#HopeEndures in Nigeria: Mütter schreiben Briefe an ihre entführten Töchter

Vor zwei Jahren, in der Nacht zum 14. April 2014, entführten Kämpfer der Boko-Haram-Sekte 276 Mädchen aus Hostels, die sie als Unterkunft während ihrer Schulzeit nutzen, im Norden Nigerias. Einigen gelang es zu fliehen, doch von den meisten der 219 vermissten „Chibok Girls“ fehlt bis heute jedes Lebenszeichen. Zwei Jahre leben die Familien nun schon mit der Ungewissheit. Mit ein paar von ihnen hat eine nigerianische Aktivistin jetzt ein herzzerreißendes Projekt durchgeführt.

von Miriam Kienle; Foto: Andrea Moroni via Flickr [Symbolbild]

„Ich habe alles verloren; ich habe alles verloren als ich dich verloren habe“, schreibt Rebecca Samuel an ihre Tochter Sara. Sara ist seit zwei Jahren in der Gewalt der islamistischen Terroristen. Ob ihre Tochter noch lebt, weiß Rebecca nicht. Diese Ungewissheit ist zermürbend: „Wenn wir wüssten, dass du tot bist, wäre es für uns einfacher weiterzuleben. Aber so, ohne zu wissen ob du noch am Leben bist, ist es sehr schwer. Wir machen uns immer Sorgen.“ Rebecca versucht Sara den täglichen Kampf mit der Entführung zu beschreiben. Es ist nicht nur die Verzweiflung und die ständige Sorge um ihre Tochter, mit denen sie umgehen muss. Auch das ignorante Verhalten von Nachbarn und Bekannten setzt ihr zu: „Manche Menschen sagen, die Entführung sei erfunden und eine Lüge. Ich möchte diese Menschen, die so etwas behaupten, gerne fragen, wie sie sich fühlen würden, wenn das ihre Kinder wären?“

Foto: © Alex Holyoake via Flickr

Rebecca kann ihren Brief nicht an ihre Tochter schicken. Aber sie kann der Öffentlichkeit zeigen, wie es sich anfühlt. Und vielleicht kann Sara ihn lesen, dort, wo sie ist. Denn der Brief von Rebecca wurde von der nigerianischen Aktivistin R. Evon Idahosa veröffentlicht. Idahosa, die die internationale NGO Pathfinders Justice Initiative gegründet hat, traf Anfang April 2016 drei von der Entführung betroffene Familien. Ihre Organisation setzt sich für Opfer von Kindesmissbrauch, Vergewaltigung und Menschenhandel in Westafrika ein. Außerdem organisierte sie die Kampagne #BringBackOurGirls, bei der sich unter anderem auch namhafte Unterstützerinnen wie Michelle Obama, Hillary Clinton, Angelina Jolie und Malala Yousafzai für die Rückkehr der Chibok Girls einsetzten. Und auch zwei Jahre nach der Entführung lässt das Schicksal der 219 Mädchen Idahosa nicht los. Und so traf sie sich mit den drei Müttern, um ihren Alltag ohne die Mädchen zu dokumentieren. Am Ende entstand ein Fotoessay, bei dem die Briefe der Mütter einen kleinen Auszug darstellen.

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Einigen Mädchen gelang es zu fliehen, viele sind jedoch noch in den Händen der Boko-Haram-Sekte.

Neben Rebecca waren Martha Enoch und Esther Yakubu Teil des Projekts. „Unser Leben ohne dich war sehr schwierig in den letzten zwei Jahren. Ich mache mir ständig Sorgen und leide, seitdem sie dich von mir gestohlen haben, an Bluthochdruck“, schreibt Martha an ihre Tochter Monica. Sie erinnert sich an die Liebe und die Güte, die Monica ihren Mitmenschen geschenkt hat. Und sie hofft, ihre Tochter lebend wiederzusehen: „Unsere Gebete für dich haben niemals geendet und wir singen noch immer deine Lieblingslieder in der Kirche. Jedes Mal fange ich dabei an zu weinen.“

Esther Yakubu wünschte ihr Leben lang, dass ihre Tochter Dorcas ein besseres Leben als sie selbst haben würde. Sie wollte Dorcas auf die Universität schicken. Bis heute sieht sie ihre Tochter Modedesign studieren: „Meine Hoffnung ist, dass du Modedesignerin wirst, wenn du erwachsen bist. Ich habe extra eine Nähmaschine, eine Reisetasche und neue Kleidung für dich gekauft.“ Ihr Glaube gibt ihr die Zuversicht darauf, ihre Tochter eines Tages wieder in die Arme schließen zu können. „Ich vermisse dich, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dich eines Tages wiederzusehen.“

Die vollständigen Briefe können hier abgerufen werden.

[Zur Autorin]
MIRIAM KIENLE studierte Geographie in Bremen und Göttingen. Seit April 2016 unterstützt sie als Praktikantin die Onlineredaktion der Gesellschaft für bedrohte Völker.

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