Zur Rolle Deutschlands bei Menschenrechtsverletzungen und internationalen Rechtsbrüchen in afrikanischen Ländern.
Ein kleiner Auszug.
Man glaubt es kaum: Auch die deutsche Regierung bricht aktiv internationale Richtlinien. Sie macht sich außerdem der Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen von internationalem Recht mitschuldig. Und das gerade auch im Globalen Süden und besonders auf unserem südlichen Nachbarkontinent. Was den afrikanischen Kontinent betrifft, scheint der deutsche Staat hinter verschlossenen Türen so vorzugehen, wie er es aus kolonialer Manier gewohnt ist: autoritär, profitorientiert und menschenverachtend.
Von Nadja Grossenbacher, Foto: Charles Asik CC BY 2.0 / flickr
Internationaler Rechtsbruch bei der Genozid-Aufarbeitung
Zwei der Fälle, in denen die Bundesregierung derzeit direkt oder indirekt in internationale Rechtsbrüche verwickelt ist, haben mit Ländern zu tun, die eine deutsche Kolonialgeschichte aufweisen: Namibia und Tansania. Ersteres betreffend ist die Bundesregierung seit Jahren dabei, Verhandlungen mit dem namibischen Staat bezüglich des verheerenden Genozids von 1904-1908 zu führen. Zu jener Zeit haben die deutschen „Schutztruppen“ Schätzungen zufolge 80% der Herero und 50% der Nama ausgelöscht.
Doch allein schon die Wahl des Verhandlungspartners ist nicht mit der UN-Richtlinie[1] konform, die es vorschreibt, dass direkt mit den tatsächlichen Opfern verhandelt werden muss. Anstatt die UN-Vorgaben[2] einzuhalten und mit den Betroffenen – oder in diesem Fall den Nachfahren der Betroffenen – zu verhandeln, zieht es die deutsche Regierung vor, lediglich mit dem namibischen Staat in den Austausch zu gehen. Der internationalen Richtlinie zufolge dürfe eine Zahlung an den jeweiligen Staat nur in dem Ausnahmefall passieren, in dem der Staat selbst die betroffene Bevölkerungsgruppe bereits entsprechend entschädigt hätte.[3] Dies ist im heutigen Namibia jedoch nicht geschehen.
Ganz zu schweigen davon, dass laut denselben Richtlinien eigentlich tatsächliche Reparationszahlungen geleistet werden müssten, was laut dem derzeitigen Verhandlungsstand ebenso wenig der Fall ist. Denn die Bundesregierung ist offenbar bis heute nicht dazu bereit, den Völkermord an den Herero und den Nama im juristischen Sinne anzuerkennen. Vielmehr hat sie noch vor nicht allzu langer Zeit auf rassistischer Basis argumentiert, warum es sich im rechtlichen Sinne nicht um einen Völkermord gehandelt habe.[4]
Deutsche Mitfinanzierung von Menschenrechtsverletzungen in Tansania?
In Tansania begehen staatliche Sicherheitskräfte außerdem Menschenrechtsverletzungen an den Maasai, die aus ihrer Heimat in Loliondo im Norden des Landes vertrieben werden. Dies geschieht unter dem Deckmantel des Naturschutzes. An Letzterem beteiligt sich der deutsche Staat finanziell: Mit über 80 Millionen Euro[5] unterstützt Deutschland verschiedene Naturschutzprojekte in Tansania. Darunter fällt auch das vom BMZ in Auftrag gegebene Projekt „Nachhaltige Entwicklung des Serengeti-Ökosystems“[6], welches unter anderem die Ausrüstung und Infrastruktur der Serengeti Nationalparkverwaltung beinhaltet. Gegen Ranger exakt dieses Nationalparks gab es schon vor Jahren Vorwürfe[7], Häuser der Maasai niedergebrannt zu haben. Und die Tanzania National Parks Authority (TANAPA), ebenfalls bereits in der Vergangenheit der Menschenrechtsverletzungen bezichtigt[8], wird von der ZFG (Zoologische Gesellschaft Frankfurt) mit einer Million Euro „bei der Implementierung von Maßnahmen zum Biodiversitätserhalt und zur nachhaltigen Ressourcennutzung unterstützt“. Und diese Maßnahmen zum vermeintlichen Biodiversitätserhalten beinhalten auf tansanischem Boden augenscheinlich Vertreibungen und Angriffe auf die Zivilbevölkerung, obwohl es wissenschaftlich längst widerlegt ist, dass die Abwesenheit von indigenen Gemeinschaften zu einer Verbesserung der Biodiversität führen würde.
Sympathien mit der Okkupationsmacht? Der Fall Westsahara.
Das ist allerdings bei Weitem nicht der einzige Fall, in dem die Bundesregierung es offenbar nicht scheut, wissentlich mit der Täterseite zusammenzuarbeiten oder diese finanziell zu unterstützen. Während der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine zurecht scharf kritisiert wird, scheint eine laut dem Völkerrecht illegale Okkupation ein weit kleineres Problem darzustellen, wenn sich das besetzte Gebiet auf afrikanischem Boden befindet. Ähnliches gilt offenbar für die Zusammenarbeit mit einer Besatzungsmacht. Denn mit dem Besatzer der seit 1975 völkerrechtswidrig okkupierten Westsahara,[9] Marokko, wünsche sich die Bundesregierung „eine langfristige und verlässliche Zusammenarbeit“, was „fortschrittliche Energiepolitik“[10] beträfe.
Energiekrise als Grund?
Im Zuge der Energiekrise in Europa soll nun wohl mitunter auf „marokkanische“ Ressourcen zurückgegriffen werden. Doch inwiefern kann überhaupt sichergestellt werden, dass es sich bei der Zusammenarbeit mit Marokko tatsächlich um marokkanische und nicht westsaharuanische Ressourcen handelt? Solche Übereinkünfte sind offensichtlich schon in der Vergangenheit schiefgelaufen. Ein Beispiel dafür wären etwa die Importe von Fischmehl nach Deutschland, die laut „Westsahara Ressource Watch“ (WSRW) der Westsahara entstammten[11]. Dabei sei offiziell Marokko als Herkunftsland angegeben worden.
„Profit before People“?
Außerdem hat laut der Bundesregierung selbst mindestens eine deutsche Firma[12] einen Tochterstandort auf saharauischem Boden. Darüber hinaus beteiligen sich laut WSRW[13] auch deutsche Firmen an Geschäften zwischen der EU und der Besatzungsmacht Marokko[14] um die Ressourcen der Westsahara. Eben solche Geschäfte saharauische Ressourcen betreffend, etwa Verhandlungen über Fischereirechte vor der Küste der Westsahara, dürften eigentlich nicht mit Marokko geführt werden, wie auch der EuG (Gericht der Europäischen Union) bekräftigte.
Apropos Ressourcen – auch andere afrikanische Länder betreffend scheinen Import und Export von und nach Deutschland, wie andere es ausdrücken mögen, „nicht risikofrei“ zu verlaufen. Ein Beispiel dafür wären beispielsweise Vorwürfe aus der Vergangenheit, dass deutsche Unternehmen etwa Coltan aus dem Osten der DR Kongo kaufen würden. Bis heute kann nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass das nicht noch immer geschieht.[15] Was problematisch daran ist? Dass sich Milizen, die vor Ort Teile der lokalen Bevölkerung niedermetzeln, mitunter durch Coltan-Minen finanzieren.[16] Übrigens: auch Waffen, die einst ursprünglich in Deutschland hergestellt wurden, scheinen über Umwege in die DR Kongo gelangt zu sein. Diese Dinge sind zwar nicht zwingend ein offizieller Völkerrechtsbruch, aber dennoch moralisch sehr stark anzuzweifeln.
Fazit
Die deutsche Regierung verstößt also im Falle der Aufarbeitung des Genozids an den Herero und den Nama gegen internationales Recht. Zusätzlich ist der deutsche Staat in unterschiedlicher Form in schwere Menschenrechtsverletzungen andernorts involviert – etwa durch Mitfinanzierung oder Ressourcennutzung. Offenbar ist Deutschland also dazu bereit, hie und da mal ein Auge zuzudrücken, wenn es um Menschenrechtsverletzungen oder das internationale Rechtssystem geht. Wir bei der GfbV sind das aber nicht. Und du?
Was kannst du tun?
Du findest die oben genannten Beispiele und viele mehr auch unrechtmäßig? Gut! Du willst etwas dagegen unternehmen? Umso besser!
Hier ein paar Ideen, was du tun könntest, um auf deine individuelle Art und Weise gegen diese und andere Ungerechtigkeiten zu kämpfen:
- Informiere dich über die genannten Fälle und sprich mit Freund*innen, Bekannten und deiner Familie darüber.
- Werde aktiv und verfasse Schreiben an Politiker*innen sowie Entscheidungsträger*innen, in welchen du deine Forderungen stellst.
- Folge uns und anderen Organisationen und Aktivist*innen auf Social Media und nutze das Internet, um auf Missstände und Rechtsbrüche aufmerksam zu machen.
- Unterzeichne Petitionen zu den jeweiligen Themen.
- Geh auf die Straße – mit uns oder mit anderen Aktivist*innen.
- Die Sache mit den Ressourcen hat dich aufgeregt? Dann versuch, eben diese Ressourcen nicht oder weniger zu nutzen. Iss keinen Fisch, oder, wenn doch, achte darauf, dass nicht „Marokko“ als Herkunftsland angegeben ist. Richte deine Aufmerksamkeit beim Kauf elektronischer Geräte auch darauf, wo die Ressourcen dafür herkommen – wie wäre es beim nächsten Handykauf zum Beispiel mit einem Fairphone oder einem recycelten Mobiltelefon?
- Engagier dich – vielleicht gibt es ja ein Ehrenamt, das dir Erfüllung bringt?
- Dir gefällt unsere Arbeit? Unterstütze uns gerne mit einer Spende.
[1] https://www.ohchr.org/en/instruments-mechanisms/instruments/basic-principles-and-guidelines-right-remedy-and-reparation
[2] https://www.ohchr.org/en/instruments-mechanisms/instruments/basic-principles-and-guidelines-right-remedy-and-reparation
[3] Grobe Zusammenfassung siehe IX Reparations 15) hier: https://www.ohchr.org/en/instruments-mechanisms/instruments/basic-principles-and-guidelines-right-remedy-and-reparation
[4] https://www.ecchr.eu/publikation/dekoloniale-rechtskritik-und-rechtspraxis/
[5] https://www.cornelia-moehring.de/wp-content/uploads/2022/06/Antwort-auf-Schriftliche-Frage-Nr.-6-160-und-6-161_geschwaerzt.pdf
[6] https://www.kfw-entwicklungsbank.de/ipfz/Projektdatenbank/Nachhaltige-Entwicklung-Serengeti-Oekosystem-28820.htm
[7] https://www.researchgate.net/figure/SENAPA-rangers-burning-Maasai-houses-in-Ololosokwan-a-village-in-Loliondo-source_fig1_341489899 & https://reliefweb.int/report/united-republic-tanzania/forced-evictions-rights-abuses-maasai-people-tanzania
[8] https://www.culturalsurvival.org/news/eviction-maasai-continues-loliondo-tanzania & https://www.iwgia.org/images/publications/0727_Report_23_Tanzania_for_eb.pdf
[9] https://www.gfbv.de/de/informieren/laender-regionen-und-voelker/laender-und-regionen/westsahara/
[10] https://dserver.bundestag.de/btd/20/044/2004495.pdf
[11] https://wsrw.org/de/archive/4513
[12] 31d hier: https://dserver.bundestag.de/btd/19/271/1927150.pdf
[13] https://wsrw.org/de/nachrichten/sahrauis-in-deutschland-kritisieren-siemens-conti-dhl-and-co
[14] https://wsrw.org/de/nachrichten/sahrauis-in-deutschland-kritisieren-siemens-conti-dhl-and-co
[15] Seiten 24-25 im Banyamulenge-Report. https://www.gfbv.de/fileadmin/redaktion/Publikationen_Dokumente/2022/ReportBanyamulenge032022.pdf
[16] https://www.ipg-journal.de/regionen/global/artikel/gefaehrliche-ware-4921/