Ukraine/Russland: Chronik der Ereignisse im Mai 2016

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Sarah Reinke, unsere Russland-Spezialistin und Leiterin des Berliner GfbV-Büros, dokumentiert auf unserem Blog seit September 2014 jeden Monat die Menschenrechtssituation in Russland und der Ukraine. Alle Chroniken im Überblick gibt es hier: Russland-Ukraine-Chronik

26.05.2016

Wieder Hausdurchsuchungen bei Krimtataren

Heute Morgen finden parallel mehrere Hausdurchsuchungen in mehreren Orten der Krim statt. Genannt werden Kamenka, Choshkeldi, Stadtteile von Simferopol und Alupka. Im Haus von Timur Osmanov soll die Durchsuchung abgeschlossen sein. Er selbst wurde zum so genannten Zentrum E (Zentrum zur Bekämpfung des Extremismus) gebracht. Auch die Wohnungen seiner Freunde Chajser Chalilov und Artur Chaltaev werden durchsucht. Die drei betreiben zusammen ein Geschäft. Auch dort, in einem Stadtteil Simferopols, werden Durchsuchungen durchgeführt. Die Angaben werden derzeit noch überprüft. Mehrere Personen auf der Krim melden, dass es sein könnte, dass noch weitere Wohnungen durchsucht werden sollen.

26.05.2016

UN-Unterkomitee zur Verhinderung der Folter bricht Besuch in der Ukraine ab

Am 19. Mai begann die Gruppe unter der Führung von Malcolm Evans mit ihrer Arbeit. Am 25. Mai jedoch teilte sie mit, dass ihr der Zugang zu mehreren Landesteilen verweigert wurde. Dort, so der Verdacht der Gruppe, sollen Personen vom ukrainischen Sicherheitsdienst festgehalten werden. Es lägen „zahlreiche und ernsthafte Vorwürfe darüber vor, dass Menschen an Orten festgehalten würden, wo Folter und andere Misshandlung angewandt wurden“. Die Delegation sollte die Umsetzung der Forderungen aus dem ersten Besuch 2011 in der Ukraine überprüfen.

26.05.2016

Russlands Föderationsrat zum NGO Gesetz

Am 25. Mai beschäftigten sich die Abgeordneten des russischen Oberhauses mit Zusätzen zum so genannten NGO-Gesetz. Am vorangegangenen Freitag waren diese Zusätze schon von der Duma, dem Unterhaus verabschiedet worden. Doch die genauere Definition von „politischer Tätigkeit“ ist völlig unzureichend, sagt zum Beispiel Alexander Nikitin, Leiter des Zentrums für Umweltrechte, Bellona in St. Petersburg. „Die Liste der politischen Aktivitäten umfasst praktisch alles, von Verteidigung über internationale Politik, sozial-wirtschaftliche und nationale Beziehungen, Gesetzgebung über Menschenrechte. Es wäre einfach gewesen, einen Satz ins Gesetz zu schreiben: Die Aktivitäten von NGOs sind maximal eingeschränkt.“

25.05.2016

Krimtatare verschwunden

Ervin Ibragimov, Mitglied eines regionalen Medschlis, der gleichzeitig Abgeordneter im Weltkongress der Krimtataren ist, ist verschwunden und es besteht keine Möglichkeit mit ihm in Kontakt zu treten. Das teilt Ajshe Umerova, eine Journalistin des Fernsehsenders ATR mit. Am Morgen sollte er nach Sundak fahren, aber dort kam er nie an. Der Vorsitzende des krimtatarischen Kurultaj, Zair Smedljaev teilt mit, bei seinem letzten Anruf habe Ibragimov die Papiere für das Auto verlangt. Das, so Smedljaev könnte darauf hindeuten, dass Ibragimov in eine Kontrolle der Sicherheitskräfte geraten sei. Die Befürchtung ist nun, dass auch Ibragimov verhaftet worden sein könnte.

25.05.2016

Kommt heute Nadja Sawtschenko frei?

Die Gerüchte verdichten sich: Endlich könnte wirklich heute der Tag der Übergabe der ukrainischen Pilotin Nadja Sawtschenko an die Ukraine gekommen sein. Anscheinend ist der Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko gerade auf dem Weg nach Rostov am Don, um den Austausch gegen zwei russische Gefangene umzusetzen.

25.05.2016

Neue Menschenrechtsbeauftragte Russlands macht Vorschläge zur Krim

Tatjana Moskalkowa hat dem Föderationsrat Russland einen Bericht über Menschenrechtsprobleme auf der Krim vorgelegt. Diesem zufolge leben mehr als 100.000 Personen, russische Soldaten und deren Familien in unter schlechten Bedingungen und hätten kaum Zugang zu Krankenhäusern. Sie ergänzte „Nach einem Staatsstreich in der Ukraine ist eine große Zahl an Menschen auf die Krim gekommen, die es schwer haben, eine Staatsbürgerschaft zu bekommen“. Außerdem gäbe es Unzufriedenheit mit den gestiegenen Lebensmittelpreisen, den überfüllten Untersuchungsgefängnissen und dem Ausstellen von Zertifikaten über die Rehabilitation der Krimtataren.

25.05.2016

Sieben ukrainische Soldaten kommen im Osten der Ukraine ums Leben

Am 24. Mai gab das Verteidigungsministerium der Ukraine bekannt, dass in den letzten 24 Stunden sieben ukrainische Soldaten getötet worden seien. Das ist die höchste Zahl in diesem Jahr. Die von Russland unterstützten Separatisten hätten ihre Angriffe auf ukrainische Soldaten intensiviert, kritisiert Oleksandr Turchynov, Leiter des nationalen Sicherheitsrates. Seit April 2014 sind in den Kämpfen mehr als 9.300 Personen getötet worden.

23.05.2016

Vier gläubigen Krimtataren drohen bis zu 15 Jahre Haft

Am 18. Mai begann das Verfahren gegen vier Krimtataren, die wegen ihrer vermutlichen Zugehörigkeit zur in Russland verbotenen Organisation Hizb ut Tahrir angeklagt werden. Die vier Männer, Ruslan Zeitullayev, Rustem Vaitov, Nuri Primov and Ferat Saifullayev wurden schon nach Rostov überstellt, wo das Verfahren am 1. Juni fortgesetzt werden soll.
Ruslan Zeitullayev, Nuri Primov and Rustem Vaitov sind schon seit Januar 2015 in Haft. Ferat Saifullayev wurde Anfang April festgenommen. Alle sind unter Artikel 205 § 5 des russischen Strafgesetzbuches angeklagt (Organisation oder Teilnahme an einer terroristischen Organisation). Der 29-jährige Zeitullayev, Vater von drei kleinen Kindern, ist angeklagt, eine so terroristische Organisation aufgebaut zu haben. Deshalb drohen ihm bis zu 15 Jahren Haft. Die anderen Gefangenen könnten bis zu zehn Jahre hinter Gitter kommen. Es liegt offenbar nicht einmal ein Beweis vor, dass die vier Männer überhaupt Mitglieder von Hizb ut Tahrir sind. Auch die Anwälte sehen dafür keinerlei Belege.
14 Männer sind aktuell in Haft, davon sind 12 Krimtataren. Unter ihnen auch der bekannte Menschenrechtler Emir-Husejn Kuku.

23.05.2016

Mustafa Degermendzhy, Krimtatare in Haft, hat heute Geburtstag

Heute, am 22. Mai, wird Mustafa Degermendzhy 27 Jahre alt. Es ist sein zweiter Geburtstag in russischer Haft. Er war am 7. Mai 2015 verhaftet worden. Seitdem wird er festgehalten. Wiederholt hatten die Behörden ihm die Freilassung angeboten, wenn er gegen den früheren Vizepräsidenten des krimtatarischen Medschlis, Achtem Chijgoz, der gleichfalls in Haft ist, aussagen würde. Das hat der heute 27-Jährige aber standhaft verweigert. Eine Initiative in der Ukraine ruft zu Geburtstagsgrüßen für Degermendzhy auf:

Please send birthday greetings to Mustafa Degermendzy!

Any letters need to be in Russian and avoid politics or anything that could get him into trouble. If this is difficult, then the following would be fine.
С днём рождения, Мустафа! Мы о Вас помним и надеемся на скорое освобождение. Держитесь!
[Happy Birthday Mustafa! You are not forgotten and we hope you will soon be freed. The last word is a friendly expression like ‘hang in there’.]
You can send letters to the Representative Office of the Mejlis of the Crimean Tatar people in Kyiv (01014, Київ, вул. Сєдовців, 22/14, Ukraine, Kyiv), adding Mustafa’s name ДЕГЕРМЕНДЖИ Мустафе 1989 г.р.
PLEASE also send birthday greetings on Facebook and Twitter, using the hashtag #Degermendzhy
Please also use the same addresses to write to Akhtem Chiygoz and Ali Asanov. Show them, and the Kremlin, that they are not forgotten!

17.05.2016

Sieg Jamalas beim ESC in Stockholm: Missgunst von russischer Politik und Presse, Vereinnahmungsversuche in der Ukraine

Am 14. Mai gewann die Krimtatarin Jamala mit ihrem Lied „1944“ den Eurovision Song Contest in Stockholm für die Ukraine. Das russische Staatsfernsehen kritisierte sofort, Jamala habe durch die Punkte der Jury gewonnen. Die Sprecherin des russischen Außenministerium Maria Sacharowa sagte sogar, wer im nächsten Jahr gewinnen wolle, der solle ein Lied über den syrischen Machthaber Assad dichten: „Assad ist blutig, Assad ist der Schlimmste. Gebt uns den Preis, damit wir den Wettbewerb gewinnen.“

Doch das Lied gefiel den russischen Fernsehzuschauern: Sie gaben Jamala zehn Punkte, die zweithöchste Wertung insgesamt. In der Ukraine wurde die ESC-Gewinnerin begeistert empfangen. Hier droht eher die Vereinnahmung von nationalistisch gesinnten Ukrainern. Doch Jamala bleibt sich treu, sie sagte bei der Ankunft, sie hoffe, dass nun viele Menschen die Krimtataren und auch deren bittere Geschichte besser verstünden.

Einen guten Kommentar dazu finden Sie im Deutschlandfunk.

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Die Krimtatarin und Gewinner des Eurovision Song Contest 2016 Jamala während einer Pressekonferenz in Stockholm am 14. Mai 2016.

17.05.2016

Russischer Oppositionsführer Aleksej Nawalny und fünf Begleiter von Kosaken angegriffen

Als Aleksej Nawalny und fünf Personen, die zu seiner Stiftung gehören, im südrussischen Anapa mit dem Flugzeug landeten, wurden sie im von Kosaken angegriffen, die sie anschrien, die Gruppe rund um den Anti-Korruptionsaktivisten solle ihr Land verlassen.

17.05.2016

Dorf in Tschetschenien abgeriegelt

Kenkhi, das Dorf von Ramazan Dzhalaldinov, der sich am 14. April beim russischen Präsidenten Wladimir Putin über die Lebensbedingungen in Tschetschenien und die Korruption der örtlichen Behörden beschwert hatte, wurde heute von der Polizei abgeriegelt. Die Dorfbewohner wurden einzeln verhört. Sie sollten sagen, wo sich Dzhalaldinov befindet. Sofort, nachdem Dzhalaldinov seine Videobotschaft an Putin veröffentlich hatte, bekam er Drohungen und wurde aufgefordert, in die Nachbarrepublik Dagestan zu fliehen. Letzte Woche, am 12. Mai, wurde seine Frau mit den Kindern gezwungen das gemeinsame Haus zu verlassen. Männer mit Gesichtsmasken drangen ins Haus ein und zündeten es an. Die Frau und ihre Kinder wurden zur Grenze zwischen Tschetschenien und Dagestan gebracht, dort wurden ihnen ihre Pässe abgenommen. Die dagestanische Abteilung der liberalen Jabloko-Partei forderte von Präsident Putin, dass diese Vorfälle von unabhängiger Seite untersucht werden müssten.

12.05.2016

Weitere Durchsuchungen auf der Krim: heute vier Festnahmen

Je näher der Jahrestag der Deportation der Krimtataren am 18. Mai 2016 rückt, desto mehr Durchsuchungen finden auf der Krim statt, melden Menschenrechtler vor Ort. Heute waren Krimtataren in Bachtschisaray betroffen. Vier Krimtataren wurden festgenommen:
Zevri Abseitov, Remzi Memetov, Rustem Abiltarov und Enver Mamutov. Diese Angaben stammen vom Rechtsanwalt Emil Kurbedinov. Das Café “Caravan-sarai Salachik” wurde von bewaffneten Soldaten durchsucht. Zwei Busse mit Polizisten fuhren vor dem Café vor. Die pro-russische Staatsanwältin der Krim, Natalia Poklonska gab gegenüber der russischen Nachrichtenagentur TASS an, die Durchsuchungen fänden im Zusammenhang mit dem “Hizb ut-Tahrir Fall statt. Hizb ut-Tahrir ist eine in Russland verbotene muslimische Organisation. Weil sie dieser angehören sollen, wurden schon vier Männer verhaftet.

12.05.2016

Unsicherheit über das weitere Schicksal von Nadja Sawtschenko: Zweiter Geburtstag in Haft

Heute wird die ukrainische Pilotin, Nadja Sawtschenko 35 Jahre alt. Es ist ihr zweiter Geburtstag in russischer Haft. Obwohl es seit ihrem Schuldspruch – sie war am 22. März 2016 zu 22 Jahren Haft verurteilt worden – immer wieder Meldungen über ihre baldige Überführung in die Ukraine gab, gibt es noch nichts Konkretes. Der Präsident der Ukraine, Petro Petroschenko, genau wie auch der Außenminister gratulierten, und in Kiew versammelten sich Menschen und gedachten der inhaftierten Pilotin.

09.05.2016

Massenfestnahme auf der Krim

Am vergangenen Freitag, den 6. Mai, wurden im Dorf Molodioznoe 100 muslimische Krimtataren während des Freitagsgebets in der Moschee festgenommen. Da die Sicherheitskräfte nicht alle Festgenommenen mit den für den Einsatz bereit gestellten Bussen mitnehmen konnten, ordneten sie an, dass die restlichen unter Verdacht stehenden Personen selbst zum örtlichen Polizeirevier kommen sollten. Die zahlreichen Festnahmen wurden damit begründet, dass unter den fürs Gebet versammelten Muslimen sich Personen aus dem Nordkaukasus befinden würden, die sich illegal auf der Krim aufhielten.

Einen Tag später, am 7. Mai, wurden weitere 25 Krimtataren auf dem zentralen Markt der Stadt Eupatoria festgenommen. Dieses Mal seien die Festnahmen durchgeführt worden, weil die Polizei den Mörder einer Familie in Krasnodar suche.

Alle Festgenommen mussten ihre Fingerabdrücke abgeben. Nach Aufnahme der Informationen und anschließenden Überprüfung der Angaben wurden die festgenommenen Krimtataren alle wieder freigelassen.

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