Ukraine/Russland: Chronik der Ereignisse im Dezember 2014

Sarah Reinke, unsere Russland-Spezialistin und Leiterin des Berliner GfbV-Büros, dokumentiert auf unserem Blog jeden Monat die Menschenrechtssituation in Russland und der Ukraine. Alle Chroniken im Überblick gibt es hier: Russland-Ukraine-Chronik

Foto: Fotolia Fotograf: fimg, Olga Kovalenk (Bildmontage)

18.12.2014

Donbass praktisch von Russland annektiert?

Diese Frage bejahte Oleksij Svyetikov, der Leiter der Lugansker Niederlassung des Komitees der Wähler der Ukraine auf einer nicht-öffentlichen Konferenz am 16.12. in Berlin. Russland führe einen unerklärten Krieg gegen die Ukraine. Dieser Krieg werde von Teilen der Bevölkerung in Lugansk unterstützt. Die Aggression beschränke sich nicht nur auf militärische Operationen, sondern finde auch auf dem Gebiet der Wirtschaft und Information statt.

Seine These, dass dieses Gebiet praktisch von Russland annektiert sei, begründet er folgendermaßen:

  • In der „Lugansker Volksrepublik“ gelte Moskauer und nicht Kiewer Zeit.
  • In den Schulen wird gemäß russischen und nicht ukrainischen Lehrplänen und Programmen unterrichtet.
  • Krankenhäuser und andere medizinische Institutionen werden vom russischen Gesundheitsministerium betreut.
  • Die Ernennung von Behördenmitarbeitern wird mit Moskau abgestimmt.
  • Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes FSB seien weitgehend für Sicherheit und Ordnung zuständig.

„Lugansk ist de facto schon Russland, nicht die Ukraine“, sagte Svyetikov. Sowohl in Gebieten unter ukrainischer Kontrolle als auch in denen unter der Kontrolle der Separatisten oder der russischen Militäreinheiten, würde gegen Menschenrechte verstoßen. Während jedoch dort, wo die Ukrainer das Sagen hätten, Verletzungen verfolgt würden, herrsche auf dem anderem Gebiet Willkür und allein das Recht des Stärkeren. Leider würden weder die Menschenrechtsverletzungen noch der Beschuss bzw. die Bombardierung von zivilen Zielen dokumentiert. Verschwindenlassen ist ein Verbrechen, das beide Seite verüben, wobei viel mehr Menschen in den „russisch-besetzten“ Gebieten verschwinden.  Auf ukrainischer Seite verbessert sich die Lage etwas, acht Kämpfer des Freiwilligenbatallions „Aidar“ wurden verhaftet. Hintergrund für die Entführungen auf der Separatistenseite sind nicht politische Ansichten, sondern einfach die Möglichkeit, Geld zu erpressen. Ein tragisches Beispiel ist der Bürgermeister von Antratsyt, Wjatscheslaw Salita, der die „Partei der Regionen“ unterstützte, nicht die Maidan-Bewegung. Nachdem er schon abgedankt hatte, wurde er entführt. Seine Entführer forderten eine halbe Million Dollar für seine Freilassung. Sie schossen ihm in die Beine, um die Angehörigen von der Gefahr, in der er schwebte, zu überzeugen. Salita wurde nach der Zahlung von 200.000 Dollar freigelassen und verstarb wenig später im Krankenhaus in Kharkiv an seinen Verletzungen. Die Verschleppten würden regelmäßig gefoltert, so Svyetikov. Weiter würden Wohnungen konfisziert, oder die Wohnungen der Geflohenen verkauft. Es laufe auch ein reger Handel mit Autos und anderen Fahrzeugen, besonders an den Check Point der „Volksrepublik“. Die gestohlenen Fahrzeuge würden dann in Russland bzw. der Ukraine weiterverkauft.

17.12.2014

Konferenz in Berlin zur Menschenrechtslage in der Ukraine

„Es gibt die ersten Hungertoten“,  berichteten gestern auf einer Konferenz zur Menschenrechtslage in der Ukraine Menschenrechtsverteidiger aus dem umkämpften Osten der Ukraine. Jetzt im Winter sind die Menschen mehr denn je auf humanitäre Hilfe angewiesen. Besonders in der Region Luhansk ist mit einer humanitären Katastrophe zu rechnen. Insgesamt sind 970.000 Menschen aus dem Osten der Ukraine geflohen, wobei dies nur die Zahl jener ist, die sich offiziell als Flüchtlinge registrieren lassen, viele weitere sind bei Verwandten und Freunden untergekommen. Oft vergisst man diejenigen, die nochmal besonders auf Hilfe angewiesen sind: 60.000 HIV Kranke, 11.000 Menschen, die an Tuberkulose erkrankt sind.

Über 70% der Ukrainerinnen und Ukrainer jedoch helfen nach ihren Möglichkeiten. Das heißt, so die Kollegen aus der Ukraine, dass eine sehr aktive Zivilgesellschaft entstanden ist, obwohl die wirtschaftliche Situation für alle Menschen in der Ukraine schlechter geworden ist. Hilfe kommt auch von Ukrainerinnen und Ukrainern in Deutschland.

15.12.2014

80-jährige Krimtatarin von russischem Geheimdienst FSB befragt

„Ich bin kein Feigling und habe mich nie versteckt. Deshalb bin ich auch hingegangen, aber ich wusste nicht weshalb“, kommentiert Vedzhie Kashka, eine Veteranin der krimtatarischen Nationalbewegung, die kürzlich ihren 80. Geburtstag feierte, die Aufforderung zu einer Aussage ins Büro des russischen Geheimdienstes zu kommen. Kashka sollte wegen einer Herzuntersuchung eigentlich am 10. Dezember ins Krankenhaus. Stattdessen musste sie sich eine Stunde lang befragen lassen. Schließlich schämten sich die FSB-Männer selbst und versprachen, keine solchen „Einladungen“ mehr zu versenden.

15.12.2014

Krimtatarischer Aktivist auf freiem Fuß

Tair Smerdljajew wurde auf freien Fuß gesetzt, nachdem wohl Eskender Byliapop, Präsidentenberater, sich für Smerdljajew eingesetzt und eine persönliche Sicherheitsgarantie hatte. Smerdljajew war der dritte von vier Krimtataren, die wegen ihrer Beteiligung an einer Willkommensdemonstration am 3.Mai 2014 für Mustafa Dschemilew verhaftet worden waren. Musa Alkerimow wurde am 16.10.2014 verhaftet, Rustam Abdurachmanov am 17.10., am 22.10. Tair Smedljajew, Bruder des Vorsitzenden der zentralen Wahlkommission des Kurultaj. Zwei Tage später wurde Smedljajew zu zwei Monaten Haft verurteilt, wie die anderen Verhafteten auch. Am 25.11. wurde Edem Ebulisov verhaftet und gleichfalls zu zwei Monaten verurteilt.

11.12.2014

Hunderte sollen in den umkämpften Gebieten der Ostukraine festgehalten werden – NGOs verlangen Freilassung

Hunderte Personen sollen von den Separatisten festgehalten werden. Es ist sehr schwer Verhandlungen über ihre Freilassung zu führen, weil die Separatisten sie immer wieder an neue Orte bringen und es zu wenige Informationen gibt. Personen können aus ganz trivialen Gründen verhaftet werden: Sie führen vielleicht keinen Ausweis mit. Am 28. November war Oleksandr Polivanov aus Naholno-Tarasivna mit einem Freund in einer Kneipe und trank ein Bier. Lokale „Kossaken“ und andere Bewaffnete begannen Streit mit den beiden jungen Männern, weil diese nicht „an der Front“ seien. Polivanov wurde in den Bauch geschossen und starb kurz darauf im Krankenhaus. Auch Personen, die sich öffentlich für die Einheit der Ukraine aussprechen, sind in Gefahr, verhaftet zu werden. Denunziationen sind an der Tagesordnung. Seit Juni sollen nach Angaben von Aktivisten die Denunziationen zugenommen haben. Bewaffnete fahren einfach zu den Wohnungen derer, die bezichtigt werden, „für die Ukraine“ zu sein und nehmen die Leute mit. Auch Familienstreitigkeiten und Streits zwischen Freunden können mit „Verschwindenlassen“ enden – eine junge Frau, die mit den Separatisten in Kontakt ist, denunzierte ihre Eltern, die daraufhin verschwanden.

11.12.2014

Schwer bewaffnet am Menschenrechtstag

Die Regierungsgebäude in Simferopol wurden gestern, am internationalen Menschenrechtstag, von schwer bewaffneten Polizisten und Angehörigen der so genannten „Selbstverteidigungskräfte“ bewacht. Der zentrale Lenin-Platz, wo sich in den letzten Jahren die Krimtataren zu einer Demonstration am Menschenrechtstag versammelt hatten, war durch Metallzäune abgesperrt. Jeder, der hier durch wollte, wurde von einem Polizisten und mit Metalldetektoren überprüft. Der Einsatz der Metalldetektoren sollte den anderen Passanten wohl signalisieren, dass die Krimtataren besonders gefährlich seien, obwohl gerade sie sich durch eine lange Geschichte friedlichen Widerstands auszeichnen. Auf einer Pressekonferenz erklärten Medschlis-Angehörige, dass sie auf eine Versammlung gegen die Behördenauflagen verzichteten, um Provokationen zu vermeiden. Sie seien für die Sicherheit der Teilnehmer verantwortlich. „Wir kämpfen gegen niemanden, wir kämpfen nur für unsere Rechte und Werte“, betonte der Sprecher der Krimtataren.

11.12.2014

Ajder Muschdabajew widmet seinen Menschenrechtspreis den Krimtataren und ihrem Sender ATR

Seit 2009 verleiht die Moskauer Helsinki Gruppe einen Menschenrechtspreis. In diesem Jahr wurde der Preis, der aus einer Geldprämie und einer Urkunde besteht, am 9. Dezember an den Redaktuer der Zeitung „Moskovskij Komsomolec“, Ajder Muschdabajew, verliehen. Er widmet ihn den Krimtataren und deren Fernsehsender ATR, der seit Monaten unter Druck steht. Die Verfolgung aufgrund der Volkszugehörigkeit könnte nicht straffrei bleiben, ist Muschdabajew überzeugt. „Allen Krimtataren und anständigen Leuten auf der Krim wünsche ich, dass sie durchhalten und Geduld haben.“, sagte Muschdabajew. Weitere Preisträger dieses Jahr waren Lev Schlosberg, Svetlana Gannushkina, Andrej Makarevic, Viktor Petaschis, Sergej Schimovolov und die Journalistin Natella Boltjanskaja

10.12.2014

Aktivisten in Prag begrüßen Reisende aus St. Petersburg mit den Namen von Opfern von Menschenrechtsverletzungen in Russland

Kommt Nadija Savchenko aus dem Flugzeug in die Ankunftshalle des Prager Flughafens, oder der ukrainische Regisseur Oleh Sentsov,  Anna Politkovskaja oder Reschat Achmetow? Das sind Namen von Menschen, die entweder unrechtmäßig in russischen Haftanstalten festgehalten werden, wie Sentsov oder die ermordet wurden, wie der Krimtatare Reschat Achmetov oder die bekannte Journalistin Anna Politkowskaja. Aktivisten hielten Schilder mit diesen Namen in die Höhe als Flugreisende aus St. Petersburg in Prag ankamen, um gegen die schweren Menschenrechtsverletzungen an diesen Personen zu demonstrieren. Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial hatte die Aktion initiiert und war auch auf den entsprechenden Schildern genannt.

10.12.2014

Russische Marine verstärkt Präsenz im Schwarzen Meer und in der Arktis

In den kommenden 15 Jahren will die russische Marine ihre Präsenz um den Nordpol und um die Krim herum verstärken, sagte Admiral Viktor Tschirkow, der ranghöchste Offizier der Marine. Die Schwarzmeerflotte umfasst im Moment mehr als 10.000 Soldaten und über 40 Kriegsschiffe. Auch hier soll aufgerüstet werden.

10.12.2014

Freier Fernsehsender in Tomsk vor dem Ende

Am 1.1.2015 wird der russische Sender Tomsk TV-2 ausgeschaltet. Darüber wurde der Sender, der als eine der letzten Quellen unabhängiger Information in der Region gilt, von der staatlichen Medienbehörde informiert. Die Gründe sind nicht bekannt, doch kommt die Schließung zu einem Zeitpunkt, wo auch Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und andere sowohl von lokalen Behörden als auch den nationalen Stellen unter starken Druck gesetzt werden. Der Sender wird gegen seine Schließung klagen. Die 300 Mitarbeiter haben Angst davor, auf die Straße gesetzt zu werden. Den Sender als Internetsender umzubauen, wird als sehr schwierig bezeichnet, weil die meisten Zuschauer auch einer älteren Generation angehören, die seit 23 Jahren, seitdem der Sender besteht, diesen Sender sehen. Sie haben gar keinen Zugang zu Kabelfernsehn, sagte eine Sprecherin des Senders, und werden damit ihre wichtigste Informationsquelle verlieren. Auch der wichtige Sender Doschd-TV, der landesweit ausstrahlt, ist unter Druck: Er wurde aus den Kabel- und Satelliten Netzen genommen und musste Zuschauer um Geld bitten. Zweimal wurde er von den Behörden geräumt, BBC Informationen besagen, er würde mittlerweile von einer Wohnung eines Mitarbeiters aus arbeiten.

08.12.2014

Vorwürfe an die Ermittlungsbehörden

Der Rechtsanwalt von Timur Shaimardanow hat Klage gegen das Verhalten der Ermittlungsbehörden eingereicht, die sich offiziell weigerten das Material den Fall betreffend anzuschauen. Diese Ablehnung begründeten sie damit, dass der Rechtsanwalt keine Autorisierung von Shaimaradows Verwandten vorgelegt hätte. Dies ist aber laut Gesetz gar nicht notwendig. Es gibt drei Ermittlungsverfahren unter Artikel 105 des Russischen Strafgesetzbuches (Mord) in Bezug auf das Verschwinden von Timur Shaimaradow, Siran Zinedinov und ein Verfahren zu Islyam Dzhepparov and Dzhevdet Islyamov, die am 27.September verschleppt worden waren. Die Menschenrechtsorganisationen vor Ort, wie die Feldmission für Menschenrechte auf der Krim, gehen davon aus, dass die so genannten Selbstverteidigungskräfte der Krim für die Verschleppungen und Morde verantwortlich sind und dass gerade dies der Grund für die schleppende oder fehlende Aktivität der Ermittlungsbehörden ist.

08.12.2014

Brief an Präsident Poroschenko

Mehrere Menschenrechtsorganisationen haben sich in einem Brief an den ukrainischen Präsidenten gewandt. Sie befürworten den Entschluss, eine „nationale Strategie für Menschenrechte“, der per Präsidialdekret Nummer 811 am 15. Oktober verabschiedet wurde. Dass solch eine Strategie notwendig sei, zeigten nicht nur etliche Fälle, die beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg gegen die Ukraine anhängig seien, sondern auch die Forderungen der Maidan-Bewegung und etlicher internationaler Organisationen. Doch genauso wichtig wie das Endprodukt sei der Prozess hin zu solch einer Strategie. Sie beklagen, dass sie nicht genug Zeit hätten, um sich effektiv in diesen Prozess einzubringen, daher bitten sie Poroschenko, ihnen mehr Zeit einzuräumen.

08.12.2014

Flüchtlinge sollen auf die Straße gesetzt werden

Seit August ist das frühere staatliche Kinderferienlager Berjoska in der Nähe des Ortes Krasny Lyman ein Flüchtlingslager für Menschen aus dem Osten der Ukraine. Auch direkt im Lager hatten Kämpfe stattgefunden, so dass Pastor Sergej Kosyak, der die Flüchtlinge betreut, dafür sorgen musste, dass die Fenster alle ersetzt wurden. Zuerst fanden dort 30 Personen Zuflucht, mittlerweile ist die Zahl auf über 100 gestiegen. Nun wurde das Lager für viel Geld winterfest gemacht. Danach kam der „Campmanager“, der offiziell für das Kinderferienlager zuständig war, und kündigte an, die 40 Kinder, 35 Frauen und 17 Rentner und Invaliden hätten drei Tage, um ihre Sachen zu packen und das Camp zu verlassen. Die Flüchtlinge verbarrikadierten sich und informierten die Presse. Doch der Manager fand immer neue Möglichkeiten, um die Flüchtlinge zu schikanieren und zu bedrohen. Sie haben Angst bei winterlichen Temperaturen tatsächlich ihre Unterkünfte verlassen zu müssen und hoffen auf weitere Unterstützung durch die Öffentlichkeit.

08.12.2014

15 interessante Zahlen zur Krimannexion

Die Seite Glavcom stellt von Flüchtlingszahlen (19,5 Tausend), über Verschleppte (21), und Presse (nur 96 von 3.000 Medienerzeugnisse wurden offiziell registriert) bis hin zu Waisenkindern (4.000 von ihnen wurde die russische Staatsangehörigkeit aufgezwungen) viele Zahlen zusammen, die die aktuelle Entwicklung der Krim verdeutlichen. In englischer Sprache unter folgendem Link nachzulesen:

http://euromaidanpress.com/2014/12/03/countable-changes-15-numbers-from-crimeas-new-life/

03.12.2014

Europäischer Menschenrechtsgerichtshof gegen Russland

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat die russische Regierung aufgefordert zu zwei Interstaatenklagen der ukrainischen Regierung Stellung zu nehmen. Die erste Klage bezieht sich auf die Vorgänge auf der Krim im März 2014 und im Osten der Ukraine. Die zweite Klage behandelt die mutmaßliche Entführung von drei Gruppen von Kindern zwischen Juni und August 2014.

Im ersten Fall wandte das Gericht Regel 39 an. Beide Staaten, Russland und die Ukraine sollen von Handlungen Abstand nehmen, die zu Brüchen der Menschenrechtskonvention führen könnten. Weiter liegen dem Gericht 160 Individualklagen gegen Russland und gegen die Ukraine vor. Alle drehen sich um die Ereignisse auf der Krim (über 20 Klagen) bzw. im Osten der Ukraine.

Der Fall Ukraine gegen Russland II (no. 43800/14) wurde am 13. Juni 2014 eingereicht. Angeblich wurden dreimal Gruppen von Waisenkindern und erwachsenen Begleitpersonen im Osten der Ukraine von bewaffneten Separatisten entführt und in die Russische Föderation gebracht. Diplomatische Bemühungen der ukrainischen Seite führten zur Freilassung der Kinder. Die russische Regierung wird gebeten innerhalb von 16 Wochen auf diese Vorwürfe zu reagieren.

03.12.2014

Crowdfunding für Dschemilew-Doku

Engagierte Filmemacher starteten eine neue, sehr unterstützenswerte Kampagne: Das Leben von Mustafa Dschemilew soll verfilmt werden. Gesucht werden noch finanzstarke Krimtatarenfreundinnen und Freunde, die das Projekt mitfinanzieren.

Zur Crowdfunding-Seite des Projekts geht es hier.

03.12.2014

Keine Aktion am internationalen Tag der Menschenrechte?

Der Medschlis, das Selbstvertretungsorgan der Krimtataren, hatte wie jedes Jahr geplant, am 10. Dezember, dem internationalen Tag der Menschenrechte, eine Aktion durchzuführen. Dies wurde von den Behörden auf der Krim verboten, teilt der stellvertretende Medschlis-Vorsitzende, Nariman Dzhelal, mit.“ Seit Jahren führen wir Demonstrationen und Aktionen zur Thematik der Krimtataren durch. Es ist schon Tradition, dass wir eine Resolution mit Forderungen an die Behörden verabschieden. Die Dinge haben sich verändert. Wir durften uns schon am 18. Mai, dem Gedenktag an die kollektive Deportation, nicht versammeln. Dann haben uns die Behörden jegliche Massenveranstaltung verboten. Dafür haben sie unterschiedliche Gründe genannt“, sagt Dzhelal weiter. Diese Bestimmung kommt, nachdem eine neu geschaffene Organisation „Qirim“ am 1. Dezember in Simferopol unter dem Motto demonstrierte „Krimtreffen zur Unterstützung des Besuchs des russischen Präsidenten Putin in Ankara“. Die Behörden auf der Krim verfolgen schon seit Monaten eine „Teile und Herrsche“-Politik den Krimtataren gegenüber und schaffen parallel regierungstreue Strukturen, um die krimtatarische Bewegung zu spalten.

03.12.2014

Anführer der Separatisten war beim russischen Geheimdienst

In einem Interview mit dem russischen Staatssender Rossia Segodnya sagte Igor Girkin, er sei Kolonel des Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation (FSB). Girkin, der in Russland unter dem Namen „Strelkow“ bewundert wird, beschrieb auch Kämpfe unter den Separatistenführern. Diese beiden Aussagen wurden bei der Aussendung des Interviews am 1.Dezember weggelassen. Nur der Journalist, der das Interview geführt hatte, Aleksandr Chalenko, hat sie im Vorhinein veröffentlicht. Strelkow hatte auch schon zuvor ausgesagt, als Leutnant Kolonel beim russischen Geheimdienst FSB gedient zu haben (derselbe Rang, den der russischen Präsident Putin beim KGB inne hatte), obwohl die russische Seite immer wieder beteuert hat, nichts mit den Separatisten im Osten der Ukraine zu tun zu haben. Girkin war der bekannteste Anführer der pro-russischen Separatisten und wird von der ukrainischen Regierung wegen Kriegsverbrechen angeklagt. Er zog sich im August 2014 zurück, möglicherweise, weil er bei Kämpfen verletzt wurde.

03.12.2014

Offener Brief des russischen Publizisten Alexander Morosow an Matthias Platzeck

Nach dem Vorstoß von Matthias Platzeck, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), zur Annexion der Krim durch Russland, veröffentlichte der russische Publizist Alexander Morosow (Александр Морозов) einen offenen Brief an den deutschen Politiker:

Sehr geehrter Herr Platzeck,

uns Russen verbinden lange und fruchtvolle Beziehungen mit der deutschen Sozialdemokratie. Ihr öffentlicher Aufruf die Annexion der Krim anzuerkennen, kam deshalb gänzlich unerwartet. Ich verstehe, dass er in erster Linie von dem Wunsch getragen ist, die russisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen und jenes besondere Klima der Zusammenarbeit, das sich in nachsowjetischer Zeit zwischen Moskau und Berlin eingestellt hatte, zu schützen.

Doch Sie begehen einen großen Fehler! Die Krim – das bedeutet längst nicht nur den Übergang der Kontrolle über die Insel von einem Staat der ehemaligen UdSSR an einen anderen. Die Krim ist vielmehr ein Synonym für die Zerschlagung der Zivilgesellschaft in Russland, für das Bestreben eine der Verfassung zuwiderlaufende Staatsideologie einzuführen, für den immer stärkeren Druck auf die Presse. Sie ist ein Synonym der alles durchdringenden Militarisierung des öffentlichen Bewusstseins, des Anheizens der archaischsten antiwestlichen Stimmungen durch Regierung und Behörden.

Anders ausgedrückt ist die Krim ein Symbol der Transformation des gesamtem Putinschen Regimes in ein Regime neuer Qualität. Sie ist das Symbol eines „anthropologischen Experiments“, das der Kreml an der eigenen Bevölkerung durchführt.

Die Krim stellt die Antwort des Kremls auf den gesellschaftlichen Aufbruch in Russland in den Jahren 2011/12 dar, als breite Schichten der russischen Bürger begannen sich am Kampf für freie Wahlen und eine stärkere Beteiligung der Bevölkerung an der Politik zu beteiligen. Dieser Aufbruch war eine hoffnungsvolle Reformbewegung der Befürworter einer europäischen Entwicklung Russlands. Das Anschwellen jener Proteste wurde seitens des Kremls als vom Westen konstruierte Bedrohung interpretiert und niedergeworfen. Genau zu jener Zeit, im Jahr 2013, noch vor Beginn der Ukrainekrise, setzte auch eine umfassende antiwestliche und vom Kreml gutgeheißene Kampagne ein.

Die Krim, Herr Platzeck, das ist das Symbol jenes tiefen Abgrunds, in den der Kreml die russische Gesellschaft geworfen hat.

Wie, Herr Platzeck, können Sie das unterstützen? Zumal Ihre Erklärung in Russland mit Begeisterung von eben jenen Kräfte aufgenommen wurde, die für die völlige Verrohrung der russischen Bevölkerung verantwortlich zeichnen. Sie leisten jenen Beistand, die Russland mit Hilfe des Konflikts mit dem Westen und der Isolierung der Russischen Föderation von Europa regieren wollen. Jenen Kräften, die das von der Bevölkerung durch nichts zu kontrollierende politische Einpersonenregime zu Ende errichten und umumkehrbar machen wollen. Ein aggressives, auf einem archaischen Verständnis der Weltpolitik beruhendes, jegliche uns mit Ihnen verbindende universelle Werte verneinendes Regime.

Steht das denn nicht im völligen Widerspruch zur Weltsanschauung jener Partei, der Sie angehören und der Sie in der Vergangenheit einmal vorstanden? Kann die deutsche Sozialdemokratie denn wirklich die Degradierung der russischen Gesellschaft begrüßen?

Ihre Erklärung, Herr Platzeck, ist ein Schritt, der der russischen Zivilgesellschaft und ihren Nichtregierungsorganisationen, den freien Medien und allen, die sich eine wirtschaftliche und politische Modernisierung Russlands wünschen, enormen Schaden zufügt.

Verstehen Sie denn wirklich nicht, dass es bei all dem nicht um die „Regulierung eines Territorialstreites“ zwischen Russland und der Ukraine geht, sondern um die Ergebnisse unserer gesamten gemeinsamen, fünfundzwanzigjährigen, postsowjetischen Geschichte?

Sie werden schon bald erschaudern, wenn Sie erkennen werden, in welch archaischen Zustand das Abenteuer Krim die russische Gesellschaft stürzt.

Wenn Sie glauben, dass Sie unser Schicksal nicht betrifft, dann befinden Sie sich in einem gewaltigen Irrtum! Ich bin überzeugt, dass die Annexion der Krim unmittelbare Auswirkungen auf Ihre eigene Zukunft und die Zukunft der europäischen Gesellschaften haben wird.

Aleksandr Morozov
Chefredakteur des “Russkij Zhurnal”/Russischen Journals

Übersetzung: Marian Madeła

02.12.2014

Alles Propaganda?

Der Weltkongress der Krimtataren soll in Moskau durchgeführt werden, berichtet die Nachrichtenagentur RIA Novosti. „Ich schlage vor, den Weltkongress der Krimtataren in Moskau durchzuführen, damit alle sehen, dass die Krimtataren ein gutes Leben führen, auf einer Ebene mit den anderen Bürger. Niemand von Seiten der anderen Nationalitäten oder von staatlicher Seite unterdrückt sie, niemand stört“, sagt Sojon Sadykov, ein Vertrauensmann des russischen Präsidenten Putin. Die krimtatarische Diaspora in Europa, den USA und Kanada sei unter dem Eindruck der anti-russischen Propaganda davon überzeugt, dass die Krimtataren auf der Krim unterdrückt würden. „Wir wollen die Sitzung unterstützen, damit das Ausland die Wahrheit über die Lage der Krimtataren erfährt, nicht die Lügen, die gerade in Umlauf sind“, betont Sadykov.

Seit Monaten berichten wir hier auf unserem Blog über Schikanen gegen und die Unterdrückung von Krimtataren. Besonders Personen, die sich gegen die pro-russische Verwaltung der Krim und gegen die Annexion als solche stellen, sind gefährdet. All das soll erfunden sein? Ich glaube, niemand wäre glücklicher darüber, in Frieden und Freiheit mit der Garantie aller Menschen- und Minderheitenrechte zu leben als die Krimtataren! Vor diesem Hintergrund hören sich die Lügen aus Moskau besonders menschenverachtend an.

02.12.2014

Jude als Sprecher des ukrainischen Parlamentes gewählt

Wolodymyr Groysman wurde am Dienstag zum Sprecher des ukrainischen Parlamentes gewählt. Dieser Posten wird als der drittwichtigste im Land angesehen nach dem des Premierministers und dem des Präsidenten. Herr Groysman war früher Bürgermeister der zentralukrainischen Stadt Winnytsia und wurde im Februar 2014 ins Parlament gewählt. Er war dann stellvertretender Ministerpräsident für Regionale Politik. Der 36-Jährige war auch amtierender Premierminister nach dem Rücktritt Arsenj Jazenjuks im Juli.

02.12.2014

Was passierte mit den Häftlingen in den umkämpften Gebieten im Osten und Süden der Ukraine?

Insgesamt sinkt die Zahl der Häftlinge landesweit, wie Oleksandr Bukalow von der Donetsker Zweigstelle der Organisation Memorial mitteilt. Am 1.11.2014 waren in 177 Gefängnissen 84.663 Personen inhaftiert, das bedeutet, es gibt pro 100.000 Einwohner 197 Gefangene (zum Vergleich: 760 pro 100.000 Einwohner in den USA, aber 63 in Japan, rund 90 in Deutschland und 153 in Großbritannien). Die Situation auf der Krim wird in dieser Statistik nicht widergespiegelt. Eine besonders schwierige Situation besteht in Donetsk und Lugansk. Alleine die Nahrungsmittelversorgung der Gefängnisse ist schwierig. Darauf hat ein Dekret des Präsidenten vom 15. November reagiert. Alle Gefängnisinsassen sollen in diejenigen Gebiete verlegt werden, die nicht umkämpft sind. Auch wird eine Amnestie vorgesehen für leichte und mittlere Straftaten.

02.12.2014

Krimtataren in der Türkei protestieren gegen Putin

Gestern war der russische Präsident Wladimir Putin in der Türkei. Die „Krimtatarische Assoziation der Türkei“ hatte zu Protesten aufgerufen und einen offenen Brief veröffentlicht. Darin fordert sie, dass die völkerrechtswidrige Annexion der Krim kritisiert werden müsse, genauso wie die fortwährenden Menschenrechtsverletzungen an den Krimtataren auf der Halbinsel. Die Krimtataren, deren Delegation kurz vorher hochrangige türkische Politiker getroffen hatte, setzen große Hoffnung auf die Türkei. Zugesagt wurde ihnen Unterstützung für die krimtatarischen Flüchtlinge in Cherson.

Den Brief zum Nachlesen in Türkisch, Englisch und Russisch gibt es hier.

5 Gedanken zu “Ukraine/Russland: Chronik der Ereignisse im Dezember 2014

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