Der Nationalpark Yasuní- Ein Paradies in Bedrohung

Am 20. August 2023 soll in Ecuador im Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl erneut in einem Referendum und einer Volksbefragung darüber abgestimmt werden, Bergbauaktivitäten und die Gewinnung von Öl in mehreren Regionen des Landes freizugeben. Hiervon wären einige besondere Ökosysteme betroffen, beispielsweise der Choco Andino, der letzte Wald rund um die Hauptstadt Quito. Vor allem soll das Yasuní-ITT-Feld (Ishpingo, Tambococha, Tiputini) freigegeben werden, da hierunter 20% des Öls des Landes liegen. Die Ölgewinnung in diesem und anderen Gebieten stellt eine große Bedrohung für die Natur und die dort lebenden indigenen Gemeinschaften dar.

von Maya Erb; Foto: MattHewitt | CC BY 2.0

Der Yasuní Nationalpark bildet die Heimat der Waorani-Indigenen – auch von den Tagaeri und den Taromenani, die zu den letzten Völkern in freiwilliger Isolation Ecuadors zählen. Sie sind auf eine intakte Umgebung angewiesen, da ihre Lebensweise auf dem Fischfang, der Jagd und auf der Ernte von Wildpflanzen beruht. Ecuador definiert sich in seiner Verfassung als plurinationaler und multikultureller Staat. Dies bedeutet, dass es innerhalb der Grenzen Ecuadors mehr als die ecuadorianische Nationalität gibt. Diese indigenen Nationalitäten werden dann wieder in Völker unterteilt. Beispielsweise gibt es die Kichwa-Nationalität in den Anden. Zu dieser Nationalität gehören unter anderem die Völker Salasaca, Saraguro und Chibuleo. Die Rechte der Natur und der indigenen Völker und Nationalitäten sind in der Verfassung des lateinamerikanischen Landes durch das „Buen Vivir“ (zu Deutsch „gutes Leben“) fest verankert trotzdem ist die Heimat dieser Menschen stetig durch illegalen Bergbau, Abholzung, Gewalt und den damit verbundenen Verunreinigungen bedroht.

Was macht den Nationalpark Yasuní so besonders?

Der Nationalpark Yasuní liegt im ecuadorianischen Regenwald, umfasst ein Gebiet von circa 9.820 Hektar Wald und gilt als Biodiversitäts-Hotspot. Als Biodiversitäts-Hotspots gelten Regionen der Erde, in denen viele endemische Tier- und Pflanzenarten vorkommen und welche aus diesen Gründen besonders bedroht sind. Diese Hotspots bedecken zwar nur 10% der Erde, allerdings leben hier 70% der gesamten Pflanzen- und Tierarten der Welt, viele von ihnen endemisch, was bedeutet, dass sie nur in diesem Bereich der Erde vorkommen. Außerdem ist der Regenwald im Yasuní eines der letzten unberührten Regenwälder, die auf der Erde noch bleiben. Aus diesen Gründen wurde der Yasuní Nationalpark von der UNESCO im Jahre 1989 zum Biosphärenreservat erklärt. Die unglaubliche Vielfalt lässt sich durch die geografische Lage des Parks erklären, welcher im Amazonasbecken genau an der Schnittstelle zwischen den Anden, dem Amazonas und den Flachlandregenwäldern liegt. Diese besondere Lage und Millionen von Jahren an Evolution haben dazu beigetragen, dass der Yasuní als einer der Höhepunkte von Biodiversität weltweit gilt und in vielen Kategorien Rekordzahlen aufzuweisen hat.
Der Nationalpark ist die Heimat von einer Vielzahl von unterschiedlichen Pflanzen- und Tierarten. Es wird geschätzt, dass auf einem Hektar des Yasuní Regenwaldes bis zu 655 verschiedene Baum- und Straucharten zu finden sind – das sind mehr als in den gesamten USA und Kanada zusammen. Außerdem gibt es mehr als 600 Vogelarten, was die Hälfte der Vögel des gesamten Landes ausmacht. Auch im Bereich der Reptilien, Amphibien und Säugetieren zählt der Nationalpark zu den Artenreichsten der Welt.

Foto: Geoff Gallice, CC BY 2.0

Der Kampf der Waorani gegen die Ölindustrie

Die Waorani sind ein indigenes Volk, welche im Osten Ecuadors leben. Der Yasuní Nationalpark bildet einen Teil ihrer Heimat. Sie bestehen aus 4.000 Personen und gehören zu den jüngst kontaktierten Völkern unserer Erde. Etwa die Hälfte der Waorani leben in freiwilliger Isolation. Die Lebensweise der Waorani beruht auf dem Fischfang, der Jagd und der Ernte von Wildpflanzen. Aus diesen Gründen ist es von unschätzbarem Wert dieses Gebiet zu schützen, vor allem für die in Isolation lebenden Völker.
Seit der Aufgabe der Yasuní-ITT-Initiative im Jahre 2013 hat die ecuadorianische Regierung Lizenzen zur Ölförderung auf diesem Gebiet freigegeben. Mit der Yasuní-ITT Initiative versuchte die Regierung einen Weg zu finden, das Öl im Boden zu lassen, in dem die internationale Gemeinschaft Ecuador im Gegenzug mindestens die Hälfte der erwarteten Einnahmen zahlen würde. Der globale Norden profitiere am meisten von den Ressourcen des globalen Südens, deshalb sollten diese Länder den Ausgleich für einen gemeinsamen Klimaschutz zahlen. Dies wurde von der internationalen Gemeinschaft, auch von Deutschland, abgelehnt, da andere Länder dies Ecuador gleichtun könnten. Seit des Scheiterns der Initiative intensivierte sich auch der Protest der Waorani und anderer indigener Aktivist*innen. Die Ölförderung auf indigenen Territorien verstößt gegen die Verfassung Ecuadors, in der die Rechte der indigenen Völker und Nationalitäten unter der Präambel des „Sumak Kawasay“ (Buen Vivir) festgehalten sind. Danach darf ohne vorangegangene freie, vorherige und informierte Konsultation (auch bekannt unter dem Kürzel FPIC) von indigenen Völkern keine Veränderung des Territoriums stattfinden.
Im Jahre 2019 kämpften die Waorani vor Gericht gegen eine Ausweitung der Erdölförderung auf ihrem Territorium. Die Regierung Ecuadors plante etwa 180.000 Hektar Land zur Auktion frei zu geben. Dagegen klagten die Waorani und argumentierten mit ihren verfassungsmäßigen Rechten als indigenes Volk. Eine vorangegangene Konsultation, Beratung und die Einwilligung der Waorani zur Erdölförderung auf ihrem Territorium habe es nicht gegeben, daher sei ein Eingreifen der Regierung nicht rechtens. Das Verfassungsgericht gab ihnen Recht und stoppte die Auktion auf dem Gebiet. Trotz dieses Erfolges hat sich die Situation der Waorani und anderer indigener Völker und Nationalitäten nicht verbessert. Verunreinigungen der Böden und Gewässer durch Ölfirmen wurden nicht behoben, illegale Ölförderungen und Holzfällerei bedrohen nach wie vor die Heimat dieser Menschen. Auch sind sie am meisten von Gewalt betroffen, die oftmals von Befürworter*innen der Ölindustrie kommt. Erst Anfang des Jahres wurde Eduardo Mendúa, ein Mitglied der Cofán Nationalität, ermordet, da er sich für seine Gemeinschaft gegen die Ölindustrie und den Raubbau auf ihrem Territorium eingesetzt hat.

Die Bedrohung durch die Volksbefragung

Am 20. August 2023 soll die ecuadorianische Bevölkerung neben der vorgezogenen Präsidentschaftswahl in einer Volksbefragung darüber abstimmen, ob das Erdöl unter dem Yasuní-ITT-Feld abgebaut wird. Dies würde die Zukunft und den Erhalt dieser einzigartigen Region, aber auch die Zukunft der Waorani und anderen indigenen Völkern sichern, die auf diesem Feld leben. Allerdings ist es nicht das erste Mal, dass Bemühungen hinsichtlich des Erhaltes des Yasunís zunichte gemacht werden. Im Jahre 2013 hatte sich das Kollektiv YASunidos für ein Referendum zum Erhalt des Yasuní-Regenwaldes eingesetzt. Hierfür wurden 750.000 Stimmen gesammelt, welche dann allerdings vom nationalen Wahlrat Ecuador (Consejo Nacional Electoral) zu 60% für ungültig deklariert wurden. Dadurch wurde die Volksabstimmung blockiert. Das Kollektiv klagte dagegen und Anfang diesen Jahres entschied das ecuadorianische Verfassungsgericht, dass das Referendum zulässig sei.
Obwohl dies als Erfolg zu werten ist, bedroht das Referendum die Zukunft dieser Region. Der neoliberale Präsident Guillermo Lasso und die Ölkonzerne verbreiten Angst in der Bevölkerung. Sie behaupten, dass das Land ohne das Öl im Yasuní bankrott gehen würde. Dies sorgt unter der Bevölkerung für Verunsicherung, da Ecuador von einer schweren Sicherheitskrise und den Folgen der Covid-Pandemie schwer gezeichnet ist. Expert*innen stellen dies jedoch in Frage. Professor Dr. Carlos Larrea von der Universität Andina Simón Bolívar hat die ursprüngliche Yasuní-ITT Initiative aus dem Jahr 2008 unter der Regierung von Rafael Correa unterstützt. Er gibt an, dass eine Ölförderung auf dem Yasuní-ITT Feld nicht rentabel wäre, da das Öl von schlechter Qualität sei. Wirtschaftlich rentiere sich das für das Land auch aufgrund der schwindenden Ressourcen und des Klimawandels nicht. Das Umweltkollektiv YASunidos betont, dass ein Eingreifen auf dem Territorium der in Isolation lebenden Völker einem Ethnozid gleichzusetzen sei, da so ihre gesamte Lebensgrundlage unwiderruflich zerstört würde.

Foto: Cancillería del Ecuador, CC BY-SA 2.0

Das Problem mit den Fragen – eine kleine Analyse

Bei den diesjährigen vorgezogenen Wahlen in Ecuador müssen die Menschen ihre*n neue*n Präsident*in wählen, das gesamte Parlament und über die Zukunft zwei besonderer Ökosysteme dieses Landes entscheiden. Wie bereits erwähnt geht es hierbei um den letzten Wald um die Region Quito nahe der Hauptstadt, dem Choco Andino und um die Zukunft des Öls unter dem Yasuní-ITT-Feld. Die Wahlen in Ecuador sind in der Theorie auf freiwilliger, demokratischer Basis, allerdings sieht dies in der Realität anders aus. Wenn eine Person beispielsweise aus dem Land ausreisen möchte, muss diese dafür auch eine Art Wahlausweis vorzeigen, welcher bestätigt, dass an der letzten Wahl teilgenommen wurde. Wenn dieser nicht vorgezeigt werden kann, drohen Strafen. Von einer freien und freiwilligen Wahl kann hier nicht die Rede sein.
Die Fragen, welche sich um den Choco Andino drehen, sind extra kompliziert formuliert. Statt eine Frage zu stellen, ob auf diesem Gebiet Ressourcen abgebaut werden sollen oder nicht, gibt es hierzu vier verschiedene Fragen, die sich alle auf das Gleiche beziehen. Als Beispiele dienen die ersten beiden Fragen:
„Sind Sie damit einverstanden, dass der Abbau von Metallerzen im handwerklichen Maßstab im Bereich von ökologischer, kultureller und nachhaltiger produktiver Bedeutung, der aus den Gebieten der Pfarreien Nono, Calacalí, Nanegal, Nanegalito, Gualea und Pacto besteht, die die Gemeinschaft des Chocó Andino bilden, verboten wird?“
„Sind Sie damit einverstanden, dass der Abbau von Metallerzen im kleinen Maßstab im Bereich von ökologischer, kultureller und nachhaltiger produktiver Bedeutung, der aus den Gebieten der Pfarreien Nono, Calacalí, Nanegal, Nanegalito, Gualea und Pacto besteht, die die Gemeinschaft des Chocó Andino bilden, verboten wird?“

Die Frage zum Yasuní ist ebenfalls nicht eindeutig definiert.
„Sind Sie damit einverstanden, dass die ecuadorianische Regierung das Rohöl des ITT, bekannt als Block 43, auf unbestimmte Zeit im Untergrund belässt?” Die Formulierung, Länge und Komplexität der Fragen löst Bedenken aus. Im Falle des Chocó Andinos werden die Fragen aufgeteilt in den Umfang der Mengen. Es wird also viermal die Frage gestellt, ob Ressourcen im ökologisch wertvollem Chocó Andino abgebaut werden dürfen. Bei der Frage zum Yasuní fehlt erstens komplett die Frage, ob im Yasuní abgebaut werden darf und zweitens gibt es nur den Bezug auf das ITT-Feld, welches sich zum Teil nicht mal im Naturschutzgebiet befindet. Außerdem ist die Definition von einer unbestimmten Zeit auch kritisch zu sehen, da auf diese Art die Ölförderung auf dem Yasuní-ITT-Feld nicht komplett verboten wird, sondern bestenfalls nur für eine unbestimmte Zeit. Dies löst die Probleme der indigenen Völker und Nationalitäten nicht, es gewährt ihnen nicht den Schutz vor dem Raubbau den sie verdienen und schiebt ihre Probleme nur auf einen unbestimmten Punkt in der Zukunft. Die Komplexität der Fragen, welche mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden sollen, ist ebenfalls kritisch zu betrachten. Wahlen in Ecuador nehmen meistens viel Zeit in Anspruch. Außerdem wird nicht nur für eine Sache gewählt, sondern für mehrere. Dies bedeutet, dass den Menschen ein kleiner Stapel ausgehändigt wird, den sie durcharbeiten müssen. Die Konzentration kann hierbei nach einiger Zeit nachlassen. In einem Land, in dem etwa 6% aller Menschen über 15-Jahre nicht lesen und schreiben können, sollten die Fragen so einfach wie nur möglich formuliert werden. Zusätzlich sind die höchsten Raten an Analphabet*innen Ecuadors in der indigenen Bevölkerung, vor allem in den andinen Provinzen Chimborazo, Cañar und Cotopaxi. In Zahlen sind das 764.610 Wähler*innen die nicht verstehen, was sie wählen. Eine Aufklärung diesbezüglich gibt es nicht, obwohl es ihre Territorien und ihre Schicksale sind, die von dieser Volksbefragung abhängen.
Die Kollektive YASunidos und Quito sin Minería haben über die sozialen Medien eine umfangreiche Aufklärungskampagne betrieben, um die Menschen über die perfiden Methoden der ecuadorianischen Regierung und der Konzerne aufzuklären, damit die Menschen in der Lage sind für ihre Interessen zu wählen.

Warum ist es wichtig sich auch in Deutschland für den Yasuní einzusetzen?

Obwohl Ecuador und der Yasuní-Regenwald weit weg von Deutschland sind, gibt es viele Gründe, weshalb es wichtig ist sich auch aus Deutschland für den Erhalt des Yasunís einzusetzen.
Die Zerstörung des Regenwaldes würde eine Reihe von Auswirkungen für die Umwelt nach sich ziehen. Durch die Abholzung würden unzählige Tonnen an Co2 freigesetzt werden. Dies würde die jetzt schon spürbaren Auswirkungen der Klimakrise auch bei uns in Deutschland noch bemerkbarer machen. Die Auswirkungen des Klimawandels sind immer spürbarer, weswegen es wichtig ist hier zusammen zu arbeiten und die Beschützer*innen unserer Regenwälder zu schützen. Außerdem erleben wir in der Gegenwart ein Massenaussterben von unzähligen Arten. Die Erhaltung eines Biodiversitäts-Hotspots wie dem Yasuní ist unabdingbar um dem Trend entgegen zu wirken. Ein weiterer wichtiger Grund ist der für die Forschung: der Yasuní-Regenwald ist die Heimat von unzähligen endemischen Arten, von denen vielen noch nicht erforscht wurden und potentiell einen großen Nutzen haben für die Entwicklung von neuer Medizin und Methoden, um Krankheiten zu bekämpfen. Wenn dieser einzigartige Ort zerstört wird, sterben mit ihm auch das potentielle Wissen und der Nutzen für uns als Menschen. Die biologische Vielfalt unserer Erde ist unser wichtigstes Erbe und von unschätzbarem Wert.

Quellen:
https://www.ecuadorenvivo.com/index.php/economia/item/164895-expertos-en-desacuerdo-sobre-pregunta-en-consulta-popular-sobre-yasuni
https://www.ecuavisa.com/noticias/quito/elecciones-ecuador-2023-estas-son-las-cuatro-preguntas-de-la-consulta-popular-por-el-choco-andino-EK5581655
https://www.primicias.ec/noticias/sociedad/analfabetas-ecuatorianos-mayores-leer-escribir/
https://www.ambiente.gob.ec/wp-content/uploads/downloads/2014/02/Saberes-
Waorani-ok-final-1.pdf

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