Der unabhängige brasilianische Nachrichten- und Recherchendienst „Repórter Brasil“ deckt auf, wie illegales Gold den Amazonasgebiet verlässt und in unseren Handys und Computern landet. Die vier wertvollsten Unternehmen der Welt, Apple, Google, Microsoft und Amazon, waren Abnehmer der Produktion der goldverarbeitenden Unternehmen Chimet (aus Italien) und Marsam (aus Brasilien), welche Gold aus brasilianischen illegalen Bergbauminen verwenden.
Von Eliane Fernandes; Foto: Gabriele Battaglia | Flickr
Repórter Brasil warnt, dass wir als Konsumenten unwissend Gold besitzen könnten, das illegal aus indigenen Territorien in Brasilien gewonnen wird. Handys und Computer von Apple und Microsoft sowie die Super-Server von Google und Amazon haben Goldbestandteile in ihrer Zusammensetzung. Wie eine Untersuchung von Repórter Brasil ergab, stammt ein Teil dieses Goldes aus illegalen Minen im Amazonasgebiet. Aus den Händen von Zwischenhändlern und Organisationen gelingt das Gold schließlich in Geräte von Apple, Microsoft, Google und Amazon.
Laut Repórter Brasils Reportage[1] hätten diese Technologieriesen in den Jahren 2020 und 2021 das Metall von mehreren goldverarbeitenden Unternehmen gekauft, darunter das italienische Unternehmen Chimet und das brasilianische Unternehmen Marsam. Die brasilianische Bundespolizei ermittelt gegen Chimet, weil es Erz aus illegalen Minen aus dem Territorium der Kayapó-Indigenen geliefert hat. Marsam, wiederum, wird vom brasilianischen Bundeswirtschaftsministerium beschuldigt, durch den Erwerb von illegalem Gold Umweltschäden zu verursachen. Dank des Widerstands der indigenen Völker Brasiliens bleibt der Abbau von Bodenschätzen auf indigenen Territorien in Brasilien verfassungswidrig, trotz der mehrmaligen Versuche brasilianischer Abgeordneter und Senatoren, mit der Unterstützung des Präsidenten Jair Bolsonaro, Bergbau-Aktivitäten auf indigenen Territorien zu legalisieren.
Diese illegalen Bergbau-Aktivitäten im Amazonasgebiet lösen verschiedene Umwelt- und Menschenrechtsprobleme aus. Es handelt sich um sichtbare und unsichtbare Folgen dieser illegalen Aktivitäten, so zum Beispiel die Waldzerstörung, die Verschmutzung der Flüsse mit Quecksilber und die daraus resultierende Bodenverseuchung sowie Vergiftung von Fischen und Menschen. Außerdem führen diese illegalen Aktivitäten zu organisiertem Verbrechen und bewaffneten Übergriffen von Goldgräbern gegen indigene Gemeinschaften, wie zum Beispiel im Mai 2021 gegen eine Yanomami-Gemeinde, berichtet Repórter Brasil.
Obwohl brasilianische Ermittlungsbehörden Beweise dafür haben, dass Chimet und Marsam indirekt Gold gekauft haben, das in einigen dieser geschützten indigenen Territorien illegal abgebaut wurde, sind die beiden goldverarbeitenden Unternehmen zertifiziert. Beide gelten als „tauglich“ für den Verkauf in den USA und Europa, die von Mineralienlieferanten größere Transparenz sowie strengere Kriterien zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Menschenrechtsverletzungen verlangen, erklärt Repórter Brasil.
Während seiner Recherchen hatte der brasilianische Nachrichten- und Recherchendienst Zugang zu den Dokumenten, die Apple, Google, Microsoft und Amazon der US-Börsenaufsichtsbehörde (Securities and Exchange Commission, SEC) mit einer Liste ihrer Lieferanten, nicht nur von Gold, sondern auch von Zinn, Wolfram und Tantal, vorlegen müssen. Unter Hunderten von goldverarbeitenden Unternehmen sind auch brasilianische und italienische Firmen in den Listen aufgeführt. Die Dokumente beziehen sich auf die Jahren 2020 und 2021. Dennoch wurden die beiden goldverarbeitenden Unternehmen auch in früheren Berichten als Lieferanten genannt.
Laut Repórter Brasil, müssen Unternehmen, die an der US-Börse notiert sind, jährlich darüber berichten, ob sie in ihren Produktionsketten Mineralien aus Risikogebieten verwenden. „Diese Anforderung wurde durch ein Gesetz eingeführt, das 2010 aufgrund des Bürgerkriegs in der Demokratischen Republik Kongo verabschiedet wurde, wo die Mineralienexploration immer noch bewaffnete Gruppen finanziert. Die Verwendung des Metalls geht über Schmuck und Barren, die von großen Banken gekauft werden, hinaus: Laut der vom US Geological Survey erstellten Mineral Comidities Summary machten elektronische Produkte 37 % des in den Vereinigten Staaten im Jahr 2019 verwendeten Goldes aus“, schreibt Repórter Brasil.
Chimet erhält sein Zertifikat von LBMA (The London Bullion Market Association) und Marsam bzw. von RMI (Responsible Minerals Initiative). Laut ihrer Selbstdarstellung im Internet setzen sich beide Organisationen für mehr Transparenz im Bergbausektor ein, streben ein „nachhaltiges unternehmerisches Engagement“ an und führen Kontrollen zur Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung durch.
Allerdings erklärt Repórter Brasil, dass diese zertifizierende Organisationen Brasilien nicht als “Risikogebiet” einstufen, trotz aller durch den illegalen Bergbau im Amazonasgebiet verursachten Gewalttaten. Repórter Brasil fügt hinzu, dass während Apple, Google, Microsoft und Amazon allein im vierten Quartal 2021 zusammen 74 Milliarden US-Dollar erwirtschafteten, „scheinen sie sich nicht um die tatsächliche Herkunft des von ihnen verwendeten Goldes zu kümmern – und auch nicht um die Konflikte, die es auf brasilianischem Gebiet anheizen könnte“.
Payal Sampat, Leiterin des Bergbauprogramms von Earthworks – einer Organisation, die sich mit den Auswirkungen dieser Tätigkeit befasst – beklagt: „Sowohl die SEC als auch die amerikanischen Unternehmen verschließen die Augen vor der Herkunft des Goldes, das in das Land gelangt”. Darüber hinaus betrachtet sie die Arbeit von RMI als nicht zuverlässig, so Repórter Brasil.
RMI, verdient, nach Repórter Brasil, als Zertifizierer Aufmerksamkeit. Es soll Audits durchführen, um Informationen über goldverarbeitenden Unternehmen bereitzustellen, damit andere Unternehmen „fundiertere Beschaffungsentscheidungen treffen können”. RMI stellte aber in einer Erklärung klar, dass es goldverarbeitenden Unternehmen weder als „glaubwürdig noch nachhaltig“ zertifiziere oder fördere. Gemäß Repórter Brasil, gehören RMI 400 weltbekannte Unternehmen aus verschiedenen Bereichen an: Technologie, Luftfahrt, Automobilindustrie und sogar Unterhaltungsunternehmen. Diese Unternehmen sollen alle potenziellen Käufer von Chimet und Marsam sein.
Die Notwendigkeit von zuverlässigen Mechanismen für die Rückverfolgbarkeit von Gold
Der Rechtsberater des brasilianischen Umweltinstituts ISA (Instituto Socioambiental), Rodrigo Oliveira, weist auf die Problematik hin, dass Brasilien über keine zuverlässigen Mechanismen für die Rückverfolgbarkeit von Gold verfüge. Aus diesem Grunde besteht ein großes Risiko, Metalle zu zertifizieren, die Menschenrechtsverletzungen in indigenen Territorien im Amazonasgebiet verursachen. Rodrigo Oliveira verweist auf die Studie „Legalidade da Produção do Ouro no Brasil“ (Rechtmäßigkeit der Goldproduktion in Brasilien“, 2021)[1], der zufolge 28 % des in Brasilien geförderten Goldes nachweislich illegalen Ursprungs seien. Nach Oliveira sei die Rolle der SEC (Securities and Exchange Commission) dabei von grundlegender Bedeutung, weil „die Gesellschaft und die Anleger auf die Transparenz und den Wahrheitsgehalt der von ihr veröffentlichten Informationen vertrauen“.
Laut Repórter Brasil, soll RMI sich mit dem brasilianischen goldverarbeitenden Unternehmen Marsam in Verbindung gesetzt haben, um „Korrekturmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Prüfungsumfang zu fordern“. In einer Erklärung hieße es: „Dieser Prozess umfasste die Überprüfung der Beschwerden im Rahmen der letzten Prüfung von Marsam, einen Plan zur Behebung der festgestellten Mängel und die künftige Überwachung“. Falls aber Marsam den Plan zur Mängelbehebung nicht innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens erfolgreich abschließt, wie von einem externen Prüfer bestätigt, werde das Unternehmen von der RMI-Compliance-Liste gestrichen, so in der Erklärung. Der Zertifizierer berief sich aber auf Vertraulichkeitsvereinbarungen, um keine weiteren Informationen über diese Abhilfemaßnahmen oder die festgelegten Fristen zu geben, fügt Repórter Brasil hinzu.
Außerdem teilte die britische Zertifizierungsstelle LBMA mit, über die Ermittlungen der brasilianischen Bundespolizei informiert zu sein, sich mit Chimet in Verbindung gesetzt zu haben und das Audit der italienischen goldverarbeitenden Unternehmen zu prüfen. Gemäß Repórter Brasil, erwartet LBMA jedoch, dass die Prüfer keine Mängel in den Beschaffungspraktiken des Unternehmens oder in der Art und Weise, wie es auf Anschuldigungen gegen seine Lieferanten reagierte, feststellen.
Das größte Ziel der brasilianischen Bundespolizei waren die Lieferanten von Chimet, und zwar die Eigentümer des Unternehmens „C.H.M. do Brasil“. Es handelt sich um die Italiener Giacomo Dogi (geschäftsführender Partner des Unternehmens und der in Brasilien mindestens an acht weiteren Bergbaufirmen beteiligt ist),[2] der im Oktober 2021 verhaftet wurde, und seinen Vater Mauro Dogi (Gründer von C.H.M. und der für Chimet bereits früher arbeitete). Gegen sie wird wegen angeblicher Beteiligung an einer kriminellen Organisation ermittelt, die illegales Gold aus dem indigenen Territorium der Kayapó schürft. Die beiden Italiener, die in Brasilien leben, lieferten Gold an Chimet. Dies geht, laut Repórter Brasil, aus Finanztransaktionen zwischen Chimet und C.H.M. hervor, die von der brasilianischen Bundespolizei im Rahmen der Operation „Terra Desolata“ (zu Deutsch „Verwüstetes Land“) sichergestellt wurden.
Die Reaktion der Technologieunternehmen
Auf eine Anfrage von Repórter Brasil reagierte von den vier großen Technologieunternehmen nur Apple. Laut dem Nachrichten- und Recherchendienst, teilte Apple im Mai mit, dass seine Standards für verantwortungsvolle Beschaffung die besten in der Branche seien und die Verwendung illegal gewonnener Mineralien strikt untersagen. Das Unternehmen entgegnete noch, dass goldverarbeitenden Unternehmen, die deren „strengen“ Standards nicht einhalten, aus deren Lieferketten entfernt werden. Zwei Monate nach dem ersten Kontakt wandte sich Repórter Brasil erneut an Apple, das in einer Erklärung mitteilte, dass es Marsam von seiner Lieferantenliste gestrichen habe. Chimet sei, laut dem brasilianischen Nachrichten- und Recherchendiest, jedoch weiterhin förderfähig.
Google, Microsoft und Amazon wollten sich gegenüber Repórter Brasil nicht äußern. Sie bestritten aber nicht, bei Chimet und Marsam gekauft zu haben. Der brasilianische Nachrichten- und Recherchendienst beschrieb in den E-Mails an die Technologieriesen, die im Rahmen der Reportage verschickt wurden, die verschiedenen sozialen und ökologischen Schäden, die durch den illegalen Bergbau im Amazonasgebiet verursacht werden, sowie die Ermittlungen der brasilianischen Bundespolizei und der Staatsanwaltschaft ausführlich. Repórter Brasil berichtet, dass nach der Veröffentlichung der Reportage Google folgende Mitteilung schickte: „Google verlangt von seinen Zulieferern, dass sie unseren Verhaltenskodex für Lieferanten befolgen und Mineralien nur von zertifizierten konfliktfreien Unternehmen beziehen, die beispielsweise von der Responsible Minerals Initiative (RMI), dem Responsible Minerals Assurance Process (RMAP) oder einem anderen Bewertungsprogramm Dritter geprüft wurden“.
Trotz des Schweigens der drei Technologieriesen drücken ihre Berichte, die der US-Regierung vorgelegt wurden, die besten Absichten in Bezug auf Nachhaltigkeit, Transparenz und soziale und ökologische Verantwortung aus. „Wir verpflichten uns, die Verwendung von Metallen zu vermeiden, die zu Konflikten geführt haben, und erwarten von unseren Lieferanten, dass sie unsere Bemühungen unterstützen, die Herkunft von Gold, Zinn, Wolfram und Tantal zu identifizieren, die in Produkten verwendet werden, die wir herstellen oder herstellen lassen“, heißt es, laut Repórter Brasil, in dem Dokument, das Amazon an die SEC geschickt hat.
Microsoft behauptet unterdessen, einen „ganzheitlichen Ansatz zur verantwortungsvollen Beschaffung von Rohstoffen zu verfolgen und darauf hinzuarbeiten, dass in seinen Geräten Metalle verwendet werden, die nicht aus Konfliktgebieten stammen“.
Die Dachgesellschaft von Google LLC, namens „Alphabet“, erklärt in ihrem Jahresbericht aus dem Jahr 2021,[3] dass sie aktiv mit RMI zusammenarbeite und die Antworten der Zulieferer über des Musterberichts der Vereinigung hinaus überprüfe und überwache, so Repórter Brasil. „Wir haben nachgehakt, um Informationen zu finden, die unvollständig sind oder nicht mit den Informationen übereinstimmen, die wir vom Lieferanten erwarten würden“, heißt es in dem Jahresbericht von Alphabet Inc.
Bei dem 25-seitigen Bericht über Konfliktmineralien 2021 von Apple[4] wiederum unterstreicht der Konzern seine Ausrichtung an der Menschenrechtspolitik. Apple erklärt darin sein Engagement für den Umweltschutz und das Wohlergehen von Millionen von Menschen, die von deren Lieferkette betroffen sind, „vom Bergbau bis zu den Anlagen, in denen die Produkte zusammengebaut werden“, so Repórter Brasil.
Christian Poirier, Koordinator von Amazon Watch, einer Organisation, die sich ebenfalls mit dem Sektor befasst, beklagt: „Hier im Norden sind wir Komplizen bei der Zerstörung des Goldabbaus in Brasilien“. Laut Repórter Brasil, ist Poirier der Meinung, dass trotz der Schwierigkeit der Rückverfolgbarkeit des Goldes wenig Druck für Verbesserungen und mehr Transparenz bestehe. In Bezug auf die großen Technologieunternehmen kommt er zu folgendem Schluss: „Vielleicht ist es an der Zeit, die Beweislast umzukehren: Können diese Unternehmen beweisen, dass sie nicht mit potenziell illegalen Goldlieferungen aus Brasilien in Verbindung stehen?“
*Dieser Artikel wurde von der originalen Reportage des brasilianischen Nachrichten- und Recherchedienstes Repórter Brasil aus dem Portugiesischen ins Deutsch von der GfbV-Referentin Eliane Fernandes angepasst. Die Reportage von Daniel Camargo mit der Zusammenarbeit von Mariana Della Barba und Gisele Lobato befindet sich unter der URL: https://reporterbrasil.org.br/2022/07/exclusivo-apple-google-microsoft-e-amazon-usaram-ouro-ilegal-de-terras-indigenas-brasileiras/
[1] Studie „Legalidade da Produção do Ouro no Brasil”, Editora IGC/UFMG 2021, URL: http://www.lagesa.org/wp-content/uploads/documents/Manzolli_Rajao_21_Ilegalidade%20cadeia%20do%20Ouro.pdf
[2] Giacomo Dogis Beteiligung an brasilianischen Bergbaufirmen: https://www.consultasocio.com/q/sa/giacomo-dogi
[3] Alphabet Inc., „Conflict Minerals Report” (2021): https://abc.xyz/investor/static/pdf/alphabet-2021-conflict-minerals-report.pdf?cache=6943e86[4] Apple, Conflict Minerals Report 2021, URL: https://www.apple.com/supplier-responsibility/pdf/Apple-Conflict-Minerals-Report.pdf