Seite an Seite | Montags gegen Antisemitismus

Als wir vor bald einem Jahr mit unserer Reihe #MontagsgegenAntisemitismus begonnen haben, war die Idee, nicht nur über Jüdinnen und Juden bzw. Judentum im Kontext der Schoah oder antisemitischer Angriffe zu schreiben. Vielmehr sollte die Vielfalt jüdischen Lebens (in Deutschland) und jüdische Traditionen im Zentrum stehen und ein lebendiges Bild des Judentums jenseits der Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden als bloße „Opfer“ zeichnen. Doch körperliche und verbale Angriffe auf Jüdinnen und Juden reißen nicht ab.

Von Niels Keilhack, Online-Redakteur der GfbV; Foto: GfbV-Archiv


Es sind zu viele und mittlerweile schon zu alltäglich, als dass wir es unerwähnt lassen können. Vor einem Jahr der Angriff auf die Synagoge in Halle, nun am vergangenen Sonntag ein gewaltsamer Angriff auf einen jüdischen Studenten in Hamburg, der gerade aus der Synagoge kam und durch seine Kippa als Jude zu erkennen war.

Wir verurteilen diesen Angriff sowie alle Weiteren, ob verbal oder tätlich, ob direkt oder indirekt, ob im Internet oder auf der Straße aufs Schärfste. Wir zeigen uns solidarisch mit Jüdinnen und Juden und den Opfern antisemitischer Gewalt und Hetze. Wir wünschen dem Opfer des jüngsten antisemitischen Angriffs eine schnelle und vollständige Genesung.

Aber was wird diesmal die Konsequenz des Angriffs sein? Nach dem Anschlag von Halle, konnte in allen Bundesländern die Zusage vernommen werden, dass Gelder bereitgestellt werden, um Synagogen und andere jüdische Einrichtungen zu schützen. Doch oftmals blieb es bei dieser fast schon reflexartigen Zusicherung von Geldern und Sicherstellung der Unversehrtheit als Form der Solidarität und viele jüdische Gemeinden wurden allein gelassen mit der verstärkten Sicherung ihrer Gebäude. Dass es einzig allein einer Holztür der Synagoge in Halle zu verdanken ist, dass wir nicht vom schlimmsten und verheerendsten Angriff auf Jüdinnen und Juden in der Bundesrepublik Deutschland sprechen müssen, wird von der Politik offensichtlich ignoriert oder wieder vergessen. Diesmal wird es kaum anders sein.

Es wird sowieso wie jedes Mal sein, leider: Politikerinnen lassen ihre Mitarbeiterinnen Solidaritätsbekundungen in den sozialen Medien verfassen (die wichtig sind, ohne Frage), die Phrase „nie wieder“ wird zu lesen sein und dass der Kampf gegen Antisemitismus uns alle als Gesellschaft angeht und dieser Kampf noch entschlossener geführt werden muss. Daraufhin wird es noch eine kleine Diskussion darüber geben, ob es nun ein Angriff auf die Religionsfreiheit, auf uns alle als tolerante Gesellschaft oder doch nur auf jüdisches Leben war. Kurz danach flacht dann das Interesse ab bis es wieder mit einem neuen Angriff auf Jüdinnen und Juden von vorne beginnt.

Doch wir sollten eins nicht vergessen: Es gibt dauerhafte Konsequenzen jedes Angriffs und jeder Beleidung. Es sind die Verunsicherung und Angst um Leib und Leben unserer jüdischen Mitbürger*innen. Die Angst, seine Religion auszuleben, in die Synagoge zu gehen oder eine Kippa zu tragen. Und die wächst mit jedem Angriff.

Sollte jüdisches Leben nicht endlich vollumfassend geschützt werden und Antisemitismus nicht konsequent in jeglicher Form verurteilt und verfolgt werden – sowohl von der Zivilgesellschaft als auch den Strafverfolgungsbehörden – dürfen wir uns nicht wundern, wenn jüdisches Leben aus der Öffentlichkeit verschwindet und Jüdinnen und Juden aus Angst auswandern. Dann ist Deutschland die Jüdinnen und Juden los, die Antisemiten aber bleiben, denn sie brauchen keine Jüdinnen und Juden für ihr geschlossenes antisemitisches Weltbild. Das klingt nicht nach 2020, sondern eher wie eine Zeit, aus der wir alle mehr gelernt haben sollten!

Somit bleibt nur eins zu fordern: Deutschland, schütz endlich deine Jüdinnen und Juden bevor es zu spät ist.

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