Mit allen Mitteln versucht Sudans regierender Militärrat, die Protestbewegung für mehr Demokratie und Gerechtigkeit mundtot zu machen und zu zerschlagen. So wurden Internet und soziale Medien seit der blutigen Niederschlagung der friedlichen Protestbewegung am 3. Juni 2019 auf Anordnung der Behörden abgeschaltet. So soll die Mobilisierung für neue öffentliche Proteste und der Informationsaustausch in der Zivilbevölkerung erschwert werden. Es ist ein schwerwiegender Eingriff in die Meinungsfreiheit, der auch die Wirtschaft des ohnehin wirtschaftlich am Abgrund stehenden Landes schwer trifft. Denn jeder Tag der Internetsperre kostet Sudans Betriebe Millionen Euro, weil Handel, Banken und Industrie ohne Zugang zum Internet nicht effektiv arbeiten können.
von Ulrich Delius, GfbV-Direktor; Foto: Nina R via Flickr
Zwar klagte ein Rechtsanwalt gegen die Zwangsmaßnahme und erreichte, dass ein lokales Gericht in Khartum die Aufhebung der Internetsperre forderte. Doch nichts deutet darauf hin, dass der Militärrat bereit ist, sich dem Gerichtsurteil zu beugen.
Mit der Internetsperre sollte auch ein Mantel des Schweigens über das Massaker vom 3. Juni gelegt werden, dass die Menschen im Sudan noch immer sehr bewegt. Denn es war typisch für das Morden und die Willkürherrschaft von Milizen. Die Demokratiebewegung fürchtet diesen „tiefen Staat“ noch viel mehr als die Armee, da seit der Gründung der berüchtigten „Rapid Support Forces (RSF)“ vor fünf Jahren kaum eine Woche vergeht, in der nicht Massaker und Übergriffe der RSF auf die Zivilbevölkerung in verschiedensten Landesteilen gemeldet werden.
Blutbad soll Machterhalt sichern
Trotz erzwungener Funkstille im Netz berichteten inzwischen viele Augenzeugen, wie RSF-Milizionäre am 3. Juni brutal gegen die Sitzblockaden vor dem Armee-Hauptquartier vorgingen. Videos dokumentieren, wie auf wehrlose Demonstranten eingeprügelt wurde, während der Straßenrand schon von Leichen gesäumt war. Mindestens 128 Menschen wurden bei dem Massaker getötet, Hunderte wurden verletzt oder verhaftet. Allein im Nil fand man 40 Leichen. Mehr als 70 Frauen und Männer berichteten über Vergewaltigungen durch Sicherheitskräfte.
Anfangs bestritt die Führung der Sicherheitskräfte jede Verantwortung für das Blutbad. Einige Soldaten hätten überreagiert, hieß es verharmlosend aus der Armee. Doch schließlich musste die Armeeführung einräumen, dass das gewaltsame Vorgehen offiziell angeordnet worden war. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Michelle Bachelet zeigte sich empört und forderte eine unabhängige internationale Untersuchung. Doch davon wollen Sudans Machthaber nichts wissen.
Seit Monaten gehen sie gezielt gegen Journalisten vor, um eine Berichterstattung über die Proteste zu verhindern. Mehr als hundert Übergriffe auf Medien wurden seit Beginn der Proteste im Dezember 2018 gezählt. Mindestens 66 Journalisten wurden festgenommen. So wie Mohamed Latif, der Journalisten ausbildet. Seit dem 15. Juni wird er jeden Tag mindestens fünf Stunden lang vom Geheimdienst NISS verhört. Obwohl der Militärrat vollmundig angekündigt hatte, den wegen Folter und Misshandlungen berüchtigten NISS umzustrukturieren, sind die Methoden des Sicherheitsapparates noch immer die gleichen wie unter Diktator Bashir. So wurden im Mai gezielt Heckenschützen auf Nachbargebäuden um das umlagerte Armee-Hauptquartier postiert, um Menschen anzuschießen und einzuschüchtern, die mit Foto-Handy’s Videos und Fotos von den Protesten festhielten. Auch wurde das Büro des arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera geschlossen. Ein sehr eigenwilliger Umgang mit Presse- und Meinungsfreiheit!
Charme-Offensive mit Blut an den Händen
Von den internationalen Protesten gegen das Blutbad aufgeschreckt, buhlen Militärs und Milizen nun mit einer Charme-Offensive um ein besseres Ansehen. So verkündete der RSF-Kommandeur Hemeti eine landesweite Amnestie für alle Kämpfer von Widerstandsgruppen. Sie gilt aber nicht für die mehr als 650 Personen, die bei der Niederschlagung der Protestbewegung am 3. Juni festgenommen wurden. RSF-Milizionäre, die noch vor kurzem mordeten, verteilen nun Wasser und Datteln an Passanten.
Doch die Protestbewegung werden sie so nicht ruhigstellen können. Sie weiß, dass es mit Hemeti kein Ende von Willkür und Menschenrechtsverletzungen geben wird. Schon heute führt er sich auf wie sein politischer Ziehvater Diktator Bashir. So lässt er sich wie der entmachtete Autokrat mit einem Furcht einflößenden Stock in der Hand von bestellten Claquören öffentlich feiern. Die Demokratiebewegung macht weiter und organisiert in allen Landesteilen Proteste, um die Einsetzung einer zivilen Regierung zu fordern. Ärztinnen und Ärzte organisierten am letzten Dienstag Mahnwachen im ganzen Land, auf denen gefordert wurde, die Verantwortlichen für das Massaker zur Rechenschaft zu ziehen. Dies wird auch bei einer geplanten Großdemonstration in Khartum am 30. Juni 2019 eine der wichtigsten Forderungen sein.
Sudans Demokratiebewegung braucht heute mehr denn je zuvor internationale Unterstützung. Die internationale Öffentlichkeit darf nicht wegschauen, wenn Sudans mutige Protestbewegung mundtot gemacht wird. Die Reaktionen des regierenden Militärrates zeigen, dass in Khartum genau verfolgt wird, wie die Weltöffentlichkeit auf die Politik von Zuckerbrot und Peitsche reagiert.