Indigene Grundrechte missachtet – Deutsche Unternehmen beteiligt

In Mexiko soll das Eisenbahnprojekt „Tren Maya“ die Erschließung der Halbinsel Yucatan sichern. Dafür sollen 1.500 Gleiskilometer verbaut werden. Mitten durch den mexikanischen Regenwald, mitten durch indigenes Gebiet. Die Rechte Indigener werden bei der Umsetzung des Prestigeprojektes gänzlich missachtet. Sie sehen sich Landraub, Wassermangel und Todesdrohungen ausgesetzt. Gutachten zur Umweltverträglichkeit wurden ohne indigene Beteiligung ausgestellt. Indigene Gemeinschaften leisten Widerstand und konnten vor Gericht bereits Teilerfolge erzielen. Die mexikanische Regierung um Präsident Andrés Manuel López Obrador lässt das kalt: „Der Tren Maya wird gebaut – ob die Menschen es wollen oder nicht“. In ihrem Bericht hebt das Ya-Basta-Kollektiv nun die Mitwirkung deutscher Unternehmen an Planung und Bau des Vorhabens hervor.

Von Christoph Hahn; Foto: Der Autor, Poet und Aktivist Pedro Uc Be. Bild: by Otto Everett / Wikipedia CC BY-SA 4.0

Fundamentale Rechte der Indigenen systematisch ignoriert

Wie die Bezeichnung des Projektes es bereits vermuten lässt, soll die Eisenbahntrasse zu weiten Teilen durch das Gebiet der Maya führen. Darin leben noch heute 1.080.410 indigene Menschen, die den Maya, Ch’oles, Tzeltales, Chontales und Tzoziles sowie weiteren indigenen Völkern angehören. Der namentliche Bezug des Projektes zu den Maya hat ökonomisches Kalkül: Die archäologischen Stätten sollen besser für den Massentourismus erschlossen werden. Die Bedürfnisse der indigenen Gemeinschaften werden indes übergangen und ihre Grundrechte verletzt. Die ILO-Konvention 169 spricht ihnen besondere Beteiligungs- und Mitspracherechte bei den Planungs- und Entscheidungsprozessen zu. Denn die Gebiete, die der Zug durchfahren soll, stellen für die indigenen Gruppen einen hohen kulturellen und medizinischen Wert dar. Allein in drei Bausektoren sind 7.300 sakrale Orte durch die Bauarbeiten gefährdet:

„Vom ersten Moment an, als wir hörten, dass dieses Projekt auf unserer Halbinsel, in unserem Maya-Gebiet, durchgeführt werden sollte, dachten wir, dass es eine irreversible Schädigung unserer Umwelt bedeuten würde. Und genau das ist der Fall.“

Pedro Uc Be, Teil der Asamblea „Múuch‘ Xíinbal”

Eine Umweltverträglichkeitsprüfung durften Indigene dennoch nicht einsehen. Sie war nach mexikanischem Recht erforderlich geworden, da die projektierte Strecke auch durch Naturschutzgebiete verlaufen soll. Die Indigenen sehen dadurch ihr Recht auf Information und Konsultation missachtet. Wie das UN-Komitee gegen Rassendiskriminierung (CERD) bestätigte, wurde außerdem eine Volksabstimmung unzureichend durchgeführt. Gerade Regionen, die die Volksabstimmung vehement gefordert hatten, wurden am stärksten benachteiligt. Das einzige Wahllokal in der durch den Bau betroffenen Gemeinde Palenque lag in der Gemeindehauptstadt und damit weit weg von den Gebieten, durch die die Zugstrecke eigentlich führen soll. Berichten zufolge kam es bei der Volksabstimmung zu Einschüchterung und Falschinformation. Die Regierung hat dem mexikanischen Militär die Leitung des Projekts übergeben, außerdem sollen ihm alle Profite zufließen. Vermutlich soll so die Armee in der Region gestärkt werden.

Indigener Widerstand bleibt ungehört – Menschenrechtsverteidiger*innen in Gefahr

Der indigene Widerspruch gegen die rechtswidrige Durchsetzung der Regierungsinteressen wächst. Seit 2020 gibt es mehrere Klagen gegen das Projekt. Die Mitglieder der Ch’ol Mai konnten bereits eine einstweilige Verfügung sowie eine Anordnung zur Einstellung der Arbeiten erwirken. Der Bundesrichter begründete die Entscheidung mit der Gefahr für die Bevölkerung, die von den Bauarbeiten, während der Covid-19-Pandemie ausgehen würden. Die Regierung interessierte das Urteil des Gerichts nicht. Sie verweigerte schlichtweg den Baustopp. Seitdem waren drei weitere Klagen gegen die Genehmigung der Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgreich. Das Kollektiv Chuun t’aan Maya konnte gemeinsam mit den Verteidigerinnen* des Maya-Territoriums Múuch‘ Xíinbal die Aussetzung der Bauarbeiten in drei weiteren Bauabschnitten erwirken. Insgesamt wurden 270.000 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt Und auch auf der Straße wächst die Gegenwehr, die die Aussetzung des Projektes von der mexikanischen Bundesregierung fordert.

Menschenrechtsverteidiger*innen wie Pedro Uc Be, die die rechtmäßigen Territorialrechte der Indigenen verteidigen und sich für den Erhalt der Maya-Kultur einsetzen sehen sich Repressionen ausgesetzt. Bereits im Dezember 2019 erhielten er und seine Familie Morddrohungen, auch seine beiden Kinder. Während der Amtszeit López Obradors wurden seit 2018 über acht indigene Gemeindesprecher*innen umgebracht, die sich im Widerstand gegen die Enteignung engagierten. Durch die Bauarbeiten sind zudem die Grundwasserspeicher in der Region gefährdet, obwohl Vertreter der Maya, Tzeltal und Chol die Regierung seit Jahrzehnten auf die anhaltende Dürre in ihrer Gemeinde Calakmul hinweisen. Trotz der mehrfachen Bitten sich dem Problem anzunehmen, bleibt die Regierung den 28.000 betroffenen Indigenen in der Gemeinde eine Lösung schuldig. Stattdessen werden die verbleibenden Süßwasservorkommen in den sogenannten Cenoten durch das Milliardenprojekt gefährdet. Das ist ein System aus Unterwasserhöhlen, das sich zusätzlich durch eine enorme Artenvielfalt auszeichnet. Indigene sehen bereits ihre zukünftige Existenz bedroht:

„So scheint es mir, wird das Maya-Volk dazu verurteilt sein, zu verschwinden, und unsere Sprache wird verschwinden, unsere Kultur wird verschwinden und was als ‚Maya‘ übrig bleiben wird ist ein Zug, ein Hotel, ein Restaurant, eine Buslinie, eine Zeitung. Kurzum, die wirklichen Maya aus Fleisch und Blut wie wir sie heute sind […] wir denken, dass sie verschwinden werden“

     Pedro Uc Be

Deutsche Unternehmen involviert

Reges Interesse gibt es auch von deutschen Unternehmen. Siemens und der TÜV Rheinland sind in den Bieterwettbewerb eingestiegen und haben ein Angebot abgegeben. Die Deutsche Bahn ist bereits aktiv beteiligt. Ihre Tochter, die DB Engineering & Consulting GmbH, plant den Betriebsablauf und hat seit Dezember 2020 einen Dreijahres-Vertrag als sogenannter Schattenbetreiber. Das ist problematisch, weil es für die mexikanische Regierung eine willkommene Legitimation des Projektes darstellt. Gleichzeitig verstößt es gegen die ILO-Konvention 169, dessen Ratifizierung der Deutsche Bundestag im April 2021 beschlossen hat. Die Deutsche Bahn ist als Konzern, der sich zu einhundert Prozent in der Hand des deutschen Staates befindet, ebenfalls an die Einhaltung der ILO 169 gebunden und muss dafür Sorge tragen, dass bei Projektbeteiligungen die internationalen Rechtsstandards für indigene Völker eingehalten werden. Das bedeutet, sobald die Konvention gültig ist, würde der deutsche Staat die ILO 169 als Eigentümer der Deutschen Bahn verletzen.

Wenn du aktiv werden möchtest, findest du hier eine Petition, die von der Deutschen Bahn den Ausstieg aus dem Projekt fordert.


Quellen:

https://taz.de/Geplante-Maya-Bahn-durch-Mexiko/!5791061/

Weitere Infos:

https://www.ardmediathek.de/video/weltspiegel/mexiko-aerger-um-den-maya-zug/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3dlbHRzcGllZ2VsL2IzMzkxZWRhLTFmZjctNDZiMS05M2MzLWNjN2EzY2U0NmU2OQ/

https://www.deutschlandfunkkultur.de/mexikos-megaprojekt-tren-maya-der-umstrittene-maya-zug.979.de.html?dram:article_id=483817

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