Ukraine/Russland: Chronik der Ereignisse im März 2017

Sarah Reinke, unsere Russland-Spezialistin und Leiterin des Berliner GfbV-Büros, dokumentiert auf unserem Blog seit September 2014 jeden Monat die Menschenrechtssituation in Russland und der Ukraine. Alle Chroniken im Überblick gibt es hier: Russland-Ukraine-Chronik

Foto: Aliokhin via iStock

22.03.2017

Hausdurchsuchung bei Delegiertem der krimtatarischen Volksversammlung

In Dmitrijevka (Dzhankoy Region, Krim) wurde das Haus von Remzi Muratov durchsucht. Muratov ist Delegierter des krimtatarischen Kurultai, der Volksversammlung der Krimtataren. Zair Smedljaev, selbst aktiv im Kurultaj und für die krimtatarische Nationalbewegung, erklärt dazu: „Meiner Ansicht nach ist diese Hausdurchsuchung eine direkte Folge dessen, was der Chef des russischen Sicherheitsrates Patruschew gestern auf einer Sitzung sagte. Die Ukraine versuche die Situation auf der Krim zu destabilisieren. In dieser Sitzung wurde angeblich erklärt, dass Muratov mit Lenur Islyamov, dem stellvertretenden Medschlis-Vorsitzenden in Kontakt war. Dies wurde dokumentiert“, kommentierte Smedlyaev für die Website “15 Minuten”.

Der Hauptzweck dieser Durchsuchungen ist Einschüchterung. Die repressive Maschine arbeitet weiter“, resümierte Smedlyaev. Am 21. März hatte Patruschew in einer Sitzung behauptet, dass die größte Bedrohung für die Sicherheit auf der Halbinsel Krim mit „den politischen Herausforderungen und wirtschaftlichen Druck aus dem Westen“ verbunden sei. Er glaubt auch, dass die Ukraine die Situation auf der Krim mit dem „nationalen Faktor“ destabilisieren wollen, also nationalistische, pro-ukrainische Kräfte dort stärken wolle.

21.03.2017

Nawalny gibt Interview trotz Angriff mit grünem Antiseptikum

Am 20. März eröffnete der bekannte Antikorruptionsblogger und Oppositionspolitiker Aleksej Nawalny in Barnaul ein Kampagnenbüro. Dabei wurde er mit „Zeljonka“ angegriffen, einem Antiseptikum, das in Russland seit Jahrzehnten zur Versorgung von kleinen Wunden eingesetzt wird und eine grüne Farbe hat. In seinem Interview sagte er, die Angreifer hätten ihm nur einen Gefallen getan, denn noch mehr Menschen würden das Video anschauen, wenn er mit grünem Gesicht auftritt. Er forderte die Zuschauer auf, sich an der für den 26. März geplanten landesweiten Demonstrationen gegen Korruption in Russland zu beteiligten. Nawalny will für die Wahlen im März 2018 Präsidentschaftskandidat werden und damit Präsident Putin direkt herausfordern. Daher versucht er in mehreren russischen Städten Kampagnenbüros aufzumachen. Doch zum Beispiel in Novosibirsk wollten ihn Gegner mit Eiern bewerfen, in Tomsk wurden Wohnungstüren und Autos seiner Mitarbeiter beschmiert, in Nischny Novgorod wurde Navalny am Bahnhof von einer Gruppe Menschen empfangen, die Plakate hoch hielten, auf denen er als Verräter bezeichnet wurde, auch in Ufa bezichtigten ihn Demonstranten ein Agent der USA zu sein.

21.03.2017

Prozess gegen Journalisten Semena: öffentliches Verfahren erstritten

Nach der Eröffnung des Prozesses gegen den ukrainischen Journalisten Mykola Semena gestern in Simferopol gab es Streit um die Frage, ob das Gerichtsverfahren öffentlich zugänglich sein sollte oder nicht. Es waren etliche Journalisten erschienen. Letztlich setzten sich Semenas Anwälte durch, nachdem sie vom Gericht beschuldigt waren, kapriziöse Forderungen zu stellen. Sie betonten auch, dass der kleinste Gerichtssaal gewählt worden sei, obwohl die anderen Räume frei waren. Zum Vorbereiten wurde ihnen so eine kleine Kammer zur Verfügung gestellt, dass die dort nicht einmal ihre Akten ausbreiten konnten. Als sie das kritisierte, sagte die Richterin, als nächstes würden sie wohl fordern, man solle ihnen „Kaffee ans Bett“ bringen. Die Sitzung wurde schnell wieder beendet und als nächster Termin der 3. April festgelegt.

20.03.2017

Europäischer Menschenrechtsgerichtshof fordert von Russland Kompensation für „Folter und illegalen Freiheitsentzug“

Am 14. März urteilte das Straßburger Gericht, dass russische Sicherheitsdienste für den Angriff gegen den Leiter der in Moskau ansässigen Menschenrechtsorganisation Memorial, Oleg Orlov 2007 verantwortlich gewesen seien. Orlov und ein Team des Senders „REN-TV“ waren in Inguschetien, um über den Tod eines Kindes während einer so genannten Sicherheitsoperation zu recherchieren. Da drangen Männer in Uniform in ihr Hotelzimmer ein, entführte die Gruppe, verprügelte und bedrohte sie mit dem Tod, sollten sie nochmals nach Inguschetien einreisen. Die lokalen Behörden hatten die Ermittlungen schon 2008 eingestellt, Orlov und seine Begleiter hatten sich dann 2012 an den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gewandt. Russland muss den Geschädigten eine Kompensation in Höhe von 84.000 € zahlen.

20.03.2017

Zwei Krimtataren verschwunden

Rizvan Sulejmanovic Abduramanov  sowie Mudressir Isaev werden auf der Krim vermisst. Abduramanov, geb. 1968 wollte nach Feodosia zur Arbeit fahren, dort wurden auch seine Papiere aufgefunden, doch von ihm selbst fehlt jede Spur, sagt der Vorsitzende des Medschlis auf der Krim, Nariman Dscheljal. Isaev lebte im Dorf Alekseevka, er soll etwa 60 Jahre alt sein. Er war hatte seinen Hund im Wald ausgeführt, dieser war aber ohne Herrchen zurück gekommen. Er fehlt schon seit vier Tagen. Die Krimtataren rufen andere auf, sich an der Suche zu beteiligen. Im Moment gelten 14 Krimtataren als verschwunden.

20.03.2017

Heute beginnt Verfahren gegen Journalisten Semena

Heute soll das Verfahren gegen den bekannten ukrainischen Journalisten Mykola Semena in Simferopol beginnen. Er ist des Separatismus angeklagt aufgrund eines Artikels, den er im Zusammenhang mit der von Krimtataren initiierten Blockade der Krim 2015 geschrieben hatte. Sein Beitrag war Teil einer online-Diskussion über die Blockade an sich. Semena darf die Krim nicht verlassen und muss jedes Mal um Erlaubnis fragen, wenn er sich aus Simferopol entfernen möchte. Dieses Gerichtsverfahren gegen einen ukrainischen Staatsbürger erfolgt eine Woche nachdem auch das Europäische Parlament Russland in einer Resolution aufgefordert hat, 30 Ukrainer aus russischen Haftanstalten in Russland, auf der Krim oder im Kriegsgebiet im Osten der Ukraine zu entlassen. Auch die USA hatten an Russland appelliert, die Vorwürfe gegen den gesundheitlich angegriffenen 66-jährigen Semena fallen zu lassen

17.03.2017

Schikane an der Grenze zur Krim: Verhaftung von Menschenrechtlern

Am 13. März wurde eine Gruppe von ukrainischen Menschenrechtsaktivisten vom russischen föderalen Sicherheitsdienst Russlands an der Grenze zur Krim festgenommen. Unter den Verhafteten war die Koordinatorin der Menschenrechtsgruppe auf der Krim (Крымская группа по правам человека) Olga Skrypnyk, ihr Kollege Vladimir Chekrygin und der ukrainische Ombudsmann für die Krim, Karen Hataryan. Sie wurden sieben Stunden im russischen Kontrollzentrum festgehalten und erst nach starken öffentlichen Protesten freigelassen. Die russischen Beamten fertigten ein Protokoll über die Verletzung der Staatsgrenze Russlands an.

Nach der Freilassung gab Olga Skripnik dem Sender krym realii ein Interview:

“Wir hatten eine Reise zur administrativen Grenze unternommen, um Informationen über die Situation an dieser Grenze zu sammeln, weil sich in der letzten Zeit mehr und mehr Menschen über die Behandlung an dem Grenzübergang beschwert hatten. Unsere Krim-Menschenrechtsgruppe beobachtet die ukrainischen Checkpoints regelmäßig.

Aber dieses Mal wurden wir mit einer unerwarteten Situation konfrontiert. Kurz vor unserer Ankunft senkten die Beamten am russischen Kontrollpunkt “Kalanchak” die Nationalflagge. Daher konnten wir von der ukrainischen Seite aus nicht sehen, wo “das russische Territorium beginnt”. In der Tat gibt es die so genannte “Pufferzone” am Kontrollpunkt “Kalanchak” nicht: Ukrainische und russische Soldaten stehen sich hier direkt gegenüber. Nur die Fahnen markieren das Ende des ukrainischen und den Beginn des russischen Gebietes. Als wir mit unserer Befragung fertig waren, mussten wir zurückfahren und dafür das Auto wenden. Dafür wiederum muss ein Betonblock umfahren werden. Als ich hinter diesem Block war, wurden wir von bewaffneten Männern in Tarnanzügen gestoppt und aus dem Auto geholt. Wir seien unberechtigt auf russisches Staatsgebiet gefahren, wurde uns vorgeworfen.“

[Übersetzt von Sarah Reinke, GUS-Referentin der GfbV]

16.03.2017

Neues Waffensystem auf der Krim installiert

Nach Angaben aus russischen Medien hat das russische Militär auf der Krim das System “Murmansk-BN” installiert, das den Schiffsverkehr der NATO-Staaten im Mittelmeer beobachten soll. Schon vor dem Aufbau dieses „Murmansk-BN“ hatten auch ukrainische Medien immer wieder davor gewarnt, dass Waffensysteme auf die Krim gebracht werden, insbesondere U-Boote mit Cruise Missles, Raketensysteme für die Küste, außerdem werden die Luftstreitkräfte und die Marine, die auf der Krim stationiert sind, personell ausgebaut.

16.03.2017

UN besorgt über Verfolgung von Anwälten auf der Krim

Die Leiterin der UN Monitoring Mission zu Menschenrechten in der Ukraine, Fiona Frazer, sagte in Kiew, sie hätten eine neue Tendenz dokumentiert und zwar die illegale Einmischung in die professionellen Aktivitäten von Anwälten in  bekannten Gerichtsverfahren auf der Krim. Weiter würde Folter und Misshandlung gegen Gefangene angewandt, um Geständnisse zu erzwingen, auch würden weiter inhaftierte ukrainische Staatsbürger in die Russische Föderation in Gefängnisse gebracht. Am 25. Januar war zum Beispiel der Anwalt Nikolai Polozov in Simferopol festgenommen und zu seinem Mandanten Ilmi Umerov verhört worden. Auch der Anwalt Emil Kurbedinov wird in seiner Arbeit behindert. Er hat sich für die widerrechtlich inhaftierten krimtatarischen Muslime eingesetzt und wurde dafür 12 Tage inhaftiert.

15.03.2017

Festnahme und Freilassung

Der Krimtatare Emil Mukhteremov wurde in Feodosia von Geheimdienstmitarbeitern festgenommen. Darüber berichtet Refat Tschubarov, der Vorsitzende des Medschlis in den sozialen Medien. Er wurde im Gebäude des FSB in Feodosia verhört und später auf der Straße nahe dem Dorf Zybino gezwungen, eine Grube zu graben. Dabei sagten die FSB-Beamten, in dieser Grube werde man ihn beerdigen. Nach diesen Drohungen fuhren die Geheimdienstmitarbeiter weg und ließen den jungen Mann dort zurück. Er konnte sich mit seiner Familie in Verbindung setzen.