Honduras: Wenn Widerstand lebensgefährlich wird

Es gibt Frauen, die bewusst ihr Leben riskieren, wenn sie für das Recht ihrer Gemeinschaft auf Menschenwürde, eigenes Land, eine intakte Umwelt oder ungehinderte Ausübung ihrer Religion eintreten. Berta Cáceres war eine von ihnen.

von Yvonne Bangert; Foto: Goldman Environmental Prize via Wikimedia Commons

„Wir müssen den Kampf in allen Teilen der Welt auf uns nehmen, wo immer wir sind, denn wir haben keinen zweiten Planeten in Reserve. Wir haben nur diesen einen und deshalb müssen wir aktiv werden“, wird die indigene Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin Berta Cáceres vom Volk der Lenca in Honduras am 4. März in der Onlineausgabe des Guardian zitiert.

Für solche Worte braucht man in Honduras viel Mut. Denn in diesem Land ist es extrem gefährlich, sich für die Umwelt oder für Menschenrechte einzusetzen, besonders wenn man zu einer der neun indigenen und afro-honduranischen Minderheiten gehört. Seit 2010 kamen dort weit mehr als 100 Aktivisten ums Leben.

Auch Berta Cáceres war schon oft bedroht worden, wusste, dass ihr Name auf einer Todesliste stand. Deshalb schlief sie auch nicht mehr in ihrer eigenen Wohnung sondern bei Verwandten. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hatte von Honduras Maßnahmen zu ihrem Schutz gefordert. Aber der honduranische Staat blieb untätig. Jetzt hat Berta Cáceres ihren Mut doch mit ihrem Leben bezahlt. Am 3. März 2016 wurde sie von bislang unbekannten Tätern erschossen. Beim Angriff auf sie war auch der Aktivist Gustavo Castro aus Mexiko dabei, den die Täter verletzten. Als Zeuge des Mordes ist er in akuter Lebensgefahr und so wollte er gestern Honduras verlassen. Doch Sicherheitskräfte hinderten ihn an der Ausreise. Besonders bekannt war Berta Cáceres, Generalkoordinatorin des Zivilen Rates der Indigenen Organisationen von Honduras (COPINH), wegen ihres Widerstands gegen den Staudammkomplex Agua Zarca am Rio Negro in Honduras, für den die US-amerikanische Goldman-Stiftung sie im April 2015 mit dem Goldman-Umweltpreis auszeichnete. Es war eine wichtige Anerkennung des hohen Preises, den die Aktivisten in Honduras bezahlen: So wurden im Laufe des Konflikts um Agua Zarca bereits zuvor vier Mitglieder des COPINH ermordet. Auch das deutsche Unternehmen Siemens ist über das Joint Venture Voith Hydro als Turbinenlieferant an dem Staudammprojekt beteiligt, das zwar günstige Energie für Bergbau und Minen bereitstellt, aber gleichzeitig die Wasserzufuhr zum Gualcarque abschneidet. Dieser Fluss wiederum bietet die Lebensgrundlage der indigenen Lenca. Das Gebiet der größten indigenen Gemeinschaft in Honduras ist schon sehr lange dem Raubbau von Wirtschaftsinteressen ausgesetzt, von denen die Indigenen selbst keinen Nutzen haben. Berta Cáceres kämpfte dafür, dass sich das ändert.

In einem Land voll sozioökonomischer Ungerechtigkeit und Menschenrechtsverletzungen hat Berta Cáceres gemeinsam mit der indigenen Gemeinschaft der Lenca eine Graswurzelbewegung gegründet, die das Staudammprojekt Agua Zarca herausforderte. Dafür erhielt sie 2015 den Goldman Umweltpreis. (Video: Dankesrede in Spanisch mit englischen Untertiteln)

„Unter tiefem und aufrichtigem Schmerz informieren wir über die niederträchtige Ermordung unserer Gefährtin, Mutter, Lehrerin, Schwester, Anführerin und Freundin Berta Cáceres, Gründerin des COPINH“, heißt es in einer Pressemeldung der Organisation der COPINH, die von Gerardo Lerma Hernandez, Moderator der eigenen Sendung Babilonia des freien Radio Blau in Leipzig, verbreitet wurde. „Unsere Berta wurde durch die Kugeln der Ungerechtigkeit, durch den Hass und den Rassismus ermordet, der unser Land regiert. Heute beweinen wir ihren Tod, so wie den Tod der anderen Gefährt*innen, die in der Verteidigung des Flusses Gualcarque und der natürlichen Gemeingüter der Gemeinschaft der Lenca gestorben sind. Ihr Leben war das einer Kämpferin, das einer Kriegerin, die ohne Angst den unmoralischen Mächten dieses kapitalistischen, ausbeuterischen und unmenschlichen Systems entgegengetreten ist. … Die Drohungen gegen Berta und die anderen Mitglieder der Organisation wurden immer national und international angezeigt. Dennoch haben die honduranischen Institutionen alles unternommen, um Gerechtigkeit zu verweigern und die Existenz des COPINH zu verleugnen. Die Gefährtin Berta stand unter vorbeugenden Schutzmaßnahmen des interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte (CorteIDH) und dennoch wurde ihre Ermordung nicht verhindert.“

Mehr starke indigene Frauen und Umweltschützer:

Indigener Umweltschutz: Hüter der Erde

GfbV-Menschenrechtsreport: Indigene Umweltaktivisten in Lebensgefahr

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„Sisters in Spirit“ – vom sichtbaren Kampf der Unsichtbaren

[Update 9.3.2016]

In einer früheren Version wurde Gerardo Lerma Hernandez als Mitarbeiter des Radio Blau ausgewiesen. Die Angabe wurde geändert: Gerardo Lerma Hernandez hat seine eigenen Sendungen beim Radiosender, jedoch ist er dort nicht angestellt.

[Zur Autorin]

YVONNE BANGERT ist seit mehr als 30 Jahren für die GfbV in Göttingen tätig, zunächst als Redakteurin der Zeitschrift “pogrom“ und der Internetseiten, seit 2005 als Referentin für indigene Völker.

Ein Gedanke zu “Honduras: Wenn Widerstand lebensgefährlich wird


  1. […] Die Autorin und Schriftstellerin Nina Lakhani hat die Geschichte von Berta Cáceres recherchiert. »Chi ha ucciso Berta Cáceres?«, fragte sie nach. Ihre Erklärungen dazu, »Staudämme und Todesschwadrone gegen eine indigenen Verteidigerin unserer Welt«. Lakhani stellt ihre Recherche und ihr Buch in Bozen vor (am 28. April ab 18 Uhr im Garten des Stadtmuseums in der Sparkassenstraße). Sie kommt zum Schluss, in Honduras – und nicht nur dort – werde Widerstand lebensgefährlich. […]

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