Grönland hat gewählt – und sich mehrheitlich gegen einen Ausbau der Uran-Förderung an der Südspitze der Insel entschieden.
Von Yvonne Bangert, Referentin für indigene Völker; Foto: Nickelfabrik in Norilsk (Ninara Flickr CC BY 2.0)
Am 16. April 2021 gaben der neue Premierminister, der Inuk Muté B. Egede von der mitte-links-Partei Inuit Ataqatgigiit (IA), und Hans Enokson von der nationalistischen Partii Naleraq die Bildung einer Koalitionsregierung bekannt. Sie will das Mega-Projekt Kuannersuit/Kvanefjeld bei Narsaq auf Eis legen, bei dem die zweitgrößte Uran-Tagebaumine der Welt entstehen und seltene Erden gefördert werden sollten. Außerdem will die Koalition eine neue Anti-Uran-Gesetzgebung verabschieden. Die Atassut Partei, die eine Unabhängigkeit Grönlands von Dänemark anstrebt, hat der Koalition ihre Unterstützung zugesagt.
Dieser Machtwechsel gilt als historisch. Fast ununterbrochen hatte seit 1979 die sozialdemokratische Siumut-Partei regiert. Sie unterstützt das Bergbauprojekt, kam dieses Mal aber nur auf 30,1 Prozent der Stimmen. Das entspricht 10 der insgesamt 31 Sitze. Die IA errang 37,4 Prozent der Stimmen (12 Sitze), ihr Koalitionspartner Naleraq 12,3 Prozent (4 Sitze) und die Attasut 7,1 Prozent (2 Sitze). IA hatte vor allem mit mehr sozialer Unterstützung und Umweltschutz Wahlkampf gemacht und sich damit auch gegen den Uran-Tagebau im Süden positioniert. Grönland ist seit 2010 selbst für seine Rohstoffvorkommen verantwortlich. Dem Autonomiegebiet fehlen jedoch die finanziellen Mittel, um die Ausbeutung und Vermarktung der Rohstoffe selbst zu gestalten. Noch ist Grönland auf hohe Zuschüsse von umgerechnet ca. 524 Milliarden Euro pro Jahr aus Dänemark angewiesen. Die Devise der Autonomieregierung lautet daher: Ja zum Bergbau an sich. Nein zum Uranbergbau.
Grönland ist reich an Rohstoffen. Die Vorkommen an Öl, Kohle, Zink, Gold, Kupfer, Nickel, Platin, Uran werden bisher aber kaum abgebaut. Dazu fehlen Grönland neben Geld auch eigene gut ausgebildete Fachleute. Mehr als die Hälfte der 25- bis 64-jährigen Grönländer*innen haben nur Grundschulbildung und verfügen weder über die nötigen Sprachkenntnisse noch das technische Wissen, um sich für Jobs im Bergbau zu qualifizieren. Von den versprochenen Arbeitsplätzen könnten Grönlands Einwohner*innen daher kaum profitieren.
Das Rare Earth Elements Project (REE) bei Narsaq gehört dem australischen Unternehmen Greenland Minerals and Energy (GME). GME wiederum ist zu 12,5 Prozent in chinesischem Besitz, was geopolitische Bedenken in Dänemark weckte. China versucht vehement, in der grönländischen Wirtschaft Fuß zu fassen. Es bewarb sich zum Beispiel auch – vergeblich – um den Bauauftrag für drei neue Flughäfen. Chinabetrachtet die Insel als wichtige Etappe auf seiner künftigen arktischen Seidenstraße. Das Land ist bekannt dafür, bei Auslandsprojekten seine eigene Infrastruktur aufzubauen und eigene Fachkräfte mitzubringen.
Kalaallit Nunaat (Land der Kalaallit), wie Grönland in der Landessprache heißt, ist die größte Insel der Welt mit der zugleich geringsten Bevölkerungsdichte. 17.600 der insgesamt rund 56.400 Einwohner*innen leben in der Hauptstadt Nuuk. Politisch ist Grönland Teil Dänemarks. Geografisch gehört es zu Nordamerika. Seit 1979 gilt ein umfassender Autonomiestatus für die Insel. Dieser ermöglichte Grönland 1985 den Austritt aus der EU, während Dänemark Mitglied blieb. Fast 90 Prozent der Grönländer*innen sind Angehörige einer der drei Inuit-Gruppen Kalaallit (West-Grönland), Tunumiit (Ost-Grönland) und Inughuit beziehungsweise Avanersuarmiut im Norden. Offizielle Landessprache ist Kalaallisut, die Zweitsprache ist Dänisch. Die meisten Grönländer*innen sind zweisprachig. Die rechtliche Stellung Grönlands ist durch das 2009 verabschiedete Selbstverwaltungsgesetz und durch die Verfassung Dänemarks geregelt. Grönland verwaltet sich weitgehend selbst. Nur die Außen- und Verteidigungspolitik obliegt weiterhin Dänemark. Grönland und Dänemark traten beide 2007 der UN-Erklärung zu den Rechten indigener Völker (UNDRIP) bei. Dänemark ratifizierte zudem bereits 1996 die Konvention 169 der UN-Arbeitsorganisation ILO.
Grönlands Rohstoffreichtum trägt Fluch und Segen in sich. In ihrem Süden ist die Insel tatsächlich eisfrei. Es gibt Schaf- und Rinderzucht, Landwirtschaft und Gemüseanbau. Die Sorge, dass der Abraum des Bergbaus von Kuannersuit/Kvanefjeld diese Flächen verseuchen könnte, ist groß. Auch liegt das Projekt keine 10 km von Narsaq entfernt, der mit knapp 1.350 Einwohner*innen zweitgrößten Stadt in diesem Bezirk. Auch dort haben die Menschen Angst. Am Ende könnten sie ohne Jobs aber mit einer verseuchten Umwelt zurückbleiben.
Das Autonomiegebiet hat eine schwierige Metamorphose vor sich. Denn auch die traditionelle Wirtschaft verliert allmählich ihre Grundlagen. Durch den Klimawandel wird das Eis nicht mehr so dick wie früher und trägt die Jäger*innen nicht mehr zuverlässig, wenn sie die Atemlöcher der Robben aufsuchen, um sie dort zu erlegen. Auch die kommerzielle Fischerei, mit der Grönland mehr als 85 Prozent seiner Exportwirtschaft bestreitet, verändert sich. Das Wasser wird wärmer. Dadurch verändern sich die Fischbestände. Der Kabeljau nimmt zu. Doch er frisst den Inuit die Shrimps weg, die ihnen bisher den besten Ertrag brachten.
Russland, China und die USA wetteifern um den Zugriff auf die grönländischen Rohstoffe. Das absolut ernst gemeinte Interesse des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump an einem Kauf Grönlands ist deutliches Zeichen für den Machtanspruch der USA. Außerdem haben sie im Juni 2020 ein Konsulat auf Grönland eröffnet. Im Vorfeld der Grönland-Wahlen vom 6. April 2021 hatte Friends of the Earth Dänemark (NOAH) eine Petition verbreitet, in der ein Moratorium für Bergbau in großem Maßstab sowie für die Förderung von Öl und Gas empfohlen wurde. Die GfbV hat diese Petition unterstützt. Allerdings gibt es bereits ca. 90 großflächige Bergbauprojekte in unterschiedlichen Phasen der Prospektion, Exploration und Ausbeutung.
Die Fischereiwirtschaft hat internationale Dimensionen. Am 3. Oktober 2018 unterzeichneten Kanada, die USA, die Russische Föderation, Norwegen, Dänemark, Island, die Europäische Union (EU), Korea, Japan und China ein Abkommen, in dem sie sich zu einer wissenschaftlichen Zusammenarbeit für eine künftige nachhaltige Fischereiwirtschaft im Nordpolarmeer verpflichten. Dabei soll getreu der Erklärung der Vereinten Nationen zu den Rechten indigener Völker (UNDRIP) das Wissen der indigenen und der lokalen Bevölkerung ausdrücklich einbezogen sein. Mit am Verhandlungstisch saßen die Indigenen allerdings nicht. Dies ist symptomatisch. Die Indigenen laufen Gefahr, von der Entwicklung überrollt und von den Entscheidungsträger*innen übergangen zu werden. Auch deshalb lässt das Wahlergebnis für die IA aufhorchen.