Am Mittwoch dem 21. März fand im Victor-Gollancz-Haus für Menschenrechte der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ein Diskussionsabend unter dem Motto „Syrien ein Jahr nach Beginn des Aufstands – Eine Analyse der aktuellen Lage“ statt.
Dr. Kamal Sido der Nahostreferent der GfbV stellte die aktuelle Lage in Syrien dar.
Von Lennard Schlöffel; Foto: GfbV-Archiv
Er begann mit der Selbstverbrennung eines jungen Tunesiers, dessen Tat einer der Auslöser für den Umsturz in Tunesien war und als so genannter “Arabischer Frühling” auf andere Länder in Nordafrika und im Nahen Osten überschlugen.
Trotz unverminderter Brutalität des syrischen Regimes, das seit März 2011 Panzer, Artillerie, Raketenwerfer und Hubschrauber gegen die eigene Bevölkerung einsetzt, gelingt es dem Diktator nicht, die Proteste niederzuschlagen. Auch die Aufständischen sind nicht im Stande, die Diktatur zu Fall zu bringen. Laut UN sollen bisher mindestens 8.000 Menschen getötet worden sein. Die GfbV geht, wie andere Menschenrechtsorganisationen auch, von mindestens 10.000 Toten aus. Rund 30.000 Flüchtlinge haben im Libanon, in Jordanien und in der Türkei Zuflucht gesucht.
Sido stellte die verschiedenen Oppositionsgruppen, die sich im Land und im Exil gegründet haben kurz vor und benannte ihre wichtigsten Vertreter. Auch ging er auf die externen Unterstützer und Gegner des Regimes ein. Zu den Gegnern des Regimes zählen neben den westlichen Staaten die Türkei, einige Golfstaaten aber auch die Al-Qaida. Zu den aktiven Unterstützern zählen der Iran und die im Libanon agierende Hizbollah und auch die Großmächte Russland und China.
“Teile der Armee sind zu den Demonstranten übergelaufen und bilden die so genannte „Freie Armee Syriens“. Das Regime Assads spricht von islamistischen Terroristen, die hinter den Protesten stehen. Das Land fällt immer mehr in einen blutigen Bürgerkrieg. Eine internationale Syrien-Konferenz, an der alle Beteiligten gleichberechtigt mitentscheiden, wie die Zukunft des Vielvölkerstaates aussehen wird, rückt da in weite Ferne“, sagt Sido. Kurden aus Syrien im Exil warnen davor, dass ihr Land künftig wieder von Vertretern einer einzigen Volksgruppe oder Religionsgemeinschaft regiert wird.
Sie fordern eine neue Verfassung, in der die nationalen Rechte der Kurden sowie die kulturellen Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten wie die der Assyrer-Aramäer, Armenier, Drusen, Ismaeliten, Bahá’í und anderer Minderheiten garantieren werden. Außerdem müssten die kurdischen Yeziden als eigenständige Glaubensgemeinschaften anerkannt und die Gleichberechtigung der Frau festgeschrieben werden.
Nach Beendigung seines Vortrages lud Sido zur Diskussion ein und beantwortete Fragen aus dem Publikum.
Besonders die Frage nach der Zukunft des Landes und einer möglichen Militärintervention, einer Option, der Sido skeptisch gegenüber steht, wurde aufgegriffen. Auch die Zukunft der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung wurde diskutiert.
Eine weitere Frage war, ob die Mehrheit im Land wirklich hinter der Opposition steht. Hier wurde auch noch mal auf die Situation der Minderheiten hingewiesen, deren Angst es ist, dass nach einem Sturz Assads radikale Islamisten eine neue Diktatur errichten werden.
In jedem Fall muss die Diktatur von Bashar al-Assad abgeschafft werden und in Syrien ein demokratisches und pluralistisches System errichtet werden, so Sido.
Die Veranstaltung wurde mit aktiver Unterstützung von Maleen Schlüter und Lennard Schlöffel organisiert, die zurzeit im Nahostreferat ein Praktikum absolvieren. Moderiert wurde die Veranstaltung von Hanno Schedler, vom Referat für Asien und Afrika.
Die Veranstaltung war gut besucht, der Saal war sehr gut gefüllt, was das große Interesse der Öffentlichkeit an der Lage in Syrien zeigt.
Weitere Fotos der Veranstaltung sind hier einzusehen