Äthopien: Ein falscher Link – und schon droht die Todesstrafe!

Wer möchte seinen Computer nicht gegen Bespitzelung und Überwachung sichern? Ganz besonders dann, wenn du weißt, die Regierung hat ihre Leute auf dich angesetzt, sie sind hinter dir her und kontrollieren jeden Schritt, jede Äußerung von dir. In Äthiopien geht es vielen Journalisten so, die den Mut haben, ihre Meinung öffentlich zu sagen oder sie online zu stellen.

von Monika Kunz

Sieben äthiopische Blogger und Bloggerinnen wurden tatsächlich dafür bestraft, den „falschen Link“ auf ihrem Computer zu haben: zum einen den Link zu sogenannten Terrororganisationen*, eigentlich Oppositionsgruppen, die sich für Menschenrechte und Demokratie einsetzen; zum anderen einen Link für die eigene Computersicherheit. Die Bloggerinnen und Blogger wollten ein digitales Sicherheitstraining machen, um ihre Daten vor fremdem Zugriff zu schützen. Dabei sind ihre Themen und Inhalte es wert, in der ganzen Welt gelesen und gehört zu werden: Sie schreiben von Menschenrechten und prangern Verletzungen von diesen an. Und sie plädieren dafür, dass Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung ebenso gelten sollen wie Maulkorb- und Zensurmaßnahmen einer diktatorischen Regierung kritisiert werden müssen.

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Nun aber sind diese Blogger und Bloggerinnen schon seit Monaten im Kaliti-Gefängnis in Addis Abeba, einem gefürchteten Journalisten-Knast. Nur eine von ihnen konnte nicht gefasst werden: Soliana Shimelis lebt noch in Freiheit. Sie alle wurden angeklagt, mit ungesetzlichen politischen Gruppen in Kontakt zu stehen und an einem digitalen Sicherheitstraining teilgenommen zu haben. Ihnen drohen gemäß Artikel 3/7 des sogenannten Anti-Terror-Gesetzes zwischen 15 Jahren Haft und lebenslänglich. Möglich wäre sogar die Verhängung der Todesstrafe.

Schon jetzt ist die Lage der Gefangenen äußerst kritisch. In dem Journalisten-Knast sind die Bedingungen grauenvoll. Der ebenfalls dort inhaftierte Journalist Eskinder Nega schreibt über die Zustände: „Ich bin mit ungefähr 200 anderen Insassen in einer weiten Halle gefangen, die aussieht wie ein Warenlager. Für uns alle gibt es nur 3 Toiletten. Die meisten Gefangenen schlafen auf dem Boden, der noch nie gekehrt wurde. Über 1000 Gefangene teilen sich einen kleinen offenen Raum hier im Kaliti-Gefängnis. Jeder kann sich ausrechnen, was passiert, wenn hier eine übertragbare Krankheit ausbricht.“ Während der Verhöre werden die Gefangenen gefoltert, das berichteten mehrere, die diese Tortur überlebt haben. Trotz allem bewahren sich manche der Inhaftierten ihre Würde. Eskinder Nega schrieb aus der Haft an seinen 8-jährigen Sohn: „Ich wurde unfreiwillig ein Vater, der nicht für dich da sein kann, weil ich mich nach etwas sehne, für das die Franzosen im späten 18. Jahrhundert drei einfache Worte gefunden haben: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.“

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Die sieben Blogger und Bloggerinnen, die seit April 2014 im Kaliti-Gefängnis festsitzen, gründeten 2012 den Blog „Zone 9“. Der Name ist in Anlehnung an die Bezeichnung für den Journalisten-Trakt des Gefängnisses, „Zone 8“, entstanden. „Zone 9“ symbolisiert das unsichtbare Gefängnis, das alle Bürger Äthiopiens umgibt und in das sie eingesperrt werden können, wenn sie es wagen, ihre Stimme zu erheben und die Wahrheit zu sagen. Nach der Festnahme der sieben Aktivistinnen und Aktivisten ging der Blog offline. Aber andere, die in ihrem Namen weitermachen, nennen sich jetzt „FreeZone9“- Blogger, weil sie die Hoffnung haben, gehört und beachtet zu werden und eines Tages Recht zu bekommen. Beachtung finden sie schon jetzt: bei Menschenrechtsorganisationen, freien Journalisten, Schriftstellern und Juristen.

So schreibt Professor Alemayehu G. Mariam von der California State University in Anlehnung an eine Rede des früheren amerikanischen Präsidenten Thomas Jefferson: „Wenn es an mir läge zu entscheiden, ob wir eine Regierung ohne unabhängige Journalisten und Blogger haben sollten oder unabhängige Journalisten und Blogger ohne Regierung, würde ich ohne einen Moment zu zögern, das Letztere bevorzugen. Kurz gesagt: I am hard-core, proud-as-hell, dyed-in-the wool, rootin’-tootin’, foot stompin’, unapologetic, unabashed and unrelenting E-blogger!!! (frei übersetzt: Ich bin ein hart gesottener, stolz wie Oskar, waschechter, bodenständiger, Krawall schlagender, aufmüpfiger, dreister, unverfrorener und unerbittlicher Blogger.) Alle Macht den unabhängigen Journalisten und E-Bloggern!“

*Ginbot 7, Oromo Liberation Front (OLF) und Ogaden National Liberation Front (ONLF) sind äthiopische Oppositionsgruppen, werden aber von der Regierung als Terrororganisationen eingestuft.

[Zur Autorin]

MONIKA KUNZ ist evangelische Pfarrerin, Ehefrau, Mutter von drei Töchtern und Oma von drei Enkelsöhnen. Seit 1984 lebt und arbeitet sie in Frankfurt am Main. Neben ihrer Arbeit und ihrer Familie interessiert sie sich vor allem für das Thema Landraub, was in Äthiopien ein großes Problem ist.

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