LGBTIQ*-Feindlichkeit und Religion

Die Rechte von LGBTIQ-Menschen werden in den meisten Regionen der Welt immer noch stark eingeschränkt. Oft ist die Ausgrenzung von ihnen mit den Ansichten der dominierenden Glaubensrichtung über queerness verknüpft. Diese Verbindung zwischen Religion und Diskriminierung von LGBTIQ-Menschen und die besondere Situation für queere Menschen, die zudem in den jeweiligen Regionen oder Staaten Minderheiten angehören, soll im Folgenden thematisiert werden.[1]

Von Katrin Hirsch; Foto: mathiaswasik/Flickr (CC) BY-SA 2.0, „LGBT Solidarity Rally“

Homosexualität und Religion

Die Soziologin, Theologin und Religionswissenschaftlerin Anja Finger, die in einem Eintrag auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung über die Themen Homosexualität und Religion schreibt, sieht die Rechte von homosexuellen Menschen in vielen europäischen Ländern als weiterhin stark eingeschränkt an. Sie sieht dabei einen Zusammenhang zu der Religion als bestätigt an, da Untersuchungen aufzeigen, dass stark religiöse Menschen stärkere Vorbehalte und Ressentiments gegen Homosexuelle zeigen. Zudem beschreibt sie, dass „orthodoxe Christen, Katholiken und Muslime der Homosexualität tendenziell ablehnender gegenüber[stehen] als Protestanten“. Anja Finger begründet dies damit, dass diese Religionen und auch das Judentum die Vorstellung etabliert haben, nach der sexuelle Interaktionen ausschließlich oder vorrangig zum Fortbestand der Art genutzt werden sollen. Da dies bei homosexuellen Menschen nicht der Fall ist, werden sie als unnatürlich dargestellt. In Gesellschaften oder Religionen, die einen anderen Blick auf Sexualität haben, ist daher eine offenere Haltung gegenüber homosexuellen Handlungen viel wahrscheinlicher. Allerdings können Religionen, die gegenüber Homosexualität eigentlich aufgeschlossen eingestellt sind, auch Intoleranz aus anderen Kulturen übernehmen. So sieht der Historiker William Naphy in Indien, China und Teilen Afrikas in der Vergangenheit einen eher offenen Umgang mit Homosexualität, während der aktuelle Dalai Lama Homosexualität bis vor einigen Jahren als negativ bewertet hat und auch beispielsweise Kenia und Indien Homosexualität unter Strafe stellen oder bis vor kurzem unter Strafe gestellt haben.

Homosexualität = Homosexualität?

In vielen Gesellschaften wird vor allem Sex zwischen zwei Männern abgelehnt, während Sex zwischen zwei Frauen weniger Beachtung findet und/oder neutraler bewertet wird. Allerdings ist auch dies eine christliche Sichtweise, die sich lediglich verbreitet hat durch Kolonialismus. Laut Naphy hat sich die Haltung in islamischen Ländern, die eher von Toleranz (zumindest in dem Sinne, dass nicht aktiv gegen Homosexuelle vorgegangen wurde) geprägt war, zu einer starken Ablehnung geändert, die auch in Gesetzbücher aufgenommen wurde und bis zur Todesstrafe reichen.[2]

Generell zeigt sich bereits deutlich, dass nicht nur die Religion an sich (z.B. das Glaubensbuch, -schriftrolle, -überlieferung) festschreibt, wie Ansichten und Regeln des Glaubens aufgebaut sein sollen, sondern dass auch die Interpretation der jeweiligen Gesellschaft oder sogar von der Religion unabhängige gesellschaftliche Ansichten entscheidend sind bei der Frage, wer oder was akzeptiert wird oder wer oder was abgelehnt und ausgegrenzt wird. In einer Welt, in der es eine sehr dominante Kultur gibt, kann es zudem sein, dass eine Religion, die einen bestimmten Ort geprägt hat, Ansichten aus der dominanten Kultur übernimmt/übernehmen muss. Somit existiert eine beidseitige Beeinflussung zwischen Gesellschaft und Religion.

Die Verbindung zwischen Religion und Diskriminierung von Homosexuellen zeigt sich auch darin, dass viele der „Konversionstherapien“[3] in religiösen Kontexten oder Gemeinden praktiziert werden.

Beispiele von Akzeptanz in Religionen von LGBTIQ

Bild: Ryan Welsh/Flickr (CC) BY 2.0, “DSC_0291”

Dass aber Religiosität und queersein sich nicht gegenseitig ausschließen müssen, wird beispielsweise durch die Entstehung der queeren Theologie sichtbar. In dieser geht es um die Hinterfragung von Vorstellungen zu Geschlecht, Sexualität, Partnerschaft und Ehe, die in den Religionen etabliert wurden und die an die Gesellschaften weitergegeben wurden und werden. Außerdem bringen muslimische queere Menschen tolerantere Perspektiven und andere Lesarten und Interpretationen des Korans in ihre Glaubensgemeinschaften. Weitere Bespiele von religiösen Menschen, die sich für Akzeptanz von LGBTIQ-Menschen einsetzen, sind der südafrikanische Geistliche Desmond Mpilo Tutu und der ugandische Bischof Christopher Ssenyonjo. Zudem existieren inzwischen immer mehr religiös geprägte Organisationen, die sich für die Rechte von queeren Menschen einsetzen, wie zum Beispiel die Inclusive and Affirming Ministries (IAM) in Kapstadt. Diese Beispiele sind weitere Indizien dafür, dass Religionen auch inklusiv sein können. Denkbar ist hier aber auch, dass eine größere Akzeptanz in der gesamten Gesellschaft auf die Religionsgemeinschaften wirken.

Das Problem der intersektionellen Diskriminierung

Wichtig bei dem Engagement, die Rechte von LGBTIQ-Menschen zu stärken, ist das Einbeziehen von queeren Menschen, die religiösen oder ethnischen Minderheiten angehören. Deren besondere Situation wird oft übersehen. Die besondere Situation besteht darin, dass diese Menschen oft einer Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt sind (Intersektionalität), welche verstärkend wirkt. Sie werden nicht nur aufgrund ihrer queerness ausgegrenzt und diskriminiert, sondern auch aufgrund der Religionszugehörigkeit, des als fremd wahrgenommenen Aussehens, ihres Geschlechts, usw. Daraus entstehen Bedürfnisse und Probleme, die zum Beispiel weiße und christliche queere Menschen in Deutschland nicht haben und es ist wichtig, dies zu sehen und Maßnahmen zu ergreifen, die auch diesen Menschen gerecht werden. Ein weiteres Problem für LGBTIQ-Menschen, die z.B. Schwarz und/oder muslimisch sind, kann darin bestehen, dass sie in Deutschland von den mehrheitlich weißen queeren Communities nicht akzeptiert werden. Somit würden sie dort keinen Zufluchtsort finden, in dem sie frei von Ausgrenzungserfahrungen agieren können und der sie empowert. Auch dieses Problem muss bekannt sein, um z.B. gegen Diskriminierungen in queeren Communities anzugehen oder Räume zu schaffen, in denen sich auch queere Menschen wohlfühlen, die aufgrund anderer Attribute oder zugeschriebener Attribute ausgeschlossen werden.


Quellen:

https://www.bpb.de/gesellschaft/gender/homosexualitaet/38892/homosexualitaet-und-religion-en

https://www.boell.de/de/2015/02/11/religion-und-homosexualitaet-ein-vermeintlicher-widerspruch

weiterführende Quellen:

zur Situation in Polen:

https://www.queer.de/schlagwort.php?schlagwort=Polen

zum Umgang mit ermordeten homosexuellen Menschen während des Holocaust https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/petition-fuer-ns-gedenken-schluss-mit-dem-erinnern-zweiter-klasse-an-homosexuelle-ns-opfer/23877270.html

https://www.spdqueer-berlin.de/ns-verfolgung/

zu Intersektionalität:

https://gender-glossar.de/i/item/25-intersektionalitaet


[1] Vorab muss angemerkt werden, dass es die Realität nicht vollständig abbildet, wenn ich von Islam, Christentum usw. und ihren Einstellungen zu LGBTIQ-Menschen spreche, da sowohl die Religionen je nach Gemeinde, Region, Land oder Weltregion andere Ansichten vertreten können als auch LGBTIQ ein breites Spektrum an Sexualitäten und Identitäten zusammenfasst. Oft existieren verschiedene Einstellungen der Glaubensgemeinschaften zu verschiedenen Sexualitäten und Identitäten. Ich werde versuchen, dies zu berücksichtigen und dennoch einen Überblick zu geben.

[2] Allerdings sind auch in einigen islamischen Ländern Lockerungen zu verzeichnen. Zudem haben sich zumindest in Großstädten LGBTIQ-Communities gegründet.

[3] Ich setze das Wort in Anführungsstriche, um mich von dem Wort zu distanzieren, da damit sehr problematische Implikationen einhergehen, wie zum Beispiel die Annahme, dass Homosexualität therapiert werden müsse.  

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