeremoniensaals der Universität von Leuven. Gewonnen hatten sie jedoch die Aufmerksamkeit von zählreichen Berichterstattern, die mit ihnen Interviews auf Spanisch, Französisch, Niederländisch, Deutsch und Englisch führen konnten.
Ein Ehrendoktor wird nicht über Menschenrechtsverletzungen hinwegtäuschen. Dafür haben die mutigen Mapuche-Frauen aus Europa gesorgt.

Fotos der Aktion und die Deklaration der Mapuche-Koordination in Spanisch findet ihr hier.

[Zur Autorin]

YVONNE BANGERT ist seit mehr als 30 Jahren für die GfbV in Göttingen tätig, zunächst als Redakteurin der Zeitschrift “pogrom“ und der Internetseiten, seit 2005 als Referentin für indigene Völker.

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