Sollte alles nach Plan laufen, werden am Sonntag, dem 4. Dezember 2016, hunderte Veteranen der US-Armee auf der Standing Rock Sioux Reservation in North Dakota aufmarschieren. Gemeinsam mit den „Protectors“, die bereits seit Monaten gegen den Bau der Dakota Access Pipeline (DAPL) protestieren, wollen sie die Pipeline stoppen.
Von Giulietta Corti; Foto: ChrisSuperseal via iStock
Der Plan sieht folgendermaßen aus: Insgesamt sollen sich mindestens 500 Veteranen am 4. Dezember versammeln. Am folgenden Tag halten die Stammesmitglieder des Standing Rock Sioux Tribes für sie eine traditionelle Heilzeremonie ab. Anschließend marschieren die Veteranen in voller Militäruniform – ausgerüstet mit Gasmasken, Panzerwesten und Gehörschutz – und begleitet von Sioux-Kriegsliedern und dem Pfeifen von Dudelsäcken in Richtung des Ufers des Missouri-Flusses. Gemeinsam mit freiwilligen „Water Protectors“ (den Aktivisten im Camp) werden die Veteranen Arm in Arm den Fluss überqueren, um den aktuellen Standort der Bauarbeiten der Pipeline zu erreichen und zu umkreisen. Dafür müssen sie an den vor Ort eingesetzten Polizisten vorbeikommen, die in den vergangenen Wochen die friedlichen Demonstranten vermehrt mit Gewalt zurückgedränt hatten. Dieser unverhältnismäßige Einsatz der Ordnungskräfte ist einer der Hauptgründe, warum sich die Veteranen zur Solidarität und zum Protest entschlossen haben. Den Organisatoren des Veteranen-Protest, der vier Tage lang stattfinden soll, ist es dabei wichtig, dass die ehemaligen Soldaten gewaltfrei und friedlich demonstrieren.
Die Aktion ins Leben gerufen haben Clark Jr., ein 47-jähriger US-Veteran, der sich seit Jahren für Klimaschutz einsetzt, und Michael A. Wood Jr, ein Marine-Corps-Veteran. In ihrer Facebook-Veranstaltung “Veterans Stand for Standing Rock” rufen sie Veteranen dazu auf, sich unbewaffnet und friedvoll in Standing Rock zu versammeln, um die „Water Protectors“ vor den gewaltsamen Übergriffen und Einschüchterungen der Polizei und der Pipeline-Security zu schützen. Angesichts der seit Monaten immer stärker eskalierenden Situation in Standing Rock fühlten sich die beiden Veteranen verpflichtet, die Native Americans in ihrem Anliegen zu unterstützen. Und sie hatten großen Erfolg mit ihrem Aufruf, denn statt 500 planen nun sogar 2.000 Veteranen sich an dieser Solidaritätsaktion zu beteiligen.
Was für uns in Deutschland als kleine Nachricht erscheinen mag, hat in den Vereinigten Staaten eine große Bedeutung: Veteranen genießen ein sehr positives Ansehen und haben einen guten Ruf. So wird beispielsweise jedes Jahr am 11. November in den USA der „Veterans Day“ (dt. Veteranentag), ein nationaler Feiertag zu Ehren aller US-amerikanischen Veteranen, mit Paraden und anderen großen Gesten zelebriert. Dieses Ansehen genießen sie auch bei den Native Americans, von denen selbst sehr viele im Militär dienen oder gedient haben. Prozentual zu ihrer Bevölkerungsanzahl sind die Native Americans sogar die am stärksten vertretene Gesellschaftsgruppe im Militär. Die Gründe für diese hohe Beteiligung am Militärdienst sind vielschichtig und tief in der traditionellen indigenen Kultur verwurzelt. Einerseits bietet das Militär vor allem sehr armen Familien – von denen es gerade in den Reservaten leider viele gibt –, sich eine Existenz zu sichern. Darüber hinaus bringen charakteristische kulturelle Werte wie die stolze Krieger-Tradition – welche sich durch Stärke, Ehre, Stolz, Weisheit und Aufopferung auszeichnet – die Native Americans dazu, ihrem Heimatland zu dienen. Und das Gebiet der USA ist ihre Heimat; schon viel länger als es die Heimat jedes anderen Amerikaners ist. Hinzu kommen das Ansehen und den Status, den ein Soldat („Krieger“) in der Gesellschaft genießt. So sind Kriegern gewidmete Zeremonien wichtige Elemente in der spirituellen Welt der indigenen Gemeinschaften Nordamerikas.
So hat der Initiator des Veteranen-Protests Clark Jr. Recht, wenn er sagt: “Die Ureinwohner Nordamerikas haben im US-Militär gedient, den Boden unseres Heimatlandes verteidigt, mit einem größeren Prozentsatz als jede andere Gruppe von Amerikanern. Es gibt keine andere Gemeinschaft, die die Unterstützung der Veteranen mehr verdient.“
Wir fassen Nachrichten rund um die Proteste gegen die Dakota Access Pipeline regelmäßig auf unserem Blog zusammen oder übersetzen Interviews und Reden ins Deutsche. Alle Beiträge im Überblick finden Sie hier: Native Americans protestieren gegen die Dakota Access Pipeline in North Dakota