Fast sieben Monate Krieg im Sudan: Warnung vor weiteren Gräueltaten in El Fasher, der Hauptstadt von Nord Darfur

„El Fasher wird bombardiert und beschossen. Dort sind viele Flüchtlinge aus El Geneina und Nyala untergekommen. Sie alle sind in großer Gefahr“, warnte vor wenigen Tagen die Menschenrechts-aktivistin Mai Ali Shatta der Bana Group for Peace and Development am Telefon.

Text: Sarah Reinke, Foto: Sudan Envoy via Wikipedia

Viele Menschen seien aus den nördlichen und östlichen Vierteln in die südlichen Gebiete der Stadt oder ganz aus der Stadt heraus geflohen, um den schweren Kämpfen zwischen der sudanesischen Armee und der Miliz „Rapid Support Forces“ (RSF) zu entkommen. El Fasher ist die letzte Stadt in Darfur, die noch nicht von der berüchtigten Miliz eingenommen wurde. Deshalb haben dort Flüchtlinge aus der ganzen Region Zuflucht gesucht. Doch hier sind sie nicht sicher. Schon seit Monaten hat die Stadt mit katastrophalen sanitären Bedingungen zu kämpfen und sieht sich mit einem Ausbruch von Malaria und Typhus konfrontiert. Starke Regenfälle haben in der gesamten Region stehendes Wasser hinterlassen, das ein idealer Brutplatz für Moskitos ist, die Hauptüberträger von Malaria und Dengue-Fieber.

Dazu intensivieren sich in den letzten Tagen die Kämpfe zwischen der sudanesischen Armee, die Teile der Stadt bombardiert und der Miliz. Bewaffnete aller Gruppierungen begehen täglich entsetzliche Verbrechen an der Zivilbevölkerung. Die Opfer werden meist aufgrund ihrer Hautfarbe und ethnischer Zugehörigkeit angegriffen. Die Berichte dokumentieren sexuelle Gewalt an Frauen und Misshandlung von Männern. Täglich kommt es zu mehr als 20 Fällen dieser Art.

Die Kontrolle über einzelne Stadtteile ist unterschiedlich:

Der nordöstliche Sektor wird von der RSF kontrolliert. Hier findet sich wichtige Infrastruktur wie der Landhafen, die Warenbörse, Zapfsäulen und eine Solarenergiestation. Aus diesem Teil der Stadt sind 80% der Bevölkerung vertrieben worden. Das Stadtzentrum wird von Gruppierungen kontrolliert, die das Friedensabkommen von Juba (Südsudan) unterzeichnet haben, und umfasst den großen Markt von El Fasher und die Haupteingänge in die Stadt. Der Westen der Stadt ist unter der Kontrolle der Armee, dort findet sich das Lehrkrankenhaus, das Gericht, mehrere Regierungseinrichtungen und ein Quartier der Armee. Der Süden der Stadt ist aktuell noch am sichersten. Das Südkrankenhaus sowie das Kinderkrankenhaus Babakir Nahar befinden sich hier genauso wie 33 Zentren zur Unterbringung von Vertriebenen. Hier leben die Menschen dicht auf dicht, deshalb, und aufgrund der katastrophalen humanitären Bedingungen haben sich Epidemien ausgebreitet. Es gibt nicht genug Medikamente, Lebensmittel oder Wasser. NGOs versuchen trotz der schwierigen Lage Hilfe zu organisieren. So ist „Ärzte ohne Grenzen“ im Kinderkrankenhaus Babakir tätig, genauso wie im Krankenhaus Nahar, dem Südkrankenhaus und der Frauenklinik. Das Rote Kreuz verteilte in einigen Flüchtlingszentren Mahlzeiten, „Plan Sudan“ stellte eine Lebensmitteltüte zur Verfügung, und UNICEF lieferte Wasser. Die Mitarbeiterinnen der Bana Group for Peace and Development berichten über Gewaltausbrüche und Feindseligkeiten in den Flüchtlingslagern. Dort herrscht blanke Not, es gibt weder ausreichend zu essen, noch ist die Wasserversorgung sichergestellt. Ende Oktober waren die Hilfskomitees in der Lage, eine Mahlzeit
pro Tag zu organisieren, was den Bedarf nicht deckt, was wiederum zu einer Verschärfung der Diebstähle und der durch Diebstahl motivierten Angriffe führte.
Selbst staatliche und nichtstaatliche Einrichtungen wurden bestohlen. In den letzten Wochen haben die „Rapid Support Forces“ mehrere wichtige Orte in Darfur eingenommen. So sagten RSF-Sprecher am vergangenen Dienstag, sie hätten das Hauptquartier der sudanesischen Armee in El Geneina komplett eingenommen. Der Armee sei ein Ultimatum zum Rückzug gestellt worden. Das löste in der Stadt El Geneina erneut eine Panik aus, denn die Menschen fürchteten einen neuen Angriff auf das Hauptquartier. Viele, so ein Journalist aus El Geneina, seien in umliegende Dörfer beziehungsweise nach Adré über die Landesgrenze in den Tschad geflohen. Beobachter gehen davon aus, dass die RSF ihre Angriffe und Geländegewinne verstärkt, weil sie sie in den seit Anfang der Woche neu begonnenen Verhandlungen über die Lage im Sudan im saudischen Jeddah nutzen will. Durch den Krieg im Sudan, der seit dem 15. April andauert, sind mittlerweile über 5,6 Millionen Menschen auf der Flucht, mindestens 9.000 Personen wurden getötet.

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