Die Fakten, Reaktionen der Weltgemeinschaft und Aktivismus der sudanesischen Zivilgesellschaft: Alles hier im Überblick.
Text: Sarah Reinke, Teamleitung Menschenrechte bei der Gesellschaft für bedrohte Völker
Foto: Darfur im Jahr 2015; by Hamid Abdulsalam, UNAMID
Die Fakten
- Beginn am 15. April 2023
Wer kämpft gegen wen?
- Abdel Fattah Burhan, General der regulären Streitkräfte (Sudanese Armed Forces – SAF) und heute Präsident
- Mohammed Hamdan Daglo, genannt Hemiti, Führer der sogenannten „Rapid Support Forces“ (RSF), hervorgegangen aus den Janjaweed Milizen, die hauptverantwortlich waren für den Genozid in Darfur 2003-2008.
Folgen für die Zivilgesellschaft
- 6 Millionen Flüchtlinge
- Davon 1,171,822 außerhalb des Landes und rund 4,8 Millionen innerhalb Sudans.
- 700 neue Flüchtlinge täglich alleine im Tschad.
- 9.000 Tote (laut offiziellen Zahlen)
- Verfolgung und Ermordung von Menschenrechtsverteidiger*innen, Aktivist*innen, Journalist*innen, Rechtsanwält*innen.
- Weitverbreitete Gewalt gegen Frauen.
- Etwa 25 Millionen Menschen sind dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen.
- Über 70% der Krankenhäuser können nicht mehr arbeiten.
- Über 70 Personen starben bereits an Cholera.
Orte des Krieges
Der Krieg begann in der Hauptstadt Darfur. Stück für Stück breitete sich die Gewalt in andere Region aus. Ein Zentrum der Gewalt liegt im Westen des Sudan, in Darfur. Hier wütete 2003-2008 ein Völkermord.
Die Täter von damals, die Janjaweed, sind heute als RSF zurückgekommen. Die Menschen fürchten, dass die RSF ganz Darfur unter ihre Kontrolle bringen könnte. In Darfur sind die Städte Nyala, Süddarfur, Zalingei, Zentraldarfur und Al FAshar in Norddarfur sowie El Geneina in Westdarfur betroffen. In El Obeid in Nordkordofan wird gleichfalls gekämpft. Es kommt auch in kleineren Städten und auf dem Land in Darfur und Kordofan zu Kampfhandlungen.
Und die Weltgemeinschaft?
Im saudi-arabischen Dschidda finden mit Unterbrechungen immer wieder Friedensgespräche, vermittelt von den UN, den USA, der Afrikanischen Union und der EU statt. Doch beide Seiten sind davon überzeugt, dass sie durch den Krieg ihre Positionen verbessern können. Die Friedensverhandlungen haben im Moment keine Perspektive.
Die internationalen Hilfsorganisationen veröffentlichen stetig Hilferufe und fordern zu Spenden auf. Doch die Staaten kommen diesen Aufrufen nicht nach. Es gibt viel zu wenig humanitäre Hilfe.
Der UN-Menschenrechtsrat hat im Oktober entschieden, eine Fact-Finding Mission in den Sudan zu entsenden, um die Menschenrechtsverletzungen dort zu untersuchen. Die Mission soll aus drei Personen bestehen und ein Jahr arbeiten. Der Sudan stimmt gegen diese Entscheidung.
Mitte November äußerte die Europäische Union ihre Bestürzung über die jüngste Eskalation der Gewalt in Darfur. Die Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Josep Borrell, erklärte in einer Erklärung, dass “die jüngsten Gräueltaten offenbar Teil einer umfassenderen ethnischen Säuberungskampagne sind, die von den RSF mit dem Ziel durchgeführt wird, die nicht-arabische Gemeinschaft der Masalit in West-Darfur auszurotten, und die zu der ersten Welle der Gewalt im Juni hinzukommt”.
Die EU arbeitet mit dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) und anderen internationalen Partnern zusammen, um Menschenrechtsverletzungen im Sudan zu überwachen und zu dokumentieren.
Sudanesische Zivilgesellschaft
Es waren sudanesische Frauen, Aktivistinnen im ganzen Land und besonders in der Hauptstadt Khartum, die 2019 die Diktatur des Langzeit-Herrschers Al Bashir ins Wanken brachten. Heute versuchen sie mit all ihrer Kraft, die Versorgung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten. Doch viele mussten fliehen, andere wurden ermordet und verhaftet. Eine ganze Generation aktiver und mutiger jungen Menschen im Sudan ist vom Krieg betroffen. „Der Krieg soll die Zukunft der jungen Generation, soll ihre Hoffnung zerstören“, sagt ein Aktivist in Berlin.
Am 13.11. trafen sich über 20 Frauenorganisationen in Kairo. Sie sind immer noch diejenigen, die versuchen, die Bevölkerung zu versorgen, Binnenflüchtlinge aufzunehmen, Rettungsräume, gerade auch für vergewaltigte Frauen einzurichten, und vieles mehr. Außerdem werden sie nicht einzufordern, dass sie in der Zukunft des Sudan eine aktive Rolle spielen müssen. Mehr dazu hier.
Schicksale
Am 6. November 2023 ermordeten Angehörige der RSF Mohamed Arbab, seinen Sohn und acht seiner Enkelkinder. Arbab war 87 Jahre alt. Seit 1959 war er in der Administration in West Darfur tätig, er gehörte dem Volk der Masalit an und war einer der Ältesten dieser Gemeinschaft.
Vom 4.-6. November wurden viele weitere Zivilisten im Ort Ardamata getötet. Hunderte wurden gefangen genommen. Davor hatten die RSF das nahe gelegene örtliche Hauptquartier der Armee nach Verhandlungen übernommen. Die Milizen gingen gezielt gegen Masalit vor und verschleppten auch Personen, von denen sie annahmen, dass diese mit der Sudanesischen Armee zusammengearbeitet hatten.
Eine Frau aus Darfur berichtet: „Auf unserer Flucht haben wir überall Leichen gesehen. Zwei, drei oder vier Leichen lagen am Straßenrand, auch Frauen, Kinder, alte Menschen. An einem Ort waren acht Menschen zusammengefesselt worden. So machen das die RSF. Sie sagen ihnen, sie sollen sich auf den Boden legen, fesseln die Menschen zusammen und töten sie. Häufig fragen sie nach dem Geschlecht der Kinder. Wenn es Jungen sind, dann werden sie mit einem Messer ermordet oder ins Feuer geworfen. Manchmal werden sie auch verschleppt, gefoltert und dann getötet. (…) Sie fragen nach der Volkszugehörigkeit: Bist du Burgo, Tama, Zaghawa, Mima oder etwas anderes? Wenn du zu den Masalit gehörst, ziehen sie dich auf die Seite und erschießen dich.“