Kolumbustag: Es gibt nichts zu feiern

Vor 522 Jahren „entdeckte“ Kolumbus die Amerikas. Dem Ereignis sind die Feierlichkeiten des 12. Oktobers gewidmet, der in Spanien Nationalfeiertag ist und auch in vielen weiteren Ländern in Lateinamerika zelebriert wird.

von Céline Sonnenberg und Hanna Prautzsch

Das Marine Korps von New York City ehrt den Kolumbustag mit militärischen Paraden.

Der Kontinent, den Christoph Kolumbus 1492 erreichte, war allerdings schon lange vor der Ankunft des Seefahrers bekannt und bewohnt. Eine Tatsache, die in Europa weiterhin ignoriert wird. Lieber wird dort die „Entdeckung“ feierlich begangen. Fragt man allerdings die BewohnerInnen von Abya Yala, wie der Doppelkontinent in der Sprache der indigenen Kuna aus Mexiko genannt wurde, zeigt sich eine andere Sicht auf die Geschichte: Für sie begannen mit der Ankunft der EuropäerInnen Genozid und jahrhundertelange Unterdrückung. Ihre indigenen Kulturen waren keineswegs „primitiv“ und „naiv“, sondern verfügten über reichhaltiges Wissen und vielfältige kulturelle Systeme. Sowohl ihre Kultur, ihre Lebenswelt als auch sie selbst wurden in der Folgezeit ausgebeutet, versklavt oder gar abgeschlachtet.

Das Ölgemälde von Matthias Laurenz Gräff hat den Titel „Christoph Kolumbus landet auf San Salvador“. Das Bild von 2006 zeigt die koloniale Vorstellung, die EuropäerInnen auch heute noch von indigenen Gemeinschaften haben.

Kolonialisierung ist für viele von uns nur ein Wort aus Geschichtsbüchern, das  in die Zeit der Renaissance und der großen Seefahrer gehört. Vielleicht erscheint es uns deswegen so merkwürdig, wenn Indigene in ihren Forderungen immer wieder von Kolonialisierung sprechen und den Kolonialismus anprangern. Doch Fakt ist, dass indigene Gemeinschaften auf der ganzen Welt bis heute unter den im Laufe der Kolonialisierung entstandenen Strukturen und Bedingungen leiden und tagtäglich die Auswirkungen des Landraubs, der Unterdrückung und der Ausrottung ganzer Völker erleben.

Den Beginn all dieser Problematiken zu feiern und das Leiden unzähliger indigener Gruppen zu ignorieren, von der Entdeckung eines schon lange bewohnten Kontinents zu sprechen, all das zeigt, wie ignorant und gleichgültig die EuropäerInnen und AmerikanerInnen gegenüber ihrer geschichtlichen Verantwortung sind.

Die Parade für den Kolumbustag in North End 2013 nutzte sogar Kostüme aus dem Film „Fluch der Karabik“, um den „Kolonialcharme“ der Veranstaltung unbewusst zu verdeutlichen.

Die Kolonialisierung war ein riesiger Einschnitt in das Leben aller indigener Völker, die stetige Ausbeutung von Land, Bodenschätzen und Menschen durch die Kolonialisten ist bis heute ein täglicher Kampf.

Von der Südspitze Amerikas in Chile, wo die Mapuche sich jeden Tag mit Landraub und rassistischer Polizeigewalt auseinander setzen, über die Weiten Kanadas, wo jedes Jahr tausende indigener Frauen vergewaltigt, entführt und ermordet werden, bis hin zu Australien, wo die Aboriginals immer noch kein selbstbestimmtes Leben führen können, existieren koloniale Strukturen weiter. Und wir in Europa profitieren alle von ihnen: sei es durch günstige Kaffee- und Zuckerpreise oder durch die Nutzung von Bodenschätzen aus Afrika und Südamerika, deren lebensbedrohlicher, aber für uns günstiger Abbau unsere Computer so preiswert machen.

Die indigene Gemeinschaft der Waorani in Ecuador befürchtet, ihre Lebensgrundlage zu verlieren. In ihrer Region sollen Erdölförderungen statt finden. Umweltverschmutzung und Lebensraumverlust sind die Folgen.

Das Erkennen dieser gestohlenen Privilegien ist ein erster Schritt, doch reicht dies noch lange nicht aus. Wir alle müssen daran arbeiten, die Ungleichheiten zwischen den verschiedenen ethnischen und kulturellen Gemeinschaften zu beheben. Oder zumindest versuchen, gut zu machen, was in Jahrhunderten der Unterdrückung und Ausbeutung geschehen ist. Und vor allem müssen wir verhindern, dass diese Mechanismen weiterhin in das Leben der Indigenen eingreifen. In zahlreichen Kampagnen versucht die Gesellschaft für bedroht Völker e.V., die Indigenen beim Kampf für ihre Rechte zu unterstützen. Wir sind weltweit aktiv und setzen uns ein sowohl für den Erhalt des Waldes als Lebensgrundlage der Waorani in Ecuador, der von Erdölförderung bedroht ist, als auch für die Landrechte indigener Gruppen im Grenzgebiet zwischen Peru und Brasilien, die von illegalen Holzhändlern und Drogenschmugglern massiv bedroht sind.

Die indigene Gruppe der Ashaninka lebt im Grenzgebiet zwischen Brasilien und Peru. Sie kämpfen tagtäglich gegen illegale Holzfäller und Drogenmafia. Anfang September wurde einer ihrer politischen Anführer zusammen mit drei weiteren Mitgliedern der Gemeinschaft ermordet.

[Zu den Autorinnen]

CÉLINE SONNENBERG studiert Internationale Beziehungen an der Universität Malmö (Malmö högskola). Sie arbeitete als Freiwillige auf einem Pferdegestüt in Chile und reiste durch Südamerika. 

HANNA PRAUTZSCH studiert im 6. Semester Politikwissenschaft und Ethnologie an der Uni Freiburg. Sie arbeitete für ein Jahr als Freiwillige in einem Frauenhaus in den ecuadorianischen Anden.

Kommentar verfassenAntwort abbrechen