Unterbrochen aber nicht abgebrochen: Der Widerstand gegen die Dakota Access Pipeline geht weiter

Seit April 2016 protestiert der Standing Rock Sioux Tribe nahe der Kleinstadt Cannon Ball in North Dakota gegen den bereits begonnenen Bau einer Ölpipeline. Anfang Dezember hieße es, dass es nun einen vorübergehenden Baustopp geben solle. Was wie ein großer Erfolg aussieht, scheint vielleicht doch nur ein Spiel auf Zeit zu sein.

von Yvonne Bangert; Foto: Dark Sevier via Flickr

Anfang Dezember 2016 herrschte Feierstimmung im Camp der „Water Protectors“, Aktivisten, die seit April dieses Jahres mit den Mitteln des bürgerlichen Ungehorsams gewaltlosen Widerstand gegen die Dakota Access Pipeline (DAPL) leisten. Die zuständige Bundesbehörde „Army Corps of Engineers“ hatte für das letzte Teilstück der Pipeline, das unterhalb des Trinkwassersees Oahe und des Missouri Rivers in der Nähe des Reservates der Standing Rock Sioux Öl aus den Fracking-Regionen North Dakotas transportieren soll, ihre Zustimmung verweigert. Die Behörde will nun endlich eine Umweltstudie durchführen. Außerdem soll ein alternativer Streckenverlauf geprüft werden.

Mehr als ein Etappensieg ist das jedoch nicht. In gut einem Monat, am 20. Januar 2017, wird Donald Trump im Weißen Haus einziehen. Er hat bereits wissen lassen, dass er das Projekt mit der Trassenführung direkt am Standing Rock Sioux Reservat durchziehen will. Sogar die Keystone XL Pipeline von den kanadischen Teersandfeldern zum Golf von Mexiko, die Präsident Obama durch sein Veto gestoppt hatte, will Trump wiederaufleben lassen.

Ursprünglich war geplant, die DAPL an der Stadt Bismarck – der Hauptstadt des US-Bundesstaates North Dakota mit vorrangig weißer Bevölkerung – vorbeizuführen. Doch dort hatten sich die Anwohner mit Verweis auf die Trinkwassersicherheit erfolgreich gegen den ursprünglichen Trassenverlauf gewehrt. Dessen Verlegung hin zum Indigenenland würde Trump allerdings weiterhin akzeptieren, die Proteste der „Water Protectors“ sind für ihn anscheinend aber nicht hinnehmbar. Und dass obwohl gerade erst etwa 200 Kilometer von Standing Rock entfernt eine Pipeline geborsten ist, die den Little Missouri und in der Folge auch den Missouri selbst mit Rohöl belastet. Umweltrassismus nennen es die „Water Protectors“, wenn man solche Risiken bei indigenem Landbesitz billigend in Kauf nimmt. Denn der Träger Energy Transfer baut die Pipeline auf Land, das nach einem Vertrag von 1851 zum Gebiet des Standing Rock Sioux Tribe gehört.

Die Verträge zwischen den Native Nations und den USA sind bis heute gültige Dokumente. Schon verlautet aus dem Umfeld des designierten Präsidenten Trump, man könnte ja darüber nachdenken, ölreiches – und dann wohl auch anderweitig wirtschaftlich interessantes – indigenes Land zu „privatisieren“. Seine Regierung wäre nicht die erste, die versuchen würde, durch erzwungene Auflösung der Reservate den Native Nations jegliche Existenzgrundlage zu entziehen.

Der Widerstand wird also weitergehen, denn diese einzigartige Koalition aus Native Americans und nicht-indigenen Umweltschützern sowie ihrer weltweiten Unterstützung durch indigene Gruppen aus Hawaii, Südamerika, Neuseeland oder Saamiland wird bestehen bleiben. Zudem gibt es mittlerweile unerwarteten Beistand von mindestens 2.000 Veteranen unter Führung von Wesley Clark jun., Sohn des Vier-Sterne-Generals Wesley Clark sen., der 1999 Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte im Kosovo-Krieg war. In einer viel beachteten Rede bat der Junior die versammelten Native Americans um Vergebung für Landraub und Raub der Bodenschätze, für Vertragsbrüche und Kindesraub, für die Zerstörung von Sprache und Kultur der Native Americans. Und er stellte mit einem Kniefall und gebeugten Hauptes sich und seine Gruppe in den Dienst der „Water Protectors“. Kniefälle, das wissen wir Deutschen spätestens seit dem Kniefall von Willi Brandt 1970 in Warschau, sind an Symbolkraft kaum zu überbieten.

Nach der Bekanntgabe des Baustopps am 4. Dezember 2016 forderte der Stammesratsvorsitzende Archambault die „Water Protectors“ auf, nach Hause zu gehen und sich nicht länger den Gefahren von Schneestürmen und extremen Minustemperaturen auszusetzen. Aber die Skepsis bei noch immer bis zu 1.000 Campbewohnern überwiegt. Sie vermuten, dass die Obama-Regierung den Konflikt nur solange hinausschieben will, bis die Nachfolgeregierung von Donald Trump das Ruder übernimmt. Daher bleiben sie, wo sie sind, um sofort an Ort und Stelle zu sein, wenn der Konflikt von neuem ausbricht.

Dabei geht es längst nicht mehr nur um die Pipeline. Stattdessen stehen sich zwei Weltanschauungen gegenüber: Macht euch die Erde untertan, koste es was es wolle, sagen die einen. Die anderen sind davon überzeugt, dass die Menschheit nur in Harmonie mit der Natur überleben kann. Dazu gehört auch sauberes Trinkwasser als Grundlage allen Lebens.


Wir fassen Nachrichten rund um die Proteste gegen die Dakota Access Pipeline regelmäßig auf unserem Blog zusammen oder übersetzen Interviews und Reden ins Deutsche. Alle Beiträge im Überblick findet ihr hier: Native Americans protestieren gegen die Dakota Access Pipeline in North Dakota


[Zur Autorin]

YVONNE BANGERT ist seit mehr als 30 Jahren für die GfbV in Göttingen tätig, zunächst als Redakteurin der Zeitschrift “pogrom“ und der Internetseiten, seit 2005 als Referentin für indigene Völker.

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