Ukraine/Russland: Chronik der Ereignisse im Januar 2017

Sarah Reinke, unsere Russland-Spezialistin und Leiterin des Berliner GfbV-Büros, dokumentiert auf unserem Blog seit September 2014 jeden Monat die Menschenrechtssituation in Russland und der Ukraine. Alle Chroniken im Überblick gibt es hier: Russland-Ukraine-Chronik

Foto: Viktord50 via iStock

26.01.2017

Anwälte von Krimtataren verhaftet

Der Anwalt Emil Kurbedinov, der viele Krimtataren, die aus politischen Gründen verhaftet wurden, auf der Krim vertritt, wurde heute festgenommen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Edem Semedljaev fuhr er gerade zu dem Haus von Seiran Saliev, einem Krimtataren, in dessen Haus eine Razzia stattfand. Ihr Wagen wurde gestoppt, Polizisten in Masken nahmen Kurbedinov mit.

Während Kurbedinov festgehalten wurde, durchsuchten Einsatzkräfte das Büro von ihm und seinem Geschäftspartner Semedljaev. Papiere, Computer und wichtige Dokumente wurden mitgenommen. Auch fand eine Durchsuchung im Haus der Familie Kurbedinov statt. Spezialeinsatzkräfte haben sogar zeitweise verboten, dass der herbeigerufene Anwalt Dzemisch Temischew das Haus während der Durchsuchung betreten darf.

Erst gestern wurde der russische Anwalt Nikolai Polozov festgenommen, als er den krimtatarischen Politiker Ilmi Umerov verteidigen wollte. Polozov und Kurbedinov sind die wenigen Anwälte, die überhaupt diese politisch hoch brisanten Fälle übernehmen. Sie werden dafür seit Monaten drangsaliert und bedroht.

24.01.2017

2016 mehr Anschläge gegen ukrainische Kirchen

In der Ukraine gab es 2016 mehr Anschläge auf Kirchen als in den Jahren zuvor. Allein auf die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats wurden 13 Anschläge verübt, wie das Patriarchat bekannt gab. Auch auf Kirchen des Kiewer Patriarchats und auf katholische Kirchen wurden in den Kriegsgebieten im Donbass Anschläge durch pro-russische Separatisten verübt, wie das ukrainische Nachrichtenportal Risu berichtet. Die schlimmste Situation erleben die Kirchen jedoch auf der Halbinsel Krim, die durch Russland unrechtmäßig annektiert wurde. Dort wurden mehrere Kirchen geschlossen.

Das komplizierte Verhältnis zwischen den verschiedenen orthodoxen Kirchen in der Ukraine hat auch zu Spannungen zwischen dem russischen Außenministerium und der Regierung in Kiew geführt. Neben der orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchates gibt es in der Ukraine noch zwei weitere große orthodoxe Kirchen: die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchates und die ukrainisch-orthodoxe autokephale Kirche, deren Sitz ebenfalls in Kiew ist.

24.01.2017

Pro-ukrainischer Journalist Semena vor Verurteilung? PACE fordert Freiheit

Dem Journalisten Mykola Semena, der auf der Krim lebte und für die friedliche Blockade der Halbinsel im Herbst 2015 eintrat, indem er einen Text mit dem Titel „Die Blockade ist der notwendige erste Schritt zur Befreiung der Krim“ veröffentlichte, drohen bis zu fünf Jahren Haft in Russland. Dagegen protestierte die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) und forderte, wie das zuvor auf die Beauftragte für Medienfreiheit der OSZE getan hatte, die Freilassung Semenas.

23.01.2017

Wolodymir Baluch eventuell in Untersuchungshaft misshandelt

Bei einer Gerichtsanhörung konnte der Anwalt seinen Mandanten Wolodymir Baluch zum ersten Mal persönlich sehen. Er sagte aus, dass dieser Gewalt ausgesetzt gewesen sei. Er selbst und die Menschenrechtsgruppe Krim baten darum, dass die ukrainische Menschenrechtsbeauftragte Waleria Lutkowska friedlicher Pro-Ukraine Aktivist sei Wolodymir Baluch besuchen darf. Baluch war am 8.12.2016 festgenommen worden, nachdem der Geheimdienst FSB in seiner Wohnung eine Hausdurchsuchung vorgenommen hatte. Der FSB gab an, dass er dabei 90 Schuss Munition gefunden habe. Doch alle Zeugen bestätigen, dass Baluch ein friedlicher pro-Ukraine Aktivist sei. Ihm sei die Munition untergeschoben worden. Da Wolodymir an mehreren chronischen Krankheiten leidet, ist die Unterbringung in der Untersuchungshaftanstalt für ihn gesundheitsgefährdend.

19.01.2017

Aktion zur Unterstützung gefangener Krimtataren in St. Petersburg

Aktivisten der Oppositionsgruppe 18 haben gestern im Zentrum von St. Petersburg für die Freilassung der inhaftierten Krimtataren demonstriert. Emir Husein Kuku, Enver Bekirov, Muslim Aliev und Vadym Siruk sollen freigelassen werden, forderten sie auf Transparenten. Weiter war zu lesen „Von Stalin zu Putin: Die Verbrechen gegen Krimtataren dauern an. Krimtataren heute: Hausdurchsuchung, Verhaftungen, Deporationen, Nein zum Genozid!“ Dies war schon die dritte Aktion der Gruppe für die Krimtataren.

19.01.2017

Wortbruch vorgeworfen

Die Verhandlungen zur Umsetzung der Minsker Vereinbarung stocken. Die ukrainische Seite wirft den so genannten Separatisten Wortbruch und Hinhaltetaktik vor. Zum Beispiel tauchen immer neue Listen von Gefangenen auf, die sie im Austausch mit der Gegenseite freizulassen bereit wären. Der Name des Theologen Ihor Kozlovsky steht auf keiner dieser Listen, obwohl er schon seit fast einen Jahr in der Gewalt der momentanen Machthaber in der Region ist. Er wurde Ende Januar 2016 in Donetsk entführt. Kozlovsky war Dozent an der Universität und für sein Engagement für den interreligiösen Dialog bekannt. Der 60-Jährige war in Donetsk geblieben, um für seinen behinderten Sohn zu sorgen. Auf der neuen Liste stehen 700 Namen, doch auch weitere von deren Entführung die ukrainische Seite weiß, fehlen. Im Gegenzug soll die Ukraine Personen freilassen, die zum Teil wegen schwerer Verbrechen angeklagt werden. Andere Namen auf der Liste der geforderten Freilassungen sind die ukrainischen Behörden vollkommen unbekannt. Im September 2016 hatte die Ukraine eingewilligt 228 Personen im Gegenzug für 42 Personen frei zu lassen. Bis heute wurden von diesen 228 etliche freigelassen aber keine der von der ukrainischen Seite geforderten 42 Menschen, die sich in der Gewalt der Separatisten befinden. Die ukrainische Regierung wirft Russland vor, die Minsker Verhandlungen durch solche Spiele zu untergraben und den ganzen Vertrag zu diskreditieren. So solle auf Zeit gespielt werden, in der Hoffnung, dass die EU-Sanktionen beendet oder aufgeweicht werden, obwohl Russland den Minsker Vertrag nicht einhält.

 Hier finden Sie aktuelle Berichte über die Lage vor Ort, veröffentlicht auf Deutsch.

18.01.2017

Untersuchung gegen ehemaligen Lehrer aus Orjol eingeleitet

Die russischen Behörden habe eine neue Untersuchung gegen den ehemaligen Lehrer Aleksandr Byschew eingeleitet. Ihm wurde wegen eines „pro-ukrainischen“ Gedichts die „Verbreitung interethnischen Hasses“ vorgeworfen, er war daraufhin aus dem Schuldienst entlassen worden und musste 300 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten. Linguisten sollen sein Gedicht „An die Ukrainischen Patrioten“, das er 2015 veröffentlicht hatte, nochmals prüfen, es drohen neue Strafen.

16.01.2017

Große Versammlung im tschetschenischen Kurchaloj

In Kurchaloj, dem Ort, wo wenige Tage zuvor fünf mutmaßliche Terroristen festgenommen worden waren, fand eine Versammlung statt. Diese Versammlung beschloss, Familien mutmaßlicher Terroristen aus Tschetschenien auszuweisen. Nach offiziellen Angaben hatten Hunderte Personen an dieser Versammlung teilgenommen. Eltern wurden aufgefordert, ihre Kinder streng zu kontrollieren, daneben, so die Angaben der örtlichen Verwaltung sei die Entscheidung getroffen worden, Familienmitglieder von Terroristen aus der Republik auszuweisen.

12.01.2017

Krim: Zur Kündigung gezwungen

Nach Hausdurchsuchungen und einer kurzfristigen Festnahme wurde dem ukrainischen Aktivisten, der auf der Krim lebt, von seinem Arbeitgeber nahe gelegt, freiwillig zu kündigen. Das Unternehmen, das Baumaterial verkauft, begründete den Schritt damit, dass nach einer Durchsuchung des Unternehmens 2014 durch den Geheimdienst FSB die Arbeit praktisch zwei Wochen lang liegen geblieben war. Dies wolle man nicht noch einmal riskieren. Auch seine Schwiegermutter, die als Buchhalterin in einer Öl- und Gasfirma arbeitet, solle kündigen. Sie hatte von den Hausdurchsuchungen berichtet in der Hoffnung auf Mitgefühl ihrer Kollegen. Stattdessen wurde ihr sofort nahe gelegt, einen Kündigungsbrief zu schreiben. Andrej Winogradov, ein Aktivist des Ukrainischen Kulturzentrums auf der Krim war am 12. Januar 2017 gemeinsam mit seiner Frau vom Geheimdienst FSB in Simferopol festgenommen und verhört worden.

10.01.2017

Größte Razzia in Tschetschenien in den letzten Jahren

Südöstlich von Grosny wurden in acht Städten und Dörfern mindestens 10, eventuell aber auch mehr Männer getötet und bis zu 100 festgenommen. Am 15. Januar wurde ein enger Mitarbeiter, ein Personenschützer Kadyrows exekutiert, nachdem er des Verrats bezichtigt wurde. Wie so oft im Falle Tschetschenien bleiben die konkreten Fakten im Hintergrund. Nach Aussagen von Ramzan Kadyrow sollte eine Gruppe junger Männer vernichtet werden, die Angriffe auf die Sicherheitsbehörden geplant hätten. In der Nacht vom 10. auf den 11. Januar wurde das Dorf Tsotsin-Jurt komplett abgeriegelt, die Sicherheitsbehörden durchsuchten Haus für Haus und nahmen 21 Männer fest, alle bis auf einen wurden später frei gelassen. 35 Männer wurden in Geldagan festgenommen, weitere in den Dörfern Mayrtup und Bachi-Jurt. Am 11. Januar berichteten Zeugen über Artilleriebeschuss zwischen Geldagan und Kurchaloy, nach Kadyrows Angaben sollen dabei vier Kämpfer und ein Polizist getötet worden, ein weiterer Kämpfer soll entkommen und wenige Tage später in Grosny festgenommen worden sein. Erst wiederum Tage später behauptete die tschetschenische Regierung, es handelte sich um IS-Terroristen. Andere Quellen jedoch gehen davon aus, dass die Männer willkürlich festgenommen wurden. Ein Zeuge sagte gegenüber der Gesellschaft für bedrohte Völker, die jungen Männer seien im Vorfeld angesprochen worden, sie seien dazu provoziert worden, eine kritische Meinung Kadyrow und seinem System gegenüber zu äußern.

10.01.2017

Denkmal für die Opfer eines Nazi Massakers im Westen der Ukraine stark beschädigt

Die Polizei gab im westukrainischen Dorf Huta Peniastska in der Region Lviv bekannt, sie untersuche die Zerstörung des Denkmals. Ein Steinkreuz wurde in Stücke geschlagen, zwei Monumente, auf denen die Namen der rund 900 Opfer aufgelistet waren, wurden mit einer ukrainischen Flagge, nationalistischen ukrainischen Symbolen und Nazi Emblemen beschmiert. Die meisten der Opfer waren ethnische Polen. Der polnische Außenminister forderte eine lückenlose Aufklärung der Straftat. Das Massaker wurde von eine Nazi Einheit begangen, die vornehmlich aus Ukrainischen Freiwilligen bestand. Im Februar 2017 sollten Gedenkfeierlichkeiten zum 73. Jahrestag des Massakers begangen werden, an denen der polnische Botschafter in der Ukraine teilnehmen möchte.

10.01.2017

Polizei und Geheimdienst führen massenhafte Kontrollen in Tschetschenien durch

Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden in den Orten Kurchaloj, Schali, Zozi-evle und anderen Dörfern haben über 100 junge Menschen kontrolliert. Sie haben die Identität überprüft und sich dann die Mobiltelefone geben lassen, um sie auf Inhalte zu kontrollieren, die in Tschetschenien nicht willkommen sind. Das ist gegen die russische Gesetzgebung. 22 Personen wurden festgenommen. Am 12. Januar veröffentlichte die „Novaja Gazeta“ die Namen der Verhafteten. Es kam darüber hinaus zu Schusswechseln in der Region Kurchaloj, dabei soll nach offiziellen Angaben eine Person getötet worden sein.

10.01.2017

Duma „entkriminalisiert“ häusliche Gewalt

Das russische Parlament, die Duma, hat in erster Lesung ein Gesetz beschlossen, das häusliche Gewalt nicht mehr als Straftat, sondern als bloße Ordnungswidrigkeit einstuft. Ein Strafverfahren würde demnach erst eingeleitet werden können, wenn Schläge innerhalb von Familien mehr als einmal pro Jahr stattfinden.
Offizielle Statistiken geben an, dass 40 Prozent aller Gewaltverbrechen innerhalb von Familien begangen werden. Jeden Tag werden 36.000 Frauen von ihren Männern geschlagen, jedes Jahr werden 26.000 Kinder von ihren Eltern angegriffen.
Eine zivile Organisation zum Schutz von Opfern häuslicher Gewalt schätzt, dass mehr als 14.000 Frauen pro Jahr an den Folgen häuslicher Gewalt sterben.

09.01.2017

70 Fälle von Menschenrechtsverletzungen im Dezember 2016 auf der Krim

Das Zentrum für „krimtatarische Ressourcen“ hat im Dezember 2016 70 Fälle von Menschenrechtsverletzungen auf der Krim dokumentiert. Jeden Monat veröffentlicht das Portal, das in Kiew ansässig ist, eine Zusammenstellung. Zudem kann man hier Hinweise auf Verhaltensregeln etwa im Falle von Hausdurchsuchungen oder Festnahmen finden. Die Organisation wird von dem langjährigen krimtatarischen Aktivisten und Politiker Eskender Bariiev geleitet.

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