Endlich frei: Oleg Senzow mit seiner Familie vereint

Kiew und Moskau haben am Wochenende 70 Gefangene ausgetauscht. Unter den Freigelassenen ist auch der ukrainische Filmregisseur Oleg Senzow. Der 43-jährige Aktivist wurde in Simferopol geboren und hat fast sein ganzes Leben auf der Krim verbracht.

Von Jan Diedrichsen, Bundesvorsitzender der GfbV; Foto: Antonymon (CC BY-SA 4.0) via Wikimedia

Die Gesellschaft für bedrohte Völker setzt sich seit Jahren für die Freilassung von Senzow ein.

Senzow war am 11. Mai 2014 in seiner Heimat auf der Krim verhaftet und nach Moskau verschleppt worden. In der Untersuchungshaft wurde der ukrainische Staatsbürger gefoltert. Nach einem Schauprozess – der auf zwei Zeugenaussagen beruhte, von der einer der Zeugen später seine Aussage zurückzog und zugab, dass diese unter Folter erbracht worden sei – wurde Senzow wegen der „Gründung einer terroristischen Gemeinschaft und Vorbereitung von Terroranschlägen“ zu 20 Jahren in einer Strafkolonie verurteilt. Er verbüßte den Großteil seiner Strafe, bis zu seiner Freilassung am Wochenende, nördlich vom Polarkreis, in der Stadt Labytnangiim.

Mehr als vier Jahre verbrachte Senzow in Haft.

Am 14. Juni 2019 nahm das Europäische Parlament eine Resolution an, in der es Russland dazu aufrief, Oleh Senzow und andere politische Gefangene freizulassen. Senzow erhielt 2019 den Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments.

Der Dokumentarfilmregisseur Askold Kurow hat einen Film mit dem Titel „Der Prozess“ gedreht, der von dem Gerichtsverfahren des ukrainischen Regisseurs handelt. Die Premiere fand 2017 bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin statt. 

Bild: European Union 2018 – European Parliament (CC BY-NC-ND 2.0) via Flickr

Die Krimtataren

Die völkerrechtswidrige Besatzung der Halbinsel Krim (Yeşil Ada, „Grüne Insel“)  jährte sich am 27. Februar 2019 zum fünften Mal. Die Annexion und ihre katastrophalen Folgen für die Krimtataren sind als politisches Thema fast komplett aus dem öffentlichen und politischen Interesse verschwunden, was wiederum zu großer Frustration unter den rund 280.000 verbliebenen Krimtataren führt.

Mustafa Džemilev – der als Dissident fünfzehn Jahre lang in sowjetischen Gefängnissen und Lagern verbracht hat – ist als Symbolfigur unermüdlich um Aufklärung über das tragische Schicksal der Krimtataren bemüht. Als Kind überlebte er 1944 die Vertreibung durch Stalin und kehrte erst 1988 im Zuge der Repatriierung wieder in die Heimat zurück. Die russischen Besatzer haben ihn nun erneut vertrieben. Derzeit lebt Džemilev im Exil, in Kiew und steht vor den Trümmern eines politischen Lebens für die Sache der Krimtataren. Er beschreibt die Besatzung wie folgt:

„[…] den Krimtataren geht es sehr schlecht, sie werden wie Menschen zweiter Klasse behandelt. 25 Jahre lang haben wir in einer Demokratie gelebt, auch wenn diese nicht an EU-Standards gemessen werden konnte. Nun erleben wir Zeiten, die noch schlimmer sind als während des Sowjetregimes.“

Die Krimtataren sind in ihrem Selbstverständnis die indigene Bevölkerung der Krim. Erst nach der russischen Eroberung im 18. Jahrhundert siedelten sich zunehmend Russen und Ukrainer an. Bis Ende des 19. Jahrhunderts stellten die vorwiegend sunnitischen Krimtataren die Bevölkerungsmehrheit.

1944 wurden die Krimtataren deportiert und rund die Hälfte der krimtatarischen Bevölkerung verlor bei der Vertreibung ihr Leben. Den Überlebenden und ihren Nachkommen wurde erst 1988 erlaubt, im Zuge der Repatriierung, in ihre Heimat zurückzukehren. Seit der Besatzung 2014 haben schätzungsweise 40.000 Krimtataren erneut ihre Heimat verlassen müssen.

Quellen / Informationen:
Memorandum: Drei Jahre Annexion der Krim
Martin Malek:  Die krimtatarische Bevölkerung ab 1991 Von der Repatriierung zur russländischen Besatzung

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