Ein Schritt vorwärts, zwei zurück: Das Internationale Olympische Komitee und die Menschenrechtsfrage

Frieden, Toleranz und Menschenwürde sind die grundlegenden Prinzipien der Olympischen Bewegung. Doch viel zu oft hat das IOC bei der Wahl der Austragungsorte seine eigenen Werte ignoriert. Es ist nur noch ein gutes Jahr, bis das Olympische Feuer für die Winterspiele 2022 in Peking entzündet wird. Im Angesicht der katastrophalen Menschenrechtslage im Land ist das kaum nachzuvollziehen. Der internationale Druck auf das Komitee wächst stetig und es verspricht sich zu verbessern, doch außer leeren Versprechungen ist bis jetzt nicht viel zu sehen.

Autorin: Dörte Beuermann; Foto:  Protest of Civil Human Rights Front at 2008 Summer Olympics Torch in Tsim Sha TsuiHong Kong.

Gerade mit Blick auf Peking 2022 wäre es an der Zeit, dass das IOC klare Maßnahmen trifft, um die Olympischen Werte zu verteidigen. Freie Medien werden in China konsequent unterdrückt, weiterhin wird das Internet vollständig zensiert und überwacht. In Hongkong werden Rechtsstaat und Meinungsfreiheit  weiter brutal eingeschränkt. Die zahlreichen Minderheiten wie Tibeter*innen, Mongol*innen, Uigur*innen und Kasach*innen werden verfolgt, in Lagern gefangen gehalten und müssen Zwangsarbeit verrichten.

Trotzdem belohnte das IOC die chinesische Regierung mit einer erneuten Vergabe der Spiele an Peking.

Das IOC verfügt bereits über Beobachterstatus in der UNO und lobt sich gerne selber für seine weltweit integrative und fördernde Arbeit. Im Dezember 2020 veröffentlichte das IOC erste Pläne um die Verteidigung der Menschenrechte besser zu gewährleisten. Es führte eine ständige Kommission ein, die seit dem daran arbeitet, die Menschenrechtsarbeit des IOC zu verbessern. Allerdings enthält der Report abgesehen von einer Menge an Selbstlob kaum konkrete Maßnahmen. Vorschläge für die Zukunft bleiben eben das, Zukunft. Bereits beschlossen wurde hingegen eine neue Klausel in den Gastgeber-Verträgen. Diese sollen dazu verpflichtet werden, zumindest während der Spiele internationale Menschenrechtsstandards einzuhalten. Für die Spiele in Peking 2022 hingegen wurden diese Klauseln nicht angewendet, sie gelten lediglich ab den Sommerspielen 2024, die in Paris stattfinden werden. Ebenfalls fordert das IOC nun von seinen Gastgebern mehr Engagement im Bereich Soziales und Umwelt. Das dies aber bis lang allenfalls ein formales Kriterium ist, beweist der im Mai 2020 veröffentlichte Nachhaltigkeitsplan der Veranstalter in Peking. Obwohl man es zum Zeitpunkt der Vergabe der Spiele an Peking im Jahr 2015 versprochen hatte, beinhaltet der Plan keine Angaben über die Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards während der Spiele. 

Sieht man sich also die Versprechungen des IOC genauer an, wird schnell klar, dass die Realität weniger rosig wirkt. Doch deutliches Handel ist jetzt dringend notwendig, gerade wenn man auf die Auswirkungen der Olympischen Sommerspiele zurückblickt, die 2008 schon einmal in Peking ausgetragen wurden. Die chinesische Regierung nutzte das Mega- event als Vorwand um die Unterdrückung der Zivilbevölkerung weiter fortzuführen. Auch 2008 machte die chinesische Regierung Versprechen, die Menschenrechtslage im Land zu verbessern, doch das Gegenteil war der Fall. Das IOC blieb damals stumm. Auch dieses Mal hat es jedenfalls bis jetzt das Komitee vermieden, China öffentlich zur Einhaltung der Olympischen Werte aufzufordern. Im Gegenteil, die Spitze des IOC, inklusive Präsident Thomas Bach haben nichts als Lob für die Vorbereitung der Spiele übrig. Auf Kritik reagiert das Komitee meist immun und verweist stattdessen auf seine Neutralität. Im Oktober 2020 trafen sich Menschenrechtsaktivist*innen mit Vertreter*innen des IOC um die Menschenrechtslage rund um die Spiele zu besprechen. Von den Ergebnissen waren viele der Anwesenden enttäuscht, das Komitee stellt sich taub. 

Nicht nur die Beziehungen zwischen dem IOC und den Gastgebern bereitet gerade Probleme, sondern auch die zu den Athletinnen und Athleten. Diese kämpfen derweil weiter für ihre Meinungsfreiheit, denn die Olympischen Charta verbietet jegliche Demonstration von politischen Gesinnungen in den Wettkampfstätten und dem Olympischen Dorf. Während in vielen Sportverbänden, wie zum Beispiel der FIFA, Proteste auf dem Spielfeld, etwa gegen Rassismus, längst toleriert und sogar unterstützt werden, weigert sich das IOC weiter seinen Sportler*inne dieselben Rechte zu gewähren. Obwohl Anti-Rassismus und Menschenrechte fundamentaler Bestandteil der Olympischen Bewegung ist, ist es Athlet*innen nicht erlaubt, öffentlich für diese einzustehen. Das IOC berät sich zurzeit mit Vertretern und Vertreterinnen der Athleten über eine mögliche Änderung der Regel, doch die Chefetage, inklusive Präsident Bach scheinen wenig kompromissbereit. Derzeit sieht es demnach so aus, dass das IOC die Werte des Sports nicht verteidigen will, und die Athlet*innen diese nicht verteidigen dürfen. Eine Verbesserung der Menschenrechtslage in China durch die Spiele scheint daher kaum möglich.

Scheinbar beflügelt von der positiven Reaktion des Komitees auf Peking als Austragungsort, überlegen bereits mehrere weitere chinesische Städte sich für die Sommerspiele 2032 zu bewerben. Bis jetzt hat das IOC noch keine konkreten Pläne vorgestellt, ob es zukünftig Menschenrechte als Kriterium bei der Auswahl seiner Gastgeber berücksichtigen wird. Angesichts der vermehrten Kandidatur autoritärer Staaten sollte dies allerdings eine Priorität sein, damit die Olympische Bewegung ihren Werten treu sein kann.

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