Diskriminierung von Indigenen und Minderheiten in Russland: Die Free Buryatia Foundation und ihre Arbeit
Am 1. September wurde die Free Buryatia Foundation (FBF) von den russischen Strafverfolgungsbehörden zur in Russland „Unerwünschten Organisation“ erklärt und in das entsprechende Register eingetragen. Bereits seit März 2023 wurde die FBF im Register für Ausländische Agenten geführt. GfbV-Referentin für indigene Völker Nora Erdmann sprach darüber mit FBF Vize-Präsdientin Anna Zueva.
Text: Nora Erdmann | Foto: Anna Zueva / FBF
Gegründet wurde die Organisation im April 2022 von 10 im Ausland lebenden Burjat*innen in unmittelbarer Reaktion auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Free Buryatia Foundation hat sich unter anderem die Aufgabe gesetzt, die Einstellung von Burjat*innen gegen den Krieg sowie Informationen über das burjatische Volk, seine Traditionen, Kultur, Sprache und Geschichte zu vermitteln. Die Burjat*innen unterstützen den Krieg nicht, es handelt sich um einen kolonialistischen Krieg gegen die Ukraine, so wie Burjatien vor rund 350 Jahren von russischen Kosaken kolonialisiert wurde. Heute sprechen nur etwa 30% der Burjat*innen die burjatische Sprache, was auf die breit angelegte Russifizierung zurückzuführen ist.
Bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 144,5 Mio bilden die ca. 460.000 ethnischen Burjat*innen in der Russischen Föderation eine Minderheit, wobei nur ca. 280.000 von ihnen in der Republik Burjatien leben. In der russischen Armee stellen sie laut Angaben mit 0,5% einen kleinen Anteil, jedoch sind die Bewohner*innen der Republik Burjatien Analysen der FBF zufolge mit einem schätzungsweise 75fach höheren Risiko im Krieg zu sterben überdurchschnittlich stark von dem Krieg, den sie nicht unterstützen, betroffen.
Die FBF hat seit Anbeginn Armeeangehörige dabei unterstützt, ihre Dienstverträge bei der russischen Armee aufzulösen und Ausreisen von ca. 400 Männern aus Burjatien in die Mongolei unterstützt und mit Bussen organisiert. Ca. 20.000 Menschen sind auf diesem Weg aus der Republik Burjatien geflüchtet, unter ihnen Burjat*innen und ethnische Russ*innen, 5.000 von ihnen warten immer noch in der Mongolei auf eine Weiterreise oder Rückkehr in ein Russland ohne Krieg. Die Kündigung und der Austritt aus der Armee sind seit der groß angelegten Mobilisierungswelle von September 2022, bei der ca. 10.000 Männer aus der Republik Burjatien, davon ca. 30% Burjaten, eingezogen wurden, nicht mehr möglich.
Die Free Burytia Foundation hat immer wieder Kritik geübt an Präsident Alexei Tsydenov der Republik Burjatien, an der Regierung Putins, hat sich gegen den russischen Rassismus gegenüber ethnischen Minderheiten, gegen Korruption und Vetternwirtschaft ausgesprochen, sie hat juristische und humanitäre Hilfe organisiert und über ihre Social Media Kanäle Menschen mit Informationen unterstützt. So hat die FBF beispielsweise auf YouTube ca. 6.000 und auf Instagram in etwa 12.000 Follower. Das Liken, Kommentieren und Teilen der Posts wird für die Follower*innen in Russland nun deutlich erschwert, stellt es doch eine Straftat dar, eine „Unerwünschte Organisation“ zu unterstützen.
Anna Zueva lässt sich davon nicht beirren. Sie sagte im Interview:
„Am 1. September dieses Jahres erklärte uns die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation zu einer “unerwünschten Organisation”. Davor, im März, wurden wir als “ausländischer Agent” bezeichnet. Uns wird vorgeworfen, dass wir Menschen Rechtsbeistand leisten, Aufklärungsmaterial erstellen und Sanktionslisten aufstellen. Natürlich tun wir die Dinge, die das derzeitige unmenschliche Regime stören, nämlich den Menschen sagen, dass Bürger Rechte haben und ihnen helfen, ihre Identität, Sprache, Geschichte und Kultur zu lernen.
Wir erkennen diese Entscheidung nicht an und werden sie vor Gericht anfechten. Darüber hinaus halten wir sie für verfassungswidrig, unrechtmäßig und diskriminierend. Unsere Arbeit wird durch diese Entscheidung in keiner Weise beeinträchtigt. Dieses Etikett ist für uns eine zusätzliche Motivation und PR. Wir werden unsere pazifistischen Aktivitäten fortsetzen. Wir leben nicht in Russland und haben keine Verfolgung zu befürchten. Abonnenten und Anhänger, die in Russland bleiben, wurden gewarnt, wie sie mit der Free Buryatia Foundation interagieren sollen – und zwar nicht zu liken, zu posten, zu spenden oder zu kommentieren, sondern zu lesen, hinzuschauen und uns in Direktnachrichten ihre Gedanken und Gefühle mitzuteilen. Putin kann die Solidarität zwischen den Menschen nicht töten.“