Minderheiten in der Literatur: “There will be no surrender”

Ein Mensch, dem schon als Kind der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Ein Leben im freien Fall. So liest sich der Lebensbericht von Mitch Walking Elk (69), Cheyenne-Arapahoe, Musiker, Lehrer, Ex-Strafgefangener, Ex-Alkoholiker, Kämpfer in der Bürgerrechtsbewegung des American Indian Movement (AIM), Vater, Großvater, Ehemann, zumindest zu Beginn.

Autorin: Yvonne Bangert, Referentin für Indigene Völker

Schonungslos offen berichtet Mitch über erlittene Misshandlungen und Missbrauch in der Kindheit, über seine alkoholkranke Mutter, von der er sich oft verlassen gefühlt hat, und eigenen Alkoholmissbrauch, über seine diversen Haftstrafen, denen er sich oft durch Flucht entzog, Scheidungen. „Das Wichtigste ist“, schreibt er, „dass man nicht am Boden liegen bleibt, sondern wieder aufsteht.“ Und das hat er getan, immer wieder.

Mit sechs kam er in eine der Internatsschulen, die nach der Devise arbeiteten “Tötet den Indigenen, rettet den Menschen”. „Ich glaube, dass das, was mir in der Boarding School widerfahren ist, den Grundstein für ein Leben in Verbindung mit Verbrechen, Alkohol, Drogenmissbraucht, Gewalt, Gefängnissen und emotionaler Instabilität gelegt hat. Noch Jahre später war ich in diesem Netz gefangen.“ Doch Mitch steht zu seinen Fehlern, übernimmt Verantwortung, versteckt sich nicht hinter dem weißen Unrechtssystem.

Nach dem Internat folgt der Knast. Dort entdeckt er die indianische Spiritualität für sich, erstreitet vor Gericht das Recht, aus kulturellen und spirituellen Gründen die Haare lang zu tragen. Auch seine erste Gitarre kaufte er im Gefängnis – für vier Päckchen Zigaretten. Im Knast von Ohio wird er Mitte der 1970er Jahre Mitglied des American Indian Movement (AIM), politisiert sich, findet zu den eigenen kulturellen Wurzeln zurück, denn „spirituelle Erziehung stand immer ganz oben auf den Tagesordnungspunkten der AIM-Meetings“. Und: „Wegen AIM sitze ich heute nicht mehr im Gefängnis, trinke nicht mehr, bin nicht mehr drogensüchtig. Ich arbeite heute für das Wohlergehen meiner Leute.“

Seit den 1990er Jahren hat er sich auch als national wie international bekannter Singer/Songwriter etabliert, den seine Tourneen immer wieder nach Europa, auch nach Deutschland und in die Schweiz, führen. Der Titel seiner Autobiografie, die 2012 im Traumfänger Verlag erschien, ist gut gewählt: „There will be no surrender – Ich werde mich nie ergeben“.

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