Fast hundert Jahre später beginnt in Argentinien ein Prozess gegen ein Massaker an Indigenen

Die argentinische Justiz hat am 19. April einen Prozess eröffnet, der das sogenannte „Massaker von Napalpí“ im Jahr 1924 aufklären soll. Bei dem Massaker wurden zwischen 300 und 500 Angehörige der indigenen Völker der Qom und Moqoit durch Soldaten, Polizisten und Siedler ermordet.

Von Eliane Fernandes, Referentin für indigene Völker; Foto: Rosa Grilo, 114, Überlebende vom Napalpí Massaker.

Dies ist ein historischer Prozess, denn es wäre das erste Mal, dass ein Massaker an Indigenen in Argentinien als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft wird. „Wir werden auf konkrete und eindringliche Weise zeigen, wer an diesem Völkermord beteiligt war und wer dafür verantwortlich ist“, sagte der mit der Anklage beauftragte Bundesstaatsanwalt Federico Garniel während der Anhörung in Resistencia, der Hauptstadt der Provinz Chaco, im Nordosten Argentiniens.

Dies ist der erste Prozess, der die systematische Verfolgung von indigenen Völkern in Argentinien untersucht. Im Jahr 2018 wurde der Fall Napalpí als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und damit als unaufschiebbar erklärt. Da es jedoch keine lebenden Angeklagten gibt, handelt es sich um eine Art „Wahrheitskommission“, die den Vorfall untersuchen, aufklären und publik machen soll, um die Opfer, ihre Familien und Gemeinschaften zu entschädigen. Das Massaker ereignete sich am 19. Juli 1924 in der „Reducción Indígena de Napalpí“, ein Ort, an dem die indigene Bevölkerung gezwungen wurde, unter Sklaverei ähnlichen Bedingungen zu arbeiten – in der heutigen Provinz Chaco.

Dort lebten Angehörigen der Qom und Moqoit, die zur Arbeit auf den Baumwollplantagen gezwungen wurden. Damals ordnete der damalige Gouverneur Fernando Centeno, nachdem er die Proteste der indigenen Bevölkerung zur Änderung ihrer Lebensbedingungen ignoriert hatte, eine Repressionsmaßnahme an, an der etwa 130 Polizisten, Soldaten und bewaffnete Zivilisten teilnahmen, die aus nächster Nähe auf unbewaffnete Kinder, ältere Menschen und Erwachsene schossen.

Die Leichen der ermordeten Qom und Moqoit wurden verstümmelt und in Massengräbern verscharrt. Der Prozess wird voraussichtlich am 19. Mai abgeschlossen. Laut Richterin Zunilda Niremperger, ziele der Prozess nicht darauf ab, strafrechtliche Verantwortung zuzuweisen. Vielmehr gehe es darum, „die Wahrheit zu erfahren… um Wunden zu heilen“, aber auch darum, „ein Bewusstsein zu schaffen, damit sich solche Menschenrechtsverletzungen nie wiederholen“, sagte sie.

Jorge Capitanich, Gouverneur der Provinz Chaco, der als Kläger in dem Fall auftritt – und sich im Jahr 2008 im Namen der Regierung bei den Napalpí-Opfern entschuldigte -, sagte, dass die Täter, auch wenn sie nicht mehr am Leben sind, „im kollektiven Gedächtnis der indigenen Völker verurteilt werden müssen und es verdienen“.

Etwa 40 Personen sollen in dem Prozess aussagen, darunter die Überlebenden Rosa Grilo, 114, und Pedro Valquinta, 110. In einer Zeugenaussage, die das Staatsministerium 2018 filmte, berichtet Rosa Grilo: „Für mich ist es traurig, dass sie meinen Vater getötet haben. Ich möchte mich fast nicht mehr daran erinnern. Traurige Dinge. Sie haben viele Menschen umgebracht“.

Historiker weisen darauf hin, dass die indigene Bevölkerung Argentiniens im Zuge der Besiedlung durch Einwanderer massiv unterdrückt und beinahe ausgerottet wurde. Eine der tragischsten Episoden in der Geschichte der indigenen Völker Argentiniens ist unter dem Namen „Wüstenfeldzug“ bekannt, als Patagonien in das restliche Gebiet Argentiniens eingegliedert wurde. Dieser forderte zwischen 1878 und 1885 mindestens 14.000 indigene Opfer.

Laut einer Volkszählung aus dem Jahr 2010 bezeichneten sich von den 45 Millionen Einwohnern Argentiniens nur eine Million Menschen als Angehörige oder Nachkommen einer der 39 indigenen Völker des Landes. Erst seit 1994 erkennt die argentinische Verfassung die Rechte der indigenen Völker an.

Quellen

Argentina: Iniciado julgamento por massacre de indígenas (uol.com.br)

The Guardian: Argentina trial opens 98 years after indigenous massacre | The Guardian Nigeria News – Nigeria and World News — World — The Guardian Nigeria News – Nigeria and World News

MASACRE DE NAPALPÍ: «HOY DAMOS INICIO A UNA VERDADERA REPARACIÓN HISTÓRICA MEDIANTE UN JUICIO POR LA VERDAD – Chaco Region

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