Foto: Juan Manuel Herrera/OAS via Flickr [Symbolbild]
Sie nutzte ihr Recht auf Meinungsfreiheit und wurde deswegen verklagt: Die indigene Kolumnistin Francisca Gómez Grijalva berichtete im Februar 2013 über den Kampf indigener Gemeinden gegen den guatemaltekischen Baustoffhersteller Cementos Progreso, woraufhin vom Unternehmen eine Klage gegen sie angestrebt wurde. Sie selbst wandte sich Ende 2013 an das guatemaltekische Verfassungsgericht – und wartet nach fast zwei Jahren immer noch auf dessen Urteil.
Im folgenden Text, aus dem Spanischen übersetzt von Catherina Schönhammer und Stephanie Brause, macht Francisca Gómez Grijalva darauf aufmerksam, dass ihr Recht auf Meinungsfreiheit, das in der Verfassung verankert ist, verletzt wurde. Ihr Text ist ein Appell an den guatemaltekischen Staat, dieses Recht zu schützen und zu gewährleisten.
6.8.2014
Francisca Gómez Grijalva
Es ist ein unveräußerliches und fundamentales Menschenrecht, Gedanken frei zu äußern. In Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948) heißt es: „Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“ Auch in den Verfassungen demokratischer Staaten wird dieses Recht anerkannt und garantiert. So auch in Guatemala: Im 35. Verfassungsartikel ist festgesetzt, dass wir, das guatemaltekische Volk, unsere Meinung frei äußern und über Medien jedweder Art verbreiten können, ohne Zensur und ohne eine vorherige Erlaubnis einzuholen. Es ist ein Recht, das weder durch das Gesetz noch durch irgendwelche Regierungsanordnungen eingeschränkt werden kann.
Das bedeutet, dass uns allen dieses Recht garantiert wird und wir es voll und ganz ausüben können, ohne deswegen diskriminiert zu werden: egal welche ethnische Zugehörigkeit wir haben oder welches Geschlecht. Auch unser ideologischer, sozialer oder wirtschaftlicher Hintergrund spielt dabei keine Rolle. Das Recht auf Meinungsfreiheit ist unabhängig von sexuellen Neigungen, der Bildungsschicht, der geografischen Herkunft, des Alters oder irgendeiner Gruppenzugehörigkeit.
Meinungsfreiheit ist ein Bürgerrecht, das es uns erlaubt, individuelle wie auch kollektive Menschenrechte einzufordern, zu stärken und zu verteidigen. Ebenso gestattet es uns, unsere eigene Individualität, unsere eigenen Ideen und Gedanken auszudrücken.
Sich frei zu äußern, sich zu informieren und das Recht auf Informationsfreiheit zu genießen, ist wichtig, um Gerechtigkeit und sozialen Frieden zu erlangen. Diese Voraussetzungen ermöglichen es, unterschiedliche kritische und kreative Gedanken in demokratischen Gesellschaften einzubringen. Sie sind der Grundstein für ein friedliches Zusammenleben von verschiedenen Völkern. In Guatemala, einem Land voller Vielfalt und Völker, sollte Meinungsfreiheit deswegen geschützt werden.
Dennoch kam es in unserem Land in den letzten zwei Jahren zu offenkundigen und systematischen Verletzung der Meinungsfreiheit. Journalisten, Wortführer, alternative Kommunikationsmedien, gesellschaftliche Korrespondenten, Menschenrechtsverteidiger – wir alle haben Einschüchterungen, Zensur und Kriminalisierung erlitten und werden tagtäglich damit konfrontiert. Der Grund: Wir machen die gravierende Missachtung der Menschenwürde sichtbar und verteidigen die Rechte der Gruppen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Wir setzen uns ein für Umwelt-, Land- und Bürgerrechte, das Recht auf Bildung oder auch politische und wirtschaftliche Rechte.
[…]
Meinungsfreiheit, egal, ob wir Kritik üben oder uns für Gerechtigkeit aussprechen, ist der Schlüssel, um die zeitgenössische Demokratie und den Rechtsstaat aufzubauen und zu stärken – vor allem in vielsprachigen und multikulturellen Gesellschaften wie der unsrigen. Aus diesem Grund ist der guatemaltekische Staat verpflichtet, dieses Recht für die gesamte Bürgerschaft zu schützen und zu gewährleisten.
[Zur Autorin]
FRANCISCA GÓMEZ GRIJALVA ist eine indigene Journalistin aus Guatemala. Wöchentlich veröffentlicht sie in der wichtigsten guatemaltekischen Tageszeitung Prensa Libre ihre Kolumne „Ukemik Na’oj“, was in Kʼicheʽ so viel bedeutet wie Gefühle, Gedanken und Ideen weben. In ihrer Kolumne thematisiert sie Menschenrechtsverletzungen und soziale Probleme, unter denen die Gesellschaft in Guatemala zu leiden hat.