Indonesien wird hierzulande als Reiseziel immer beliebter. Doch abseits des Tourismus und fern der Öffentlichkeit werden in Westpapua Menschenrechte verletzt und die indigenen Bewohner unterdrückt. Jetzt hatten Vertreter von Vanuata, Tuvalu, Tonga, Nauru, den Marshallinseln und den Salomon Inseln versucht, die Vereinten Nationen zum Handeln zu bewegen.
von Alia Istarbadi; Foto: pixabay.com
Mit Bildern von traumhaften Sandstränden, faszinierenden Vulkanlandschaften, beeindruckenden Reisterrassen und einer artenreichen Tier- und Pflanzenwelt lockt die Tourismusbranche immer mehr Reisewillige nach Indonesien. Ausgerechnet diese paradiesisch anmutende Republik, welche als Vorbild „muslimischer Demokratie“ gilt, wurde nun bei der letzten UN-Generalversammlung von Vertretern verschiedener Inselstaaten des Pazifiks der Menschenrechtsmissachtung bezichtigt. Denn abseits der touristischen Gebiete brodelt seit Jahrzehnten ein Konflikt rund um die Region Westpapua, der sich immer weiter zuspitzt.
Auf den ersten Blick scheint es, als durchlebe die Republik seit einigen Jahren eine begrüßenswerte Entwicklung. Mit dem seit 2014 im Amt gewählten volksnahen Präsidenten Joko Widodo ist erstmalig kein Vertreter des indonesischen Militärs an der Macht. Als Hoffnungsträger ins Amt gewählt, nahm er sich vor Indonesien zu reformieren. Allerdings scheint Westpapua von seinem Reformkurs ausgeschlossen zu sein.
Die 1969 annektierte Region kämpft seit jeher für ihre Unabhängigkeit. Doch selbst friedliche Demonstrationen werden durch das indonesische Militär unterbunden, von den Protestierenden gestellte Forderungen mit willkürlichen Verhaftungen, Drohungen und Folter beantwortet. So kam es allein in den letzten anderthalb Jahren zu über 4.800 willkürlichen Verhaftungen. Trotz offizieller Reformbemühungen seitens der indonesischen Regierung scheinen in Westpapua nach wie vor die Regeln des Militärs zu gelten.
Hilda Heine, die Präsidentin der Marshallinseln, erhob nun die Forderung, dass der UN-Menschenrechtsrat eine Untersuchung der Umstände vor Ort durchführen solle. Bedenkt man, dass der Zugang in die Region selbst internationalen Organisationen wie dem Roten Kreuz oder Amnesty International verwehrt bleibt, eine durchaus willkommen zu heißende Forderung. Denn ein Einschreiten der UN ist längst überfällig. Eine Republik, die ihren Bürgern das Recht auf freie Meinungsäußerung und den Schutz vor Folter ausdrücklich in ihrer Verfassung zusichert, darf nicht zulassen, dass diese Rechte einer ganzen Region verwehrt bleiben. In Anbetracht der aktuellen Lage wird die Forderung wahrscheinlich aber nicht gehört werden. Nara Masista Rakhmatia, UN-Botschafterin Indonesiens, stritt die Anschuldigung vehement ab. Sie bezeichnete sie als Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten, welche die Souveränität Indonesiens infrage stelle.
“Menschenrechtsverletzungen in Westpapua und das Streben nach Selbstbestimmung von Westpapua sind zwei Seiten derselben Medaille”, sagte Solomon Islands Premierminister Manasseh Sogavare während der 71. UN-Generalversammlung.
Auch die Bekanntgabe, dass Indonesien 2017 Gastgeberland des UNESCO Welttags der Pressefreiheit sein wird, wirft weitere Fragen auf. Reporter ohne Grenzen hat Indonesien auf Platz 130 von 180 in ihrer Rangliste der Pressefreiheit 2016 gesetzt. (Reporter ohne Grenzen) Und jetzt soll dieses Land einen Tag gestalten, der sich jährlich am 3. Mai, also am Tag der Pressefreiheit, gegen die Verletzung von Informations- und Freiheitsrechten einsetzt? Zudem demonstrieren jedes Jahr am 1. Mai viele Indigene aus Westpapua. Es ist der Jahrestag der Annektierung ihrer Region. Und so protestieren sie jährlich gegen ihre Unterdrückung und klagen dabei auch die nicht vorhandene Pressefreiheit Westpapuas an. Denn bis heute ist es selbst für ausländische Journalisten nahezu unmöglich, in die Region einzureisen. Man darf also gespannt sein, wie sich Indonesien in Anbetracht dieser aufeinander treffenden Jubiläen inszenieren wird. Ein Funken Hoffnung hat die Situation: Vielleicht kann der Tag der Pressefreiheit die Aufmerksamkeit auf einen Konflikt lenken, der sonst von der Weltöffentlichkeit ignoriert wird.
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[Zur Autorin]
ALIA ISTARBADI studiert Kultur- und Sozialanthropologie sowie Religionswissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Bereits vorher hat sie Sonderpädagogik studiert und während ihres Studiums ein Praktikum bei der Dortmunder Mitternachtsmission e. V. absolviert. Während dieses Praktikums beschäftigte sich Alia besonders mit dem Thema Menschenhandel und möchte nach ihrem Studium ihre Erfahrungen im pädagogischen Bereich mit kultur- und sozialanthropologischen Aspekten verbinden.