Im Land des Zuckerhuts brodelt es: Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff ist suspendiert, ein Minister nach dem anderen tritt zurück und Rio de Janeiro ruft kurz vor Beginn der Olympischen Spiele den Finanznotstand aus. Umso erfreulicher ist da die Ankündigung der Ashaninka im westlichen Brasilien, die ihr umweltpolitisches Engagement mit einem neuen Projekt verstärken wollen.
von Yvonne Bangert und Eliane Fernandes Ferreira; Foto: © Eliane Fernandes Ferreira
Brasiliens Indigenenpolitik kann kaum noch schlimmer werden. Die amtierende Interimsregierung kommt nicht aus dem Krisenmodus heraus. Noch ist über den Verbleib von Präsidentin Rousseff im Amt nicht entschieden, da tritt ein Mitglied der Übergangsregierung nach dem anderen wegen Korruptionsvorwürfen zurück. Der Regierungsbezirk Rio de Janeiro, in dem in Kürze die Olympischen Sommerspiele beginnen sollen, hat den finanziellen Notstand ausgerufen. Die Lobby im Parlament, die mit Verfassungsänderungen wie der PEC 215 (amerika21) die Rechte der indigenen Bevölkerung schwächen und die Landrechte aushebeln will, ist stark wie schon lange nicht mehr. Die neueste Schreckensnachricht: Interimspräsident Michel Temer will mit General Peternelli einen Militär zum Präsidenten der Indigenenbehörde FUNAI machen, der gedanklich noch immer in der Militärdiktatur (1964 bis 1985) verhaftet ist und die Verfassungsänderung PEC 215 unterstützt, die faktisch den Schutzstatus von demarkiertem indigenem Land in Brasilien aufheben wird.
Bewundernswert unbeirrt halten unsere Freunde aus dem Ashaninka Gebiet am Rio Amônia trotz allem an ihrem Gegenentwurf eines friedlichen und naturverträglichen Lebens fest. (Gerade haben sie den 24. Jahrestag der Anerkennung ihres Gebietes gefeiert (Facebook).) Sie wollen ihr Engagement für den Umweltschutz jetzt sogar weiter ausbauen. Ihr neuestes Umweltschutzprojekt soll von der Associação Ashaninka do Rio Amônia – Apiwtxa mit unserem langjährigen Partner Benki Piyãko als Koordinator umgesetzt werden.
Der Bundesstaat Acre im Westen Brasiliens bietet eine reiche Artenvielfalt. Die Ashaninka-Gemeinde möchte sie durch ihr nachhaltiges Lebenskonzept erhalten.
Foto: © Eliane Fernandes Ferreira
Darum geht’s in dem Projekt:
Die Ashaninka, die am Fluss Amônia in Brasilien leben, sammeln seit Jahrzehnten Erfahrungen in Umweltpolitik und Umweltschutz. Jetzt wollen sie ihre Anstrengungen verstärken, diese Arbeit in allen rund 300 Gemeinschaften von Indigenen und Nicht-Indigenen in der Region des oberen Juruá Flusses zu verbreiten. Der Bezirk Marechal Thaumaturgo, in dem sich dieses Gebiet befindet, erstreckt sich über eine Fläche von 7.744 km2 – ist also zehnmal so groß wie Hamburg – und liegt im oberen Juruá-Becken im Bundesstaat Acre, einem Grenzstaat zu Peru.
Hier leben Indigene, ehemalige Kautschukzapfer (Seringueiros) und Nicht-Indigene von Produkten aus dem Urwald und betreiben Subsistenzwirtschaft, also Selbstversorgung. Ihre 300 Gemeinschaften sind über verschiedene Flüsse meist nur mit Booten erreichbar. Sie verteilen sich über den gesamten Bezirk. Doch obwohl sie von der Natur abhängig sind, verstärken sich die Umweltprobleme in den Gemeinschaften aufgrund von Unwissen und fehlenden Informationen. Sie betreiben illegale Abholzung, steigern ihre Viehzucht, die wiederum zu weiterer Entwaldung führt. Auch die unkontrollierten Brände, die zwischen August und Oktober auftreten, verschlechtern die Umweltsituation vor Ort. Hinzu kommen illegale Jagd und Fischerei. Auch ein Bewusstsein für nachhaltige Abfallwirtschaft, um die Böden und Gewässer nicht zu gefährden, muss erst noch entstehen.
Mit dem Ausbildungszentrum „Yorenka Ãtame“ setzen die Ashaninka ein Zeichen für ein friedliches Leben in einem intakten Regenwald. In dem Projekt lernen indigene und nicht-indigene Jugendliche alles Wissenswerte über die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen.
Foto: © Eliane Fernandes Ferreira
Umweltbildungsarbeit ist daher dringend notwendig. Glücklicherweise ist sie auch möglich: Denn der Vorteil für die Menschen in Marechal Thaumaturgo ist, dass sie mit dem Ashaninka Benki Piyãko einen erfahrenen Umweltaktivsten vor Ort haben, der weiß, wie‘s geht. Das hat er mit seiner Urwaldschule „Yorenka Ãtame“ (Förderverein für bedrohte Völker) seit Jahren bewiesen. Doch die Ashaninka wollen noch viel mehr Menschen mit ihrer umweltpolitischen Arbeit erreichen: Dafür müssen sie diese direkt in ihren Siedlungen aufsuchen. Sie wollen Teams aus ausgebildeten Umwelttechnikern bilden, die mit den Menschen über umweltfreundliche Techniken und deren Umsetzung sprechen können. Ihre Reise wird sie über die vielen Flüsse des Distrikts von Marechal Thaumaturgo führen, über den Bagé, Tejo, Arara, Juruá, Amônia und Breu. Dieser direkte Kontakt von Mensch zu Mensch macht einen Dialog zwischen indigenen und nicht-indigenen Gruppen erst möglich und so können sie gemeinsam über drängende soziale, wirtschaftliche und Umweltprobleme sprechen. Gleichzeitig können bestehende Vorurteile abgebaut werden.
Bildungsarbeit hat bei den Ashaninka Tradition
Schon seit den 1980er Jahren kämpfen die Ashaninka für den Schutz ihres Territoriums. Sofort nach der Anerkennung ihres Gebiets durch die Regierung 1992 entwickelten sie einen eigenen Umweltmanagementplan für ihre Gemeinschaft. Sie wussten: Wenn sie in ihrem Land aus eigener Kraft überleben wollen, müssen sie dort die natürlichen Ressourcen schützen. Und wenn es ihnen gelänge, ihre Umweltschutzprojekte auf die angrenzenden Gebiete auszudehnen, wäre ihr Land nachhaltig geschützt. Auch würde es ihren Nachbarn in der Umgebung ihres Territoriums besser gehen. Aus dieser Idee heraus entstand das Zentrum „Yorenka Ãtame“, das 2007 auf dem Gebiet der Stadt Marechal Thaumaturgo gegründet wurde, um den Nachbarn der Ashaninka ökonomische und umweltfreundliche Alternativen zur Waldzerstörung anzubieten.
Das aktuelle Umweltprojekt, bei dem die Ashaninka zu den Menschen direkt in ihre Gemeinschaften kommen, ist die konsequente Fortsetzung dieses Gedanken. Am Ende soll durch Umweltschutz eine bessere Lebensqualität für alle Bewohner der Region geschaffen werden. Die Chancen dafür stehen gut, denn die Region ist reich an Artenvielfalt. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen die Ashaninka finanzielle Unterstützung, denn die Reisen zu den Bewohnern von Marechal Thaumaturgo kosten viel Geld.
Wir alle können den Ashaninka helfen, ihre Vision zu verwirklichen und allen Bewohnern des Bezirks von Marechal Thaumaturgo den Weg zu einer besseren Lebensqualität und Zukunft zu zeigen. Ein umweltpolitisches Bewusstsein in der gesamten Bevölkerung von Marechal Thaumaturgo ist extrem wichtig für den Schutz der Natur am oberen Juruá Fluss.
So könnt ihr die Ashaninka unterstützen:
Empfänger: Förderverein für bedrohte Völker
IBAN: DE 89 2001 0020 0007 4002 01
BIC: PBNKDEFF
Postbank Hamburg
Betreff: Ashaninka
Die Spende kommt zu 100% beim Projekt an.
[Zu den Autorinnen]
YVONNE BANGERT ist seit mehr als 30 Jahren für die GfbV in Göttingen tätig, zunächst als Redakteurin der Zeitschrift “pogrom“ und der Internetseiten, seit 2005 als Referentin für indigene Völker.
DR. ELIANE FERNANDES FERREIRA ist GfbV-Brasilienexpertin und arbeitet seit Jahren eng mit den Ashaninka und anderen indigenen Gemeinschaften in Brasilien zusammen. Immer wieder ist sie vor Ort unterwegs, begleitete aber auch eine Delegation der Ashaninka zum UN-Weltklimagipfel in Paris im Dezember 2015.
Hat dies auf Chirimoya Tours Peru Reiseveranstalter rebloggt und kommentierte:
Auszug: “Im Land des Zuckerhuts brodelt es: Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff ist suspendiert, ein Minister nach dem anderen tritt zurück und Rio de Janeiro ruft kurz vor Beginn der Olympischen Spiel den Finanznotstand aus.”